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Strafen für Besitz von KinderpornografieNicht widersinnig, sondern richtig

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Vor drei Jahren wurde das Gesetz über den Besitz und den Handel von kinderpornografischem Material verschärft. Und jetzt wieder abgemildert.

Bei der Aktionswoche gegen Kinderpornografie haben die Behörden etliche Laptops und Rechner beschlagnahmt Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

R und 650 Po­li­zis­t:in­nen und Staats­an­wäl­t:in­nen waren vor einem Monat eine knappe Woche lang in sieben Bundesländern unterwegs – auf der Suche nach kinderpornografischem Material. Sie beschlagnahmten unzählige Laptops, PCs, Smart­phones. Diese Aktionswoche der Behörden zeigt, wie wichtig es ist, Spuren zu verfolgen, die auf den Handel mit und den Besitz von sogenannter Kinderpornografie hinweisen. Ob im Darknet oder auf Datenträgern, die Täter zu Hause haben.

Und doch wurde das Gesetz, das den Besitz und das Teilen solchen Materials vor drei Jahren schärfer unter Strafe stellte, jetzt wieder gelockert. Ist das nicht widersinnig? Nein, ist es nicht. Damals hatte man schlicht nicht bedacht, dass sich auch Eltern, Lehrer:innen, So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen strafbar machen, sobald sie auf solche Fotos und Videos in Chats und E-Mails von Kindern und Jugendlichen aufmerksam werden und diese beispielsweise an sich selbst weiterleiten lassen, um sie den Behörden zu melden.

So werden aus Geg­ne­r:in­nen Tä­te­r:innen, die für den Besitz von kinderpornografischem Material sogar ins Gefängnis gehen könnten. Auch Jugendliche selbst, die solche Vorfälle an Erwachsene weiterschicken und dafür die Daten als Beweis sichern (müssen), sind plötzlich Beschuldigte. Sogar harmlosere Intimbilder, die sich Teenies kichernd hin- und herschicken, fallen darunter. Das ist widersinnig.

Zwar warnten Ex­per­t:in­nen bereits 2021 vor der Gesetzesverschärfung. Jedoch nicht, weil sie ahnten, wie Gerichte mit solchen „Nichtfällen“ überschwemmt würden. Sie warnten mit dem Argument, dass das geltende Strafmaß bereits ausreicht. Das war nicht falsch, aber der Punkt, den das härtere Gesetz deutlicher denn je machen wollte, war: Wir lassen keine sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu.

An diesem Ansatz gibt es nichts, aber auch gar nichts zu rütteln. Und der wird durch das abgeschwächte Gesetz nicht gemildert. Vielmehr wird Gerichten und Ermittlungsbehörden wieder mehr Freiraum eingeräumt, den diese brauchen, um den wahren Tä­te­r:in­nen auf die Spur zu kommen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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10 Kommentare

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  • Gut gemeint ist eben immer das Gegenteil von gut gemacht. Glücklicherweise wurden diese handwerklichen Fehler nun beseitigt, damit die Kapazitäten frei sind, Pädophile zu jagen statt Sozialarbeiter.

  • Bei den lieben Kinderlein kriegen die meisten Leute Schaum vorm Mund. Deshalb sind sie auch bei Populisten ein beliebtes Vehikel für Hetze. Schön, dass der Staat hier einen Fehler eingestehen und korrigieren konnte.

  • > Jedoch nicht, weil sie ahnten, wie Gerichte mit solchen „Nichtfällen“ überschwemmt würden

    Naja, doch:

    "Es war schon auffällig, mit welcher Vehemenz und Geschlossenheit alle Sachverständigen inklusive der Experten der Union davor warnen, dass die vorgeschlagene Regelung die Staatsanwaltschaften mit Fällen minderen Unrechtsgehaltes überflutet. Eindrücklich wurde gewarnt, dass die Ahndung schwerer Sexualstraftaten dadurch blockiert werde."

    www.lto.de/recht/h...-keuschheitsprobe/

    Und davor, dass Jugendliche selbst betroffen sein würden, wurde auch gewarnt (dazu finde ich aber gerade nicht die Quelle).

  • 1. Niemand muss sich kinderpornographisches Material verschaffen, um den Behörden entsprechende Straftaten zu melden. Man kann die Tat auch gleich anzeigen. Die Beweissicherung ist Sache der Strafverfolgungsbehörden.



    2. Wenn es darum geht, dass sog. Grenzfälle nicht bestraft werden, muss nicht das Strafmaß reduziert werden, sondern der Tatbestand muss präzisiert werden. Die Begründung für die Absenkung der Mindeststrafandrohung überzeugt nicht.

    • @Budzylein:

      1. Muss man nicht. Aber da allein der Besitz schon strafbar ist, wird auch unverlangt zugesandtes zum Problem. Und gerade unter Stress handeln Menschen oft impulsiv statt überlegt. Es ist also nicht immer Dummheit oder böser Wille dabei.

      2. Ich denke, dass keine Präzisierung imstande sein würde, ALLE möglichen Szenarien abzudecken. Das Vertrauen in die Justiz, nicht leichtfertig mit dem Spielraum umzugehen, kann man m.E. schon haben.

      • @Helmut Fuchs:

        Der Besitz ist auch bei niedrigerer Strafandrohung strafbar. Und unverlangtes Zusenden begründet beim Empfänger keine Strafbarkeit. Sonst müsste man den Tatbestand ganz abschaffen, was völlig absurd wäre.

  • "Schlicht nicht bedacht"? Nein, einfach dämlich. Grund für den Fehler ist allein, dass aus Populismus und Hysterie eine Mindeststrafe eingebaut wurde.

  • "Zwar warnten Ex­per­t:in­nen bereits 2021 vor der Gesetzesverschärfung. Jedoch nicht, weil sie ahnten, wie Gerichte mit solchen „Nichtfällen“ überschwemmt würden. Sie warnten mit dem Argument, dass das geltende Strafmaß bereits ausreicht."

    Das stimmt nach meiner Erinnerung so nicht. Die Argumentation, dass mit der Gesetzesverschärfung auch Grenzfälle strafbar werden, die normalerweise eingestellt würden, gab es schon damals.

    Im moralischen Furor wurden solche Überlegungen aber mit "egal, wenn es der guten Sache dient" zur Seite gedrückt. Auch in der taz.

    • @Helmut Fuchs:

      Ich wollte gerade genau dasselbe schreiben.



      Da gibt es bei den damaligen Aktionisten eine allgemeine Gedächtnislücke.

    • @Helmut Fuchs:

      Wer hört denn schon auf Menschen mit Ahnung. Speziell wenn man politisches Manna daraus saugt das man den moralischen Furor bedient.