Hungerstreik vor dem Kanzleramt: Streiken, bis der Arzt kommt
Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin Mitte machen Aktivist*innen unter dem Motto „Hungern bis ihr ehrlich seid“ auf den Klimawandel aufmerksam.

D ie Straßen in der Nähe des Bundeskanzleramts in Mitte sind an diesem Vormittag fast wie leergefegt. Lediglich ein paar Tourist*innen haben sich hierhin verirrt, Passant*innen spazieren auf der Moltkebrücke über die Spree. Ausnahmsweise regnet es nicht, der Frühling hält Einzug, das Leben ist schön. Wäre da nur nicht die Handvoll Personen, die auf das unangenehme Thema Klimawandel aufmerksam machen. Zielstrebig halten sie ihr Plakat in die Höhe – „Hungern bis ihr ehrlich seid!“
Ein Hungerstreik? Muss das sein? „Ja!“ Findet zumindest der Aktivist Wolfgang Metzeler-Kick, denn nur so würde die Menschheit endlich auf die sich anbahnende Klimakatastrophe aufmerksam werden, glaubt er. „Viele Leute verdrängen das Thema einfach, das ist ja das Hauptproblem“, sagt Metzeler-Kick zur taz. Nach dem anfänglichen Medienrummel, den die Aktion verursacht hatte, wirkt gut eine Woche später alles träge und gar nicht aufrüttelnd.
Träge dürfte auch Metzeler-Kick sein, denn der befindet sich schon seit 28 Tagen im Hungerstreik. Da drängen sich direkt verschiedene Fragen auf: Wie man das durchhalten kann zum Beispiel – unabhängig davon, ob man diese lange Zeit auch ohne Nahrung durchhalten sollte. Wie das überhaupt möglich ist und was er denn dann tagsüber zu sich nimmt. Letzteres könne er einfach schnell zeigen, sagt der Aktivist.
Viel ist es schließlich nicht. Er bückt sich, kramt in seinem Rucksack und zieht zwei Flaschen hervor. Die Eine beinhaltet Saft, verdünnt mit Wasser. Die andere Thermoskanne ist gefüllt mit Tee. Salz hätte er auch hinzugegeben, er habe sich schließlich beraten lassen. Trotzdem bleiben vier Wochen ohne Essen nicht ohne Folgen: Das Stehen falle ihm mittlerweile schwer, sagt Metzeler-Kick, also zieht die Karawane aus Streikenden und Polizei weiter, um das Paul-Löbe-Haus herum. Auch darüber hinaus zeige sein Körper bereits erste Anzeichen von Schwäche, erklärt der 49-Jährige.
Hungern für das Klima
Die ignoriere er aber gerne, um auf ein viel größeres Problem aufmerksam zu machen: Den Klimawandel. „Ich bin so naiv und glaube, wenn die Menschheit erstmal kapiert, dass es hier gerade ums Aussterben geht, dass dann auch das notwendige Handeln einsetzt“, sagt der ehemalige Ingenieur. Ein erster Schritt in die richtige Richtung sei eine offizielle Anerkennung der derzeitigen Krisensituation von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Von dem ist allerdings nichts zu sehen und zu hören. Ist ihm der Klimawandel egal? Oder verhandeln Kanzler*innen nicht mit hungerstreikenden Klimaaktivist*innen, die ihren eigenen Körper in Geiselhaft nehmen? Übel nehmen könnte man ihm Letzteres wohl nicht, denn die Protestform „Hungerstreik“ stößt bei Vielen auf Ablehnung. Ein Einwand dabei: Hungerstreiks in einem reichen Land wie Deutschland durchzuführen, während Menschen in anderen Teilen der Welt dazu gezwungen sind zu hungern, sei makaber.
Wolfgang Metzeler-Kick hat darauf eine klare Antwort. „Wenn man schon so privilegiert ist, wie wir es sind, dann sollten wir uns den Arsch aufreißen, damit es anderen Leuten besser geht und nicht mit dem Finger auf Personen zeigen, die sich bemühen, etwas zu ändern.“ Er jedenfalls würde so lange hungern und „möglicherweise eskalieren“ – also auch den den Saft wegzulassen-, „bis die Regierungserklärung zugesichert ist.“
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