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Biden gegen Trump im US-WahlkampfEin schrecklich offenes Rennen

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Im Präsidentschaftswahlkampf müssen Trump und Biden Präsenz zeigen, in den Bundesstaaten und im Netz. Dem Amtsinhaber könnte das zum Verhängnis werden.

Us-Präsident Joe Biden vor seiner Rede am 7. März in Washington Foto: Shawn Thew/epa

S eit dieser Woche ist es offiziell: Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2024 stehen sich erneut Joe Biden und Donald Trump gegenüber. Allerdings haben sie die Rollen gleich doppelt getauscht: 2020 war Trump Amtsinhaber und Biden Herausforderer, damals hatte Trump schlechte Umfragewerte, die hat heute Biden.

Mit dem Rückzug von Trumps letzter verbliebener Konkurrentin Nikki Haley nach den 15 Vorwahlen des Super Tuesday und Bidens Rede zur Lage der Nation in der Nacht zum Freitag ist der Wahlkampf offiziell eröffnet. Acht grausame Monate stehen bevor, bis am 5. November endlich gewählt wird.

Gewinnen wird, wer es am besten schafft, jene erneut zur Wahl zu mobilisieren, die schon 2020 das Kreuz beim eigenen Namen gemacht haben. Und bislang sieht es nicht nur in den Umfrageergebnissen so aus, als werde Trump das besser hinbekommen, auch gefühlt ist der Enthusiasmus für den eigenen Kandidaten im Trump-Lager größer als bei Biden.

Mit seiner Rede zur Lage der Nation ist Joe Biden in zweierlei Hinsicht endlich ein bisschen in die Offensive gekommen: Nicht nur, dass sein vitales, klares und sogar schlagfertiges Auftreten ohne größere Fehltritte ein millionenfach übertragenes Gegen­bild zum verschlufften und verwirrten Greis bot, das nach letzten Umfragen fast drei Viertel der US-Amerikaner*innen daran hat zweifeln lassen, dass er noch zu einer zweiten Amtszeit in der Lage ist.

Videostudio im Keller

Nein, Biden hat auch starke inhaltliche Punkte gesetzt, um noch einmal ganz klarzumachen, worin seine positive Vision besteht und er sich von Trump unterscheidet. Recht auf Abtreibung, Waffenrechtsreform, mehr Besteuerung der Reichen, Bürgerrechte, Unterstützung der Ukraine, Härte gegen Putin, Bündnistreue zu den Alliierten, Anerkennung der Demokratie und der Verfassung, um nur einige zu nennen. Spontanumfragen nach der Rede deuten an, dass das insgesamt ganz gut ankam. Es war der Push, den die De­mo­kra­t*in­nen nach deprimierenden Monaten gebraucht haben.

Aber natürlich reicht das hinten und vorne nicht aus. 2020 hat Biden seinen Wahlkampf – es war Pandemiezeit – zum allergrößten Teil aus einem zum Videostudio umgebauten Keller in seinem Haus in Delaware bestritten. Das geht 2024 nicht mehr, er muss raus in die wichtigen Bundesstaaten. Und die Gefahr, im Gespräch mit Wäh­le­r*in­nen, bei Gehwegnachfragen der Presse oder bei Townhall-Formaten Aussetzer zu produzieren, ist groß für den 81-Jährigen.

Die aber schaden im Zeitalter der Tiktok-Clips noch mehr als früher. „Message Control“, einst ein Muss für jede erfolgreiche Wahlkampagne, geht heute nicht mehr. Ob Biden dieser Ära gewachsen ist, darf leider bezweifelt werden.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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7 Kommentare

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  • Neuauflage des Methusalem-Matches?

    Im globalpolitischen Roulette hat die EU ohne Plan B alles auf eine Karte gesetzt, den amtierenden US-Präsident Joe Biden als den „Leader of the free world“.

    Nun sieht es ganz danach aus, daß sich dies als gigantische Fehlkalkulation erweisen könnte. In der absehbaren Neuauflage des Methusalem-Matches Trump vrs. Biden ist im Unterschied zur Erstauflage diesmal Trump in der Pool Position. Dies liegt weniger an dessem unwiderstehlichen intellektuellen und jugendlichen Charme als an der gefährlichen Schlagseite der Nahost-Politik seines Widersachers und dessen unverbrüchlichen Freundschaft mit dem rechtsextremistischen Netanjahu-Regime, dessen genozidale Tabula-Rasa-Strategie gegenüber dem Gaza-Reservat achselzuckend in Kauf nehmend.

    Die paar Carepakete an die hungernden Bewohner des Gaza-Gatters, die die Biden Administration sich nunmehr bequemte zu schicken, können den desaströsen Effekt unter großen Teilen der traditionell den Dems zuneigenden Blacks und Latinos nicht wettmachen. Die werden zwar nicht für Trump stimmen, der auf diesem Politikfeld noch schlimmer als Biden ist, könnten aber immerhin die Wahl boykottieren, was sich als wahlentscheidend erweisen könnte.

    Die Dems können das Ruder nur noch mit einer 180-Grad-Wende in der Nahostpolitik rumreißen und mittels Waffenembargo dem Netanjahu-Regime gehörig die Leviten lesen, dessen Strategie, mit einer gigantischen alttestamentarischen Vendetta ein ganzes Volk, dessen drei Viertel jünger als 25 Jahre sind, kollektiv für das antiisraelische Pogrom vom 7. Oktober zu bestrafen, nach fünfmonatigem totalen Krieg der verbrannten Erde schon jetzt als gescheitert angesehen werden muß.

    Wohl nur so kann ein Kantersieg des Kotzbrockens Trump mit all seinen globalpolitischen Imponderabilitäten abgewendet werden.

  • Seien wir ehrlich. Bei Wahlen gewinnt oft der, der sich am besten präsentiert. Das ist eigentlich wie in der Werbung. Sollte nicbt so sein, scheint bei vielen aber zu wirken. Objektive Argumente werden dummerweise nur von einer Minderheit aufgenommen.

    • @Bunte Kuh:

      Falls meine Einschätzung der Mehrheit in USA nicht auf Vorurteilen beruht, präsentiert Trump sich für die optimal. Und über einige Erfahrungen verfüge ich auch.

  • Demokratie? Es ist eine Sache davon zu reden, eine andere sie auch zu leben. Politische Entscheidungen gegen 3/4 der eigenen Wähler in Gaza zu treffen- egal. 2 Waffenlieferungen am Kongress vorbei über emergency authority tätigen und laut neuer Washington Post Recherche über 100 Waffenlieferungen ohne jegliche öffentliche Debatte tätigen- kein Ding, auch wenn man damit gegen die eigenen Waffenlieferungsgesetze verstößt. Gegen 3 UN- Resolutionen, wofür die überwältigende Mehrheit der Staatengemeinschaft gestimmt hat, ein Veto einzulegen um eigene Interessen durchzusetzen- auch nicht sonderlich demokratisch. Umfrage im Januar fast 50% der Demokraten glauben das in Gaza ein Völkermord stattfindet. Das mag man selber verneinen, aber je länger der Krieg dauert, je weniger Erfolge er diesbezüglich vorweisen kann und sich laut vielen Amerikanern auch auf der Nase rumtanzen lässt, desto mehr werden entweder Trump wählen, eine dritte Partei wählen oder was wahrscheinlicher ist, ganz zu Hause bleiben. Und eine geringe Wahlbeteiligung hat den Demokraten noch nie geholfen. Und es bringt auch jetzt nichts, wenn er von einem Hafen für Gaza redet, der sicherlich mit Milliarden an amerikanischen Steuergeldern finanziert wird, weil man nicht dazu in der Lage ist, Israel zur Einhaltung internationaler Gesetze zu bewegen (Genfer Konventionen/ IGH Urteil vom Januar). Viele Amerikaner sind es eh schon leid für ständige Kriege zu bezahlen, das war ja auch ein Punkt den durchaus auch Leute aus der liberalen Mitte nicht so schlecht fanden an Trump. Mag einem auch nicht gefallen, aber wenn man sich die Probleme in den USA anschaut, Opiumkrise, Obdachlosen- und Flüchtlingskrise, viele keine Krankenversicherung, Mieten werden immer unerschwinglicher, Teile der Infrastruktur seit den 60ern nicht erneuert? Waffenrechtsreform- maximal möglich mit Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus. Recht auf Abtreibung müssen jetzt die Bundesstaaten wieder einführen, vom Supreme Court nicht zu erwarten.

  • Tröstlich zu wissen, dass sich Trump jederzeit gerne zu unüberlegten spontanen Äußerungen provozieren lässt. Das sollten die demokratischen Unterstützer überall im Land als sportliche Herausforderung sehen.

  • "Die aber schaden im Zeitalter der Tiktok-Clips noch mehr als früher. „Message Control“, einst ein Muss für jede erfolgreiche Wahlkampagne, geht heute nicht mehr. Ob Biden dieser Ära gewachsen ist, darf leider bezweifelt werden."

    Das darf bei Trump aber auch bezweifelt werden. Einige seiner Reden sind so wirr, dass man schon ein waschechter Faschist sein muss, um zu Trump zu stehen. Ich würde Umfragen acht Monate vor einer Wahl nicht zu viel Bedeutung beimessen.



    Trump ist äußerst angreifbar. Nicht nur war seine eigene Amtszeit eine Katastrophe, sondern auch schädlich für das Land. Hinzu kommen seine aktuellen gerichtlichen Verfahren und seine offen-faschistische Rhetorik. Das mag bei einer lautstarken Minderheit von radikalen White-Supremacists, Verschwörungstheoretikern und einigen verwirrten Fox-Zuschauern gut ankommen, aber ob es reicht die breite, liberale Mitte des Landes an der Urne zu überzeugen bleibt abzuwarten.

    Als gefährlicher sehe ich die Möglichkeit eines gewaltsamen Putsches nach einer verlorenen Wahl.

    • @Shasu:

      Trump holte 2020 das beste Wahlergebnis bei Minderheiten in der Geschichte der Republikanischen Partei. Es war deutlich besser als bei seiner Wahl 2016. Die einzige Bevölkerungsgruppe, bei der er 2020 gegenüber 2016 verloren hatte, waren weiße Männer.

      Die Arbeitslosenquote von Schwarzen war unter Trump die niedrigste seit dem 2. Weltkrieg. Die soziale Ungleichheit im Land verringerte sich spürbar. Das Haushaltseinkommen der Unter- und Mittelschicht, machte unter Trump einen derartigen Sprung nach oben, dass selbst der trump-hassende deutsche SPIEGEL zugeben musste, dass zumindest ökonomisch vielleicht doch nicht alles so furchtbar war, wie man es gerne gehabt hätte.

      www.spiegel.de/wir...-af0f-f1a001636969