Vom Gender- zum Pornoverbot: Wahlen, Worte, Wichsfantasien

Die Woche hatte viel zu bieten: Genderverbot in Bayern, die Wahlparodien eines Diktators und dann noch etwas Hufeisentheorie, wenns um Pornos geht.

Aiwanger ballt die Faust

Ob Aiwanger in seinem Flugblatt gegendert hat? Foto: Rolf Poss/imago

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: „Einfrieren“ und „weiße Fahne“.

Und was wird besser in dieser?

Irgendein Begriff wird überleben.

Die Cannabislegalisierung ist durch. Wird die Ampel dafür in Erinnerung bleiben? Oder kann sich eh bald niemand mehr an irgendwas erinnern?

Bei den Abgabemengen – 25 Gramm pro Tag pro Nase, unterschiedslos Gras oder Haschisch – hätte ein Kleinstadtdealer ausgesorgt. Die Abstandsregeln und die rückwirkende Amnestie machen es unfassbar unpraktikabel, Polizei und Justiz werden Amok rauchen, was sie bei den Abgabemengen aber durchaus auch können. Wer um 19.55 Uhr in der Fußgängerzone kifft oder 95 Meter vorm Kindergarten, kann belangt werden; das ist surreal und bedroht Arbeitsplätze in der Comedy­branche. Lauterbach will die Gefahren eindämmen – etwa Psychosen von Jugendlichen – und die Unbekehrbaren in Ruhe lassen. An diesem Gesetz sind die Absichten das Beste.

Wladimir Putin wurde als russischer Präsident wiedergewählt, damit geht er in seine fünfte Amtszeit. Wofür inszeniert er eine „demokratische“ Wahl, wenn er doch eh machen kann, was er will?

Putins Wahlparodien werden unerbittlich von Mal zu Mal absurder, das kann man auch lesen als den Weg hin zur finalen Erstarrung. Und Erstarrtes bricht. Sogar am besten. Dass er lügt – über „militärische Spezialoperationen“ etwa –, mag uns empören. Markanter jedoch ist, dass er sich bei aller Cleverness seine Lügen inzwischen selber glaubt. So, wie er die Terrorwarnung als Feindpropaganda las und drum den Terror nicht verhinderte. Er läuft in seine eigene Falle. Seine Kernthese ist, dass Russland keine echte Demokratie will, sondern einen autoritären Herrscher an demokratischer Gemüsebeilage. Dass er damit gut gefahren ist, das sollte uns mehr Sorgen machen als der endliche Putin.

In Bayern wird das Gendern in Schulen und Behörden verboten. Hätte sich der Schüler Hubert Aiwanger an so ein Verbot gehalten?

Aiwanger weiß doch nicht mal, wie man korrekt trennt. Also sich und Nazis. Gendern ist, lasst uns ehrlich sein, ein Elitensoziolekt. Jedenfalls noch. Andere Eliten haben einen Heidinnenspaß daran, sich als antielitäre Widerstandsbewegung zu verkaufen, etwa in der Bayerischen Staatsregierung. Und natürlich greifen sie den Gegner – die Geschlechtergerechtigkeit – am schwächsten Punkt an: gut gemeinte und mäßig gelungene Sprachjustierungen. Damit sammeln sie viele Arglose ein, die Sprachgenauigkeit als mühsam, umständlich, streberhaft und von oben verordnet empfinden. Jetzt kippt’s: Indem die alte Sprache aufgezwungen wird, weckt man Verständnis für mehr Sprachfreiheit. Interessanter Pendelschlag.

Donald Trump kann eine Strafe von mehr als 450 Millionen US-Dollar nicht zahlen. Wird das seinem Wahlkampf schaden?

Neben der Frage, ob er das bezahlen kann, steht die, ob er das will. Seinem Wahlkampf nutzt die Erzählung vom politisch Verfolgten, den das Es­tab­lish­ment fertigmachen will. Trumps Karriere besteht daraus, Schulden mit Schulden, Loch mit Loch zu stopfen. Nun wird er mit der Geschichte Spenden sammeln, will Wahlkampfgelder umwidmen und liegt auf dem Wühltisch für Tycoons und Oligarchen, die sich immer schon mal einen Präsidenten kaufen wollten.

Tiktok schränkt die Reichweite des AfD-Politikers Maximilian Krah nach Regelverstößen ein, gegen den rechtsextremen Vordenker Martin Sellner aus Österreich wurde ein bundesweites Einreiseverbot verhängt. Ist das der richtige Weg, um mit rechten Hetzern umzugehen?

Alles, was Recht ist. Wir brauchen keine Zweifel zu hegen, dass die im umgekehrten Falle mit der demokratischen Gesellschaft so umgingen.

Im US-Bundesstaat Texas hat sich die Pornoplattform Pornhub zurückgezogen, die Seite geht einfach nicht mehr. Aus Protest auf Konservative. Die wollten mit einem Verbot – sagen sie zumindest – Kinder schützen. Wieso schreiben es sich Rechte immer auf die Fahnen, alles für die Kinder zu tun?

Noch ein Hufeisen, so, wie sich rechte und linke Positionen teils bei Migration oder der Sehnsucht nach Autorität überlappen. Auch die deutsche PorNo-Debatte fand ausgerechnet in der katholischen Kirche ihren Bündnispartner. Allen gemein ist, über anderer Leute Sexualität bestimmen zu wollen. Was, leider, im Detail etwa zum Kinderschutz nötig ist. Und im großen Ganzen selbst eine Wichsfantasie.

Und was machen die Borussen?

Bis auf zehn Minuten Füllkrug kein Dortmunder auf dem Platz beim Länderspiel. Wir dachten, dass es gut wäre; höhere Form von Unfallflucht. Dann gewinnen die auf einmal.

Fragen: Livio Koppe, waam

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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