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Politik auf Social MediaWerdet endlich auf Tiktok aktiv!

Die AfD ist die größte Partei auf TikTok. Sie hat Einfluss auf die Jungen. Ein Appell an alle, die die Demokratie lieben.

Zeit, TikTok zu bespielen Foto: Ahmed Gomaa/imago

D ie AfD ist auf Tiktok. Und zwar so richtig. Keine andere Partei in Deutschland hat dort auch nur ansatzweise den Erfolg, den rechtsextreme Influencer dort verbuchen. Gefischt wird vor allem nach der jungen Zielgruppe, und die begegnet auf Social Media auch kaum anderen Meinungen. Das ist brandgefährlich.

Ver­tre­te­r*in­nen demokratischer Parteien haben es sich viel zu lange bequem gemacht. Tiktok gilt als Trend, als Pillepalle-Plattform für Tanzvideos, als unterkomplex und unseriös. All das ist aber im Grunde wurscht. Denn jetzt gerade, ein halbes Jahr vor den Landtagswahlen im Osten, ist Tiktok nun mal der Kanal, der die meisten jungen Menschen erreicht.

Was sie da zu sehen bekommen, entscheidet darüber, was sie als ernstgemeintes politisches Angebot wahrnehmen. Deshalb: Wer Tiktok ignoriert, nimmt in Kauf, dass De­ma­gogen und Rechtsextreme von jungen Menschen als die einzige politische Kraft wahrgenommen werden, die sich für sie interessiert – und dass ihre Inhalte normalisiert werden.

Wir brauchen ernsthafte Politikangebote auf Tiktok. Ja, Fake News sind ein Problem, Hass und Hetze auch. Ja, es braucht Strategien, um all das zu bekämpfen. Aber gesetzliche Regulatorik ist das eine – Reichweite etwas ganz anderes. Wer der Dominanz menschenfeindlicher Inhalte etwas entgegensetzen will, muss eigene Inhalte erarbeiten und sie an die Zielgruppe bringen. Eitelkeiten und Berührungsängste können wir uns nicht mehr leisten.

Es stimmt: Inhalte sind auf Tiktok anders aufbereitet als in den „Tages­themen“. Ja, da geht manchmal Komplexität verloren. Aber: Es gibt längst vertikale Videoformate mit Millionen-Reichweite, die anspruchsvolle Themen aus Wissenschaft und Politik besprechen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Ja, der Algorithmus und die Aufmerksamkeitsspanne in den Feeds der Plattformen haben eine starke Auswirkung auf die Dramaturgie von Videoinhalten. Es sind die ersten Sekunden, in denen der Creator die Zuschauenden mitnehmen muss – mit Emotionen oder interessanten Fakten. Aber das heißt nicht, dass politische Themen sich nicht aufbereiten lassen. Im Gegenteil: Politik liefert die Emotionen, auf die der Tiktok-Algorithmus so sehnlichst wartet. Die AfD schafft das ja schließlich auch.

Liebe demokratische Politi­ker*innen: Social Media ist Arbeit. Macht euch dran – oder bezahlt jemanden dafür. Nehmt die Kommunikation euer Parteien und Fraktionen auf Tiktok genauso ernst wie die Pressearbeit auf den traditionellen Kanälen und sorgt dafür, dass ihr in Sachen Reichweite hinterherkommt.

Dies ist ein Appell an alle, die die Demokratie lieben: Ihr seid gefragt! Die AfD fürchtet nichts mehr als die Präsenz junger und alter Menschen auf Tiktok und Instagram, die sich klar und emotional für demokratische Werte aussprechen. Eine Bewegung, der ihr euch anschließen könnt, gibt es schon: Unter #ReclaimTikTok produzieren seit Anfang März diverse Content-Creator*innen regelmäßig Videos auf der Plattform. Die meisten von ihnen sind Neulinge auf Social Media, trotzdem kommen sie auf zehn Millionen Impressionen insgesamt in kürzester Zeit und einige viral gegangene Videos.

Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung, und andere rechtsextreme Influencer macht das offenbar nervös: in entsprechenden Telegram-Channels reagierten sie auf die Kampagne mit wütenden Emojis. Nicht nur Rechte und Demokratiefeinde können Tiktok – sondern auch Progressive und Linke. Dafür müssen wir aber alle aus unserer Komfortzone. Zeit, damit anzufangen. Klick.

Links lesen, Rechts bekämpfen

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5 Kommentare

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  • Moin



    Ich stelle mir gerade vor dass wir uns im Jahr 1997 befinden und der Tamagotchi auf dem Markt kommt.



    Die Politiker kommen ins schwitzen den alle sind nun auf dem Tamagotchi Tripp. Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene spielen mit dem Ding rum.



    Und was macht Helmut Kohl?



    Er bringt den Tamagotchi in den Bundestag in die Demokratie zu retten?

    Leute, TikTok ist nichts anderes als ein Spielzeug, hat nichts mit dem eigentlichen Leben zu tun.

    Ich bin weg, muss meinen Tamagotchi noch stubenrein gekommen.

    Gruß Roberto

  • Da habe ich mich bei TikTok vor wenigen Tagen angemeldet und mir so einige Einwürfe der AfD angeschaut, wenn Jugendliche das gut finden, dann nur weil deren AfD wählenden Eltern noch Einfluß auf diese Jungendliche haben, dieser AfD-Müll ist übelste Rhetorik.



    Ich habe, ohne irgendetwas zu posten, bereits über 20 Follower, fast alles „junge Mädchen“ oder Fake Accounts.



    Ich melde mich aus diesem Schwachsinn wieder ab.

    • @Tino Winkler:

      Geht mir ähnlich. Ich vergeude seit vielen Jahren meine Energie mit Gegenrede in Facebook und YouTube. Twitter habe ich bereits aufgegeben. Ich kann und will nicht mehr, es macht mich krank.



      Und man ist zudem ziemlich alleine unter Rechtsextremen und deren Botnetzwerken (vor allem bei Twitter und TikTok).



      TikTok dürfte gerne ganz verboten werden. Tanzvideos kann man auch bei YouTube oder Instagram ansehen.

      • @Thorsten Vetter:

        Andere sind bereits weiter vorgeprescht:



        /



        praxistipps.chip.d...cht-erlaubt_174737



        /



        "In Indien können die Einwohnerinnen und Einwohner schon seit 2020 nicht mehr auf die App zugreifen. Das Land sieht eine Gefahr für die Sicherheit und Souveränität des Staates. Dafür gibt es aber erfolgreiche Alternativen wie "Moj" und "Josh". Dies sind Videoplattformen, die in Indien entwickelt wurden."

  • Absolut richtig und wichtig.