ARD-Sitcom „Friedefeld“: Und dann kickt das Deutsche

Die ARD-Serie „Friedefeld“ könnte eine Abwechslung in der Fernsehlandschaft sein – wenn sich da nicht das spießige Moralisieren einschleichen würde.

Comic: In einem bürgerlichen Wohnzimmer stehen drei Personen die sich gegenseitig in eine andere Richtung ziehen wollen

Drillinge von verschiedenen Müttern: Ludwig, Paul und Barbie

Paul, Barbie und Ludwig stehen vor einem riesigen Krater. So viele Dinge könnten hier, wo sich früher der Stadtpark befand, entstehen – und stattdessen sind da nur ein Bungee-Jumping-Turm, eine Kletterwand und ein Eiswagen. Genau so fühlt sich „Friedefeld“ an. Es hätte so viel sein können, aber jetzt stehen da nur die drei Geschwister, um deren Leben sich diese Serien dreht, und starren in ein Loch.

Dabei wollten BR und SWR, die die Serie in Auftrag gegeben hatten, die erste deutsche animierte Sitcom herausbringen. Animation und Humor, das könnte dem deutschen Fernsehen guttun, denn seit Loriots sprechendem Hund Bello ist da wenig passiert.

Lustig hätte es mit den drei Hauptpersonen werden können: Paul, Barbie und Ludwig sind Halbgeschwister, alle am gleichen Tag geboren von unterschiedlichen Müttern, die allesamt vom Vater betrogen wurden. Diese Grundkonstellation kann so viel. Und macht so wenig. Selbstredend gibt es Vaterkomplexe. Das wars aber auch schon. Kein Erbstreit, kein Zwist, keine skurrile Wendung.

Nicht abgedreht genug

Und nun zum größten Problem: Einer der Charaktere ist langweilig, einer nur ein Sidekick, eine die übersehene eigentliche Protagonistin. Das Leben von Paul ist dadurch bestimmt, dass er versucht seine Ex-Freundin, Berthe, zurückzugewinnen. Das geht nur, wenn er aktiver wird, nicht nur politisch, weil Berthe sich etwa gegen Kapitalismus einsetzt und für Menschen ohne Obdach.

Auch seinen Lebensstil will Paul anpassen, denn er ist ein sterotyper Millennial. Er liegt auf der Couch, schaut in sein Handy, ist überfordert vom Streamingangebot und pflegt neben Prokrastination auch Selbsthass. Paul hat aber keine Depressionen, sondern leidet einfach nur darunter, dass sein Charakter geschrieben wurde, wie manche alte Erwachsene eben so auf junge Erwachsene schauen.

„Friedefeld“, 10 Folgen in der ARD-Mediathek

Als er beschließt, dass sein Leben weniger digital und dafür einfacher werden soll lädt er sich eine App dafür runter. Ein Witz, so naheliegend, als wäre er Paul selbst eingefallen. Das kann man durchaus machen, aber dann doch bitte komplett überdreht!

Komplett überdreht kann aber nur einer: Ludwig, der Sidekick. Der glaubt an Verschwörungserzählungen, rettet Hunde vor der Kastration, schreibt Bücher über Aliens und entschlüsselt die Weltformel, die alle retten könnte. Nur leider bekommt er für all das nicht genügend Platz. Kaum hat er wieder einen neuen Einfall, einen Fiebertraum, wird er abgesägt durch das elende Ge­nöle von Paul. Das setzt vehement immer dann ein, wenn die Serie doch mal lustig werden könnte. Meistens, damit eine politische Botschaft vermittelt wird.

Mehr spießige Moral im deutschen Fernsehen

Und Barbie? Die könnte die Serie tragen! Sie ist lesbisch, CEO eines großen umweltverschmutzenden Unternehmens, das abwechselnd Autos, Tech oder Waffen herstellt. Sie setzt sich durch gegen den alten, weißen, männlichen Vorstandsrat, der sie immer wieder entmachten will. Sie quält und wird gern gequält. Sie hat jegliche Moral abgelegt und macht einfach nur Spaß. Trotzdem haben sich die Ma­che­r*in­nen Paul als tragenden Charakter ausgesucht – eine Fehlentscheidung; für noch mehr spießige Moral im deutschen Fernsehen.

Die besten Momente der Serie sind ohnehin die, in denen sie komplett entgleitet. In denen Ludwig wegen eines Schachspiels einen Krieg zwischen Obdachlosen entfacht, in den Sadismus-Barbie mit einsteigt. Die, in denen Pazifist Ludwig die Bundeswehr unterwandern will. Die, in denen Barbie ihre unterjochte Assistentin in eine Nazi-Bewegung einschleust, die die Stadt stürzen will, auch wenn diese Entgleisung eine Kopie des realen Sturms aufs Kapitol ist.

Damit könnte es an sich gelingen, junge Erwachsene auf die Mediathek zu locken, wofür die Serie ja gemacht wurde. Auch die Ästhetik stimmt: minimalistische Hintergründe ohne Bewegung, rudimentäre Gestik und Mimik, die es erlaubt schnellen Dialogen zu folgen, während die Augen auf den Second Screen, das Smartphone, starren. So vieles erinnert an große US-Erfolge wie Family Guy oder American Dad.

Und dann kickt wieder das Deutsche, die Zurückhaltung. Es fehlt der Ekel vor sich selbst und vor anderen. Es fehlt vor allem aber das Böse und die Skurrilität. Und trotzdem muss man sagen: Wenigstens hat es mal jemand probiert. Vielleicht ist sie ein guter erster Aufschlag für die lustige deutsche Anima­tionsserie. Irgendwo muss man ja anfangen, also warum nicht mit kleinen Schmunzlern in Friedefeld.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.