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Karlsruher Urteil zur VaterschaftAus zwei mach drei

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Bundesverfassungsgericht hält fest, dass mehr als nur zwei Eltern laut Gesetz möglich sind. Justizminister Buschmann geht das alles zu schnell.

Mut zur Patchworkfamilie Foto: Elmar Gubisch/imago

D as Bundesverfassungsgericht zeigte Mut zur Patchworkfamilie. Während man in der Lebensrealität schon lange viele Modelle von Elternschaft sieht – mit drei, vier oder mehr sozialen Elternteilen –, war die juristische Lage bisher strikt. Es konnte maximal nur zwei rechtliche Elternteile geben, alle anderen Bezugspersonen des Kindes haben allenfalls ein Umgangsrecht.

Damit könnte nun aber Schluss sein. Karlsruhe hat noch einmal ins Grundgesetz geschaut und erkannt, dass dort keine Begrenzung der Zahl der Elternteile steht. Ab sofort könnte der Gesetzgeber auch drei rechtliche Elternteile zulassen, zum Beispiel Mutter, leiblicher Vater und der neue Freund der Mutter.

Doch Marco Buschmann, der Justizminister der angeblich „progressiven Koalition“, hat bereits abgewunken. Er will von den neuen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen und nur die Karlsruher Minimalvorgabe – ein verbessertes Vaterschaftsanfechtungsrecht für leibliche Väter – umsetzen.

Dabei hat die Sachverständigenanhörung im Bundesverfassungsgericht doch ergeben, dass Kinder durchaus mit mehr als zwei Bezugspersonen zurechtkommen, wenn sich alle Eltern liebevoll und verlässlich um sie kümmern. Was Kindern nicht guttut, ist ständiger und fieser Streit zwischen den Bezugspersonen. Und den gibt es bekanntermaßen auch bei klassischen Elternpaaren.

Zwar könnte man vermuten, dass mehr mitspracheberechtigte Elternteile auch die Wahrscheinlichkeit von Zerwürfnissen erhöht. Aber ist es wirklich für den familiären Frieden aussichtsreicher, wenn es nur einen rechtlichen Vater geben darf und der Streit dann vor Gericht ausgefochten wird?

Das Karlsruher Urteil ist jedenfalls klug. Es beseitigt überholte Restriktionen, zwingt den Gesetzgeber aber nicht, von der neuen Freiheit Gebrauch zu machen. So können sich Gesellschaft und Politik langsam daran gewöhnen, dass es auch drei rechtliche Elternteile geben kann. Und wenn der Gedanke erst mal kollektiv gereift ist, wird er dann umgesetzt, vielleicht schon in zehn Jahren.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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5 Kommentare

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  • Ich glaube auch, dass das Urteil eher die Realität erfasst, als umgekehrt.



    Das Problem ist, dass in Deutschland kaum ein Paar zusammen bleibt, Scheidung und Trennung sind zum Normalfall geworden, die meisten Kinder haben zwei Zuhause und zwei getrennt lebende biologische Elternteile. Soweit so gut, aber das Problem fängt bei einer anderen Zahl an, nur ca. 15 Prozent der getrennten Paare schaffen ein kooperatives Verhältnis, söhnen sich aus, akzeptieren sich gegenseitig, gehen zusammen zu Elternabenden etc. Der Rest hat eine oder mehrere Konfliktebenen laufen, bis hin zu 10 bis 15 Prozent der getrennten Paare, die gar nich koopieren und die dauerhaft konfliktreich mit der Trennungssituation umgehen.



    Wenn jetzt gerade bei dieser letzten Gruppe mehrere Elternteile ins Spiel kommen, könnte das sehr zu Lasten der Kinder gehen. Das gebe ich zu bedenken.



    Es ist leider so, dass die Ehe eine Idealvorstellung ist, die Auflösung einer Ehe ist offenbar nicht leicht, sich in Konflikte zu begeben, kann emotional und materiell viel Gewinn einbringen. Dies könnte eine weitere Waffe im Kampf werden - wenn es schlecht läuft. Ich glaube, dass es auch in Zukunft so sein wird, dass Kinder hier in Trennung aufwachsen. Diese Trennung im Sinne des Kindes positiv zu gestalten wäre wichtig. Biologische Väter waren lange vollkommen ausgeschlossen und viele von ihnen haben schlimme Dinge erlebt, zumal sie ja zur Kasse gebeten werden. Wer als schlauer biologischer Vater schlaue Kinder in die Welt setzt, hat vielleicht bis 25 keinen Kontakt zu ihnen, darf aber zahlen. Nun ist Geld nicht alles, aber es zeigt eben auf, dass unser Recht angepasst werden muss, das hier ist echt Kaiserreichzeit, nicht Gegenwart.

  • Es geht bei dem Urteil überhaupt nicht um dritte Elternteile, es geht um die Rechte der leiblichen Väter! Und gerade dieser Fall zeigt doch sehr deutlich die Probleme, wenn die Eltenrechte nicht nur bei den leiblichen Eltern liegen.

    Man kann ja darüber reden, ob es sinnvoll ist, in bestimmten Familienkonstellationen drei Eltern zu haben, aber doch nur mit Einverständnis beider leiblichen Eltern. Und genau das war hier ja nicht der Fall. Und dann muss man auch über die Probleme reden, die entstehen können. Je mehr Eltern um so mehr Potential für Konflikte und um so schwieriger wird es, diese zu lösen. Und was passiert bei einer Trennung? Bekommt dann der leibliche Vater das Kind nur noch alle drei Wochen, weil der oder die Ex der Mutter die gleichen Rechte hat?

    Man kann heute sehr leicht feststellen, wer wirklich der Vater ist. Deswegen sollte man auch davon wegkommen, Partnern oder Partnerinnen der Mutter automatisch Elternrechte zu geben, wenn die Elternschft nicht eindeutig ist, egal ob verheiratet oder nicht. Man könnte vielleicht über eingeschränkte Stiefelternrechte reden.

  • Ein Kind kann durchaus auch mit mehr als drei Bezugspersonen umgehen. In der traditionellen lebensweise als Großfamilie ist diese Erkenntnis seit Jahrtausenden belegt und milliardenfach bewährt. Ergo: eine Begrenzung auf drei Eltern ist im Grundgesetz nicht festgelegt. Wer bietet mehr? Wenn Herr Rath als Fachjournalist für Rechtssachen auftritt, ist man ja schon allerhand gewöhnt. Trotzdem schafft er es immer mal wieder einen noch Rathloser zu machen.

  • Bei manchen Politikern weiß man wirklich nicht was man sagen soll. Es geht doch nicht darum was Herr Buschmann will, sondern was seine Wähler wollen und was gut ist für die Kinder und die Familien.

  • Grundsätzlich ein guter Schritt in die richtige Richtung, für verantwortungsvolle, reflektierende Menschen / Eltern, die zum Wohle der Kinder agieren.