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Robert-Rössle-Straße in PankowDie unsichtbaren Frauen

Die Robert-Rössle-Straße soll umbenannt werden. Und zwar in Cécile-Vogt-Straße. Angekündigt wurde dieses Vorhaben bereits vor zwei Jahren.

Die Berliner übernehmen es einfach selbst, wie bei der Umbenennung der Mohrenstraße zur Möhrenstraße durch schwarze Punkte Foto: dpa | Bernd von Jutrczenka

Berlin ist eine von Männern dominierte Stadt. Den Eindruck bekommt man jedenfalls, wenn man beim Schlendern und Shoppen auf die Namen der Straßen und Plätze achtet. Blochplatz, Böttgerstraße, Charles-Corcelle-Ring, um nur ein paar Namen in Wedding zu nennen. Egal aber ob Mitte oder Marzahn, erinnert wird vor allem an historische männliche Persönlichkeiten, mal bekannter, mal weniger bedeutend. Wer war noch gleich Otto Franke, Namensgeber einer Straße in Treptow-Köpenick? Auch egal, Hauptsache männlich.

Es ist logisch, dass viele alte Straßennamen männlich geprägt sind, einfach aufgrund der Zeit, aus der sie stammen. Wenn Bezirke dann aber doch mal Straßen umbenennen, bleiben diese häufig männlich, was eine Form der strukturellen Diskriminierung von Frauen darstellt. Ein Blick in die Tabellen von Straßen und Plätzen der verschiedenen Bezirke führt das Problem vor Augen. „w“ steht für historische weibliche Personen, „vw“ für weibliche Vornamen, „fw“ für fiktive weibliche Personen.

Die Kürzel brauchen sich Be­trach­te­r*in­nen eigentlich nicht merken, denn sonderlich häufig tauchen sie in den Tabellen nicht auf. Den Frauenanteil bei Straßennamen von 50 Prozent, wie er zum Beispiel von Friedrichshain-Kreuzberg angestrebt wird, erreicht kein einziger Bezirk. Das Problem: Straßennamen sind eben nicht nur „Schall und Rauch“. Wir erinnern uns täglich an die Namensgeber, wenn wir durch die Straßen laufen.

Sie finden sich auf Anschriften von Briefen, Paketen und Ausweisen wieder. Sie spiegeln die Gesellschaft wider, in der wir leben. Und die ist, wie auch die Straßennamen, geprägt von Männern. Nach Neubenennungen wie dem Rio-Reiser-Platz in Kreuzberg könnte es nun einen Hoffnungsschimmer für die Sichtbarkeit von Frauen geben: Die Robert-Rössle-Straße im Pankower Ortsteil Buch soll in Cécile-Vogt-Straße umbenannt werden.

Keine Straßen für Nazis

Robert Rössle ist ein Paradebeispiel dafür, dass die Umbenennung von Straßen schneller vonstatten gehen sollte. Denn Rössle war ein Arzt der NS-Zeit, der sich, wenn auch offiziell kein NSDAP-Mitglied, für die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ – wie er es nannte – einsetzte. Hinzu kamen Forschungen über die Pathologie der Familie, wobei er von den jüdischen Familien profitierte, die das Regime in den Suizid trieb. Dies begrüßte er auch ausdrücklich in einem Schreiben, über das die taz berichtete.

Kurzum: Robert Rössle war kein Mensch, dem man gedenken möchte. Dementsprechend sollte auch die Umbenennung eigentlich vom Bezirksamt vorangetrieben und erwünscht sein. Ein Gutachten über die Hirnforscherin Cécile Vogt sollte dem Bezirksamt Pankow bis Ende März vorliegen. Tatsächlich ist es auch gut zwei Monate später noch nicht fertig. Auf Nachfrage teilt die zuständige Stadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) jetzt mit, dass das Gutachten für Juni erwartet wird.

Der Bezirk will vermutlich einen weiteren Fauxpas à la Rössle vermeiden und geht dementsprechend akribisch bei dem neuen Gutachten vor. Alles streng nach Plan. Was übersetzt auch bedeutet: Es hat sich ewig fast nichts getan. Und das schon seit zwei Jahren. Bereits im Juni 2022 wurde über den neuen Namen abgestimmt. Das Bezirksamt verweist auf die vielen bürokratischen Schritte, an denen es sich entlang hangeln muss, bevor die Straße umbenannt werden kann.

In einem Schreiben aus dem vorangegangenen Jahr, das der taz vorliegt, ist die Rede von Abstimmungen mit dem Vermessungsamt Pankow, einer Widerspruchsfrist, die abgewartet werden muss, und so weiter und so fort. Selbst wenn Änderungen von Straßennamen mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden sind – bei anderen Bezirken scheint die Hürde geringer zu sein.

Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg teilt auf Anfrage der taz mit, der Prozess zur Umbenennung von Straßen würde erfahrungsgemäß in etwa 12 Monate dauern. Das Bezirksamt Pankow erklärt, dass sich der Prozess um eine „nicht einzuschätzende Zeit“ verlängern kann, wenn eine Straße nach historischen Persönlichkeiten benannt werden soll und Gutachten erstellt werden müssen. Cécile-Vogt-An­hän­ge­r*in­nen warten jedenfalls schon deutlich länger als 12 Monate auf ihre neuen Straßenschilder.

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1 Kommentar

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  • Ich halte von dieser zwanghaften Herstellung einer Quotenöffentlichkeit bei Straßennamen eigentlich nichts, weil sie oft den historischen Gegebenheiten, die man zwar leugnen, aber nicht mehr verändern kann, nicht gerecht wird. Wenn aber wie in diesem Fall ein Name verschwindet, dessen ruchloser Träger aus gutem Grund heute bestenfalls nur in Medizinerfachkreisen bekannt sein dürfte und noch dazu als Arzt in NS-medizinischen Aktivitäten verwickelt war, dann sollte man das tun.