Bibliothek des Konservatismus: Neue Rechte ganz ungestört
Während eines Vortrags von Ulrich Vosgerau in Charlottenburg sind zwar viele Polizist*innen, aber kaum Gegendemonstrant*innen vor Ort.
Berlin taz | Viel dringt von dem Vortrag nicht nach draußen, einzig die Glasfenster, durch die man einen Blick in den hell erleuchteten Lesesaal der Bibliothek des Konservatismus (BdK) erhaschen kann, bieten einen Einblick in das Geschehen: Die ersten Personen lassen sich auf den Stühlen vor den ordentlich sortierten Bücherregalen nieder. Auf den ersten Blick sieht alles nach einer ganz normalen Lesung aus, wären da nicht die vielen Polizisten, die sich vor dem Eingang und auf der anderen Straßenseite der Bibliothek positioniert haben. Passant*innen schauen verwirrt auf das Polizeiaufgebot und fragen sich, was hier eigentlich stattfindet.
Grund für die Polizeipräsenz an diesem am Mittwochabend in Charlottenburg ist der Auftritt von Ulrich Vosgerau. Der erlangte unrühmliche Bekanntheit durch die Correctiv-Enthüllungen des Geheim-Treffens von Rechtsextremen in Potsdam – unter ihnen auch Vosgerau. Eine Demonstration gegen seinen Vortrag wurde zwar nicht angemeldet, Antifa-Gruppen hatten jedoch zum spontanen Protest aufgerufen. Nur ist von dem weit und breit nichts zu sehen.
Auch die Polizei hatte mehr erwartet: Sie seien hier, weil sie mit Gegendemonstrant*innen und einer spontanen Kundgebung rechneten, sagt einer der Polizisten zur taz. „Hier prallen Gegensätze aufeinander, es könnte schon hoch hergehen“, meint er. Doch Fehlanzeige: Die Zeit vergeht und von Demonstrant*innen keine Spur.
Von Protest fehlt jede Spur
Nach und nach finden sich ein paar Personen auf der anderen Straßenseite ein. Das kleine Grüppchen – höchstens zehn Personen – tauscht sich über die Zuhörer*innen und den Vortrag von Vosgerau aus. Mittlerweile ist es kurz nach 19 Uhr, die Veranstaltung beginnt. Ob da noch wer kommt? „West-Berlin ist eigentlich eine recht bürgerliche Gegend, da sollten noch ein paar Menschen auftauchen“, sagt einer der Protestierenden der taz. Er hofft, dass noch mehr Menschen kommen. Doch als nach einer halben Stunde immer noch niemand auftaucht, geht auch er.
Andere verstehen nicht, warum die Bibliothek überhaupt jemanden wie Vosgerau einlädt. „Es ist eine Unverschämtheit, dass solche Leute eine Bühne bekommen“, sagt einer und findet, dass die Bibliothek boykottiert werden sollte. Genauer hat er sich mit dem Veranstaltungsort aber auch nicht auseinandergesetzt. Der Name passt ja erst mal gut zum heutigen Redner. Und schaut man sich deren Vortragsankündigungen an, lässt sich erkennen, dass Vosgerau sich gut in die Reihe der Redner*innen einfügt.
Stellt sich bloß noch die Frage: Warum protestiert hier kaum jemand? Ist die Berliner Linke etwa demomüde geworden? Kurz vor halb acht kommen zwei Frauen die Fasanenstraße herunterspaziert und schauen verunsichert auf die erleuchteten Fenster der Bibliothek und den nicht vorhandenen Gegenprotest. Kurz darauf gehen sie wieder. Die Einzigen, die hier draußen mit dem Abend zufrieden sein dürften, sind die versammelten Polizist*innen: Sie hatten einen friedlichen Abend – vielleicht zu friedlich.
Leser*innenkommentare
Jalella
Bei den Rechten gibt es immer eine große Polizeipräsenz - so oder so.
pablo
"AfD-Gast im Rathaus nennt Journalisten „infame Mistvögel“ – sein Publikum klatscht" " mopo.de
Das ist also die Merz'che Brandmauer.
pesetenpaule
@pablo Die Merz‘sche Brandmauer entspricht eher dem Format einer Fußmatte ;-)
Tino Winkler
@pablo Infam, eine absolut passende Bezeichnung für die AfD.