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Beeinträchtigung im Bahnverkehr„Es werden Strecken gesperrt“

Bund und Länder blockieren eine Gesetzesänderung zur Sanierung des Schienennetzes. Das kann fatale Folgen haben, sagt Verkehrsexperte Dirk Flege.

Hier dürfen Züge auf einer Neubaustrecke unterwegs sein: Abschnitt bei Kirchheim unter Teck Foto: Arnulf Hettrich/imago
Nanja Boenisch
Interview von Nanja Boenisch

taz: Herr Flege, Deutschland will sein Schienennetz auf den Stand bringen. Im Sommer soll die Sanierung besonders belasteter Strecken beginnen. Bund und Länder streiten allerdings noch über eine Gesetzesänderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG). Steht jetzt die viel beschworene Generalsanierung auf der Kippe?

Dirk Flege: Je länger es dauert, bis sich Bundesrat und Bundestag einigen, desto mehr wackelt der Zeitplan für die Sanierung von Hochleistungskorridoren, wie der Bund sie plant. Schon Bundesregierung und Bundestag haben lange über die Novelle diskutiert. Wenn jetzt weitere Monate verstreichen, wird das Konzept Korridorsanierung im schlimmsten Fall torpediert.

Warum braucht es die Gesetzesänderung für die Sanierungen?

Bisher wird bei der Finanzierung des Schienennetzes zwischen Ersatzinvestitionen, Neu- und Ausbau sowie Instandhaltung unterschieden. Das sind drei verschiedene Finanzierungsströme, das ist zu fragmentiert. Der Bund kann nur Geld in die Bahninfrastruktur stecken, wenn etwas ersetzt oder neu gebaut wird. An der Instandhaltung kann er sich bisher nicht beteiligen. Wenn man groß angelegt Hochleistungskorridore sanieren möchte, muss man die Finanzierung als Ganzes angehen.

privat
Im Interview: 

Dirk Flege, 58, ist Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Dort sind unter anderem Umweltverbände und Verkehrsunternehmen vertreten.

Das müsste doch im Interesse der Länder sein. Warum haben sie das BSWAG in seiner aktuellen Form in den Vermittlungsausschuss geschickt?

Die Novelle, die der Bundestag beschlossen hat, finden erst mal alle gut. Die Länder, aber auch viele Vertreterinnen und Vertreter der Eisenbahnbranche wünschen sich aber noch mehr als das. Bislang ist es so, dass sich der Bund nicht verantwortlich fühlt für die Finanzierung von Bahnhofsgebäuden. Das ist einer der Hauptgründe dafür, dass die Deutsche Bahn so viele davon verkauft hat und so viele in so einem erbärmlichen Zustand sind. Die Bundesländer sind der Auffassung, dass Bahnhofsgebäude in die Finanzierungsverantwortung des Bundes gehören.

Wenn eine Schienenstrecke saniert und dafür komplett gesperrt wird, braucht es einen Schienenersatzverkehr. Die Länder fordern auch, dass der Bund hierfür Geld gibt.

Das ist eine im Grundsatz richtige Forderung, die sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr gilt. Bei dem, was in den nächsten Jahren vor uns liegt, reicht kein normales Baustellenmanagement. Sondern hier werden über Monate stark frequentierte Strecken gesperrt. Gerade für den Schienengüterverkehr sind damit extrem weiträumige Umleitungen verbunden. Das ist natürlich teuer, bringt Nachteile im direkten Wettbewerb mit dem Lkw und darf nicht dazu führen, dass auf Dauer Transporte von der Schiene auf den Lkw verlagert werden.

Und im Personenverkehr?

Auch da erwartet uns mehr als der normale Schienenersatzverkehr mit Bussen. Monatelang werden Hunderte Busse gebraucht. Das kostet Geld, und damit kann man die Länder nicht alleine lassen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing argumentiert, dass die Länder Geld sparen, wenn in diesen Monaten Nahverkehrszüge wegfallen. Und dass sie deshalb genug finanzielle Ressourcen haben, den Schienenersatzverkehr zu bezahlen. Meines Erachtens ist das eine verkürzte Argumentation.

Als der Verkehrsausschuss und der Haushaltsausschuss im Bundestag über Monate hinweg um die Novelle gerungen haben, war auch der Schienenersatzverkehr Thema. Mehr als die Reform in ihrer aktuellen Version war offenbar nicht drin. Sollten die Länder sie nicht lieber durchwinken, damit der Schienenausbau überhaupt in die Gänge kommt?

Das war in der Tat alles schon monatelang Zankapfel zwischen den Ampelfraktionen: der Schienenersatzverkehr, die Finanzierung der Bahnhofsgebäude oder auch die Digitalisierung des Zugverkehrs. Wie gesagt, die inhaltliche Kritik der Länder finde ich richtig. Jetzt müssen aber alle zusammen, der Bund, die Länder und die Eisenbahnbranche, dafür Sorge tragen, dass sich die Diskussion nicht ins Unendliche zieht. Eine nicht ganz perfekte Gesetzesänderung ist besser als gar keine Gesetzesänderung. Bund und Länder müssen sich schnell einigen. Am besten vor der Sommerpause, damit sich auch Güterbahnen und der Personennahverkehr auf die Belastungen durch die großen Sanierungsprojekte einstellen können.

Das Geld für die Sanierung der Riedbahn, den ersten Teil der Generalsanierung, hat die Deutsche Bahn vorgestreckt. Bleibt die Bahn auf den Kosten sitzen, wenn sich Bund und Länder nicht einigen?

Für dieses Jahr haben der Bund und die Bahn Regelungen gefunden. Zum Beispiel hat die Bundesregierung das Eigenkapital der DB erhöht. Ich glaube nicht, dass die Bahn dann auf den Kosten sitzen bleibt. Aber für 2025 wurde auf jeden Fall noch keine Vorsorge getroffen. Ohne die Gesetzesänderung ist das nicht möglich. Die Sanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim kann wie geplant weiterlaufen, selbst wenn das Gesetz erst zum Ende des Jahres geändert würde.

Gibt es wirklich keine Alternative für die Generalsanierung ab 2025, falls das BSWAG nicht durchkommt?

Wenn das Gesetz nicht durchkommt, wäre das Konzept Korridorsanierung mausetot. Eine andere Lösung für die Schienensanierung liegt einfach nicht auf dem Tisch. Dann müsste man das Netz weiter so sanieren wie bislang. Wenn der Bahnsteig gerade erneuert ist, muss man drei Monate später dieselbe Strecke sperren, weil die Oberleitung repariert werden muss. Vier Monate später wird der Schotter gewechselt. Das war die bisherige Praxis. Kürzere Sperrungen, Bauarbeiten unter dem rollenden Rad, dafür immer wieder Instabilität im Schienensystem. Das hat zu dem Zustand geführt, den alle beklagen: ein völlig marodes Schienennetz, unterfinanziert und völlig überbürokratisiert, jede Menge verschiedene Zuständigkeiten und Finanzierungstöpfe. Deshalb haben sich Bund und Branche ja für die Sanierung der Hochleistungskorridore, diese Radikalkur, entschieden. Das wird wirklich eine harte Herausforderung. Aber eine bessere Alternative hat niemand.

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5 Kommentare

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  • Die Mitfahrt im Schienenersatzverkehr ist unkomfortabel, dauert häufig doppelt so lange wie die Fahrt mit dem Zug, und die Informationspolitik, wann und wo Ersatzbusse abfahren, ist in der Regel grausig. Hauptkorridore für Sanierungsarbeiten für Monate zu sperren, ist ein schlechtes Konzept. Die Riedbahn ist sicher noch das verträglichste Beispiel, weil sie 2 Ausweichstrecken hat, aber der Rest des Netzes fällt auseinander, wenn man einfach nach und nach die eine oder andere Hauptverbindung kappt. Warum man in Deutschland diesen Weg gehen will, kann ich mir nur dadurch erklären, dass die DB die ganze Planung und das ganze Lobbying macht, sich aber nicht mehr freiwillig mit Regionalverkehr beschäftigt: Der ist ja nun Ländersache. Und anscheinend ist man lieber bereit Regional- und Güterverkehrskunden zu vergraulen, als Netz, Betrieb und Bauarbeiten so abzustimmen, dass sie Regionen nicht abhängen, wie man das im Rest der Welt machen würde.



    Dass der Verkehrsminister möglicherweise gar nicht so unglücklich ist, wenn deswegen mehr Lkw und Pkw gekauft und gefahren werden, mag an der Entstehung des Konzepts mitgewirkt haben.

  • mit fdp Wissing wird das scheitern.



    Die Bahn braucht ne Bazzooka.



    Sonst wird das nix.

  • Man hätte vorher ein paar parallele Nebenstrecken ertüchtigen sollen, wo die Züge dann statt dessen fahren können. Im Netz immer an Redundanzen denken!

  • Wer Geld sparen, die Umwelt schützen und soziale Grundversorgung schaffen will, muss die teure Bevorteilung von Auto und Flug stoppen und Geld wie andere Ressourcen auch zu Bahn, Bus und Rad fließen lassen.



    Wissing sollte sich einen anderen Job suchen.

    • @Janix:

      Ja. Ne. Lass mal. Vllt sollte man einfach mal anfangen, besser zu wirtschaften.



      Muss ich ja auch machen. Und da sind dann doch 2 euro/liter und damit einhergehende freiheit im verkehr drin. Danke :-)