piwik no script img

Europäischer EmissionshandelAllianz fürs Klimageld

For­sche­r:in­nen fordern eine Anpassung der deutschen CO₂-Preise – und Maßnahmen zum sozialen Ausgleich. Sonst drohten hohe Kosten für Ärmere.

Auch der ADAC ist für ein Klimageld, um einkommenschwache Haushalte zu entlasten Foto: Jens Gyarmaty

Berlin taz | Im Kampf gegen den Treibhausgasausstoß will die EU den Emissionshandel ausweiten. Um Deutschland besser auf die Ausweitung vorzubereiten, fordern Wis­sen­schaft­le­r:in­nen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und des Öko-Instituts in einer neuen Studie höhere CO₂-Preise auf nationaler Ebene – und gezielte Klimaschutzmaßnahmen für untere Einkommensgruppen. Ein deutscher Mindestpreis für Kohlendioxid könne „eine Art Sicherheitsnetz bilden, das einen deutschen Mindestbeitrag zu den europäischen Klimazielen garantiert“, sagt Swantje Fiedler, Mitautorin der Studie und wissenschaftliche Leiterin im FÖS.

CO₂-Preise gibt es auf nationaler und europäischer Ebene. Die Idee: Unternehmen müssen zahlen, um CO₂ ausstoßen zu dürfen. Der europäische Emissionshandel umfasst bisher energieintensive Industriekonzerne, Kraftwerksbetreiber und den innereuropäischen Flugverkehr.

Weil damit fossiles Tanken oder Heizen nicht einbezogen ist, hat Deutschland für diese Bereiche selbst einen Preis eingeführt. 2027 will die EU ihren Emissionshandel aber entsprechend ausweiten, die Systeme werden also integriert. In Deutschland gilt für eine Tonne CO₂ bisher ein fester Preis – 45 Euro sind es für das Jahr 2024. Bis 2027 soll der Wert steigen. Danach soll sich der Preis auf dem Zertifikatemarkt bilden, also nicht mehr politisch festgelegt werden.

Ein Klimageld wird aber nicht ausreichen

Swantje Fiedler, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft

Um einkommensschwache Haushalte und Unternehmen im Falle solcher Preissteigerungen zu entlasten, müsse die Bundesregierung unter anderem das versprochene Klimageld einführen, sagt Studienautorin Fiedler. „Ein Klimageld wird aber nicht ausreichen“, so die Forscherin. Einkommensschwache Menschen könnten von sozial angepassten Leasingmöglichkeiten für E-Autos auf dem Land oder von einem Sozialticket für den Nahverkehr profitieren, ergänzt Maria Loheide, sozialpolitische Vorständin der Diakonie.

ADAC ist pro Klimageld

Unterstützung für die Forderung des Klimagelds erhalten die Verbände auch vom ADAC – einen schnelleren Anstieg des CO₂-Preises in Deutschland sieht der Automobilclub jedoch kritisch. „Eine schnellere Anhebung würde viele Haushalte in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten treffen“, sagt ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand.

Wie stark der CO₂-Preis steigen und wo ein nationaler Mindestpreis ab 2027 liegen müsste, lassen die Au­to­r:in­nen der Studie des FÖS und des Öko-Instituts offen. Swantje Fiedler aber verweist auf eine vorherige Untersuchung des Thinktanks Agora Energiewende, der einen Mindestpreis von 120 Euro pro Tonne CO₂ vorschlägt. Nur mit deutlichen Steigerungen würden wirklich Anreize zum CO₂-Sparen gesetzt und genug Geld eingenommen – dieses Geld wiederum werde für Rückinvestitionen in klimafreundliche Infrastruktur gebraucht, so die Forscher:innen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Kann wir jemand erklären, warum wir nicht eine CO2-Steuer wie in Canada einführen?

    Ich VERSTEHE ES NICHT.

    Das Kuddelmuddel aus deutscher, EU und Börsenpreisregelung ist ineffizient, undurchsichtig, ungerecht und verhindert Planungssicherheit und hat fast keine Lenkungswirkung.

    Kanada macht es seit 2020 vor:

    cleantechnica.com/...reat-climate-news/

    FESTLEGUNG der Preisanstiege auf 10 Jahre (bis 180$/t CO2). VOLLSTÄNDIGE RÜCKZAHLUNG ALLER Einnahmen:



    Provinz Alberta (AB) = 1.544 Can$/Jahr für eine 4-köpfige Familie (2023)! Auszahlung vierteljährlich.

    www.canada.ca/en/e...ing-in-canada.html

    So schafft man Akzeptanz UND Wirksamkeit. Politik der VERNUNFT.

    Wer investieren kann, spart CO2-Steuer, wer nicht hat keine Nachteile.

    • @So,so:

      Die kanadische Regelung ist zu einfach, und einfach macht es sich unsere Regierung nicht - alleine schon, weil die drei Regierungsparteien unterschiedliche Interessen und Klientel haben, die gehegt und versorgt werden sollen. Wer zu keiner dieser Klientel gehört, halt halt Pech.

    • @So,so:

      SO,SO



      Das ist doch ganz einfach zu erklären. Wir können so eine hohe CO2 Steuer nicht einführen, weil wir das Klimageld nicht im gleichen Maße ausschütten können.



      Tja und dann kommt wieder der "Sozialaspekt" ins Spiel, es sollen doch bitte nur diejenigen etwas zurückerhalten die wenig haben, sprich arm sind.



      Hier liegt der eigentliche Grund, zu sozial ist asozial.



      Wir haben in den letzten Jahren unsere privat und Firmenfahrzeuge alle auf E umgestellt und eine Wärmepumpe im Privathaus installieren lassen. Vermeiden möglichst jeglichen Flug und essen (fast) ausschließlich Fleisch aus eigener Jagd.



      Unser CO2 Fußabdruck ist deutlichst gesunken und nun erwarten wir ein Klimageld, auch wenn wir zur gehobenen Mittelschicht gehören.

  • Was nun? Das Klimageld wird nicht reichen für die soziale Abpufferung, aber die Einnahmen aus der CO2 Abgabe sollen genommen werden für die Infrastruktur?



    Und ist das D-Ticket nicht schon eine soziale Komponente für die Mobilität, oftmals auch schon auf 29 E reduziert? Irgendwie unklar, diese Allianz.

    Wichtiger ist, dass ab 2027 der Preis den Marktprozessen unterliegen soll. Das wird ein schönes Durcheinander, kein planbares Klimageld, plötzliche Kursschwankungen - und darauf läßt sich die Industrie ein?