piwik no script img

Regierender Bürgermeister bei der IHKDa macht einer auf Stadtpräsident

Kai Wegner gibt sich, nicht immer zur Freude aller in der CDU, gerne überparteilich. Das ist auch so, als er die Industrie- und Handelskammer besucht.

Der Regierungschef von der CDU herzt auch eine Grünen-Bundesministerin: Kai Wegner mit Lisa Paus beim Berlinale-Eröffnungsabend Foto: Gerald Matzka (dpa)

Ah. Endlich. Über eine halbe Stunde redet Kai Wegner schon, als von ihm an diesem Mittwochmorgen zum ersten Mal das Kürzel „CDU“ zu hören ist. Die Industrie- und Handelkammer (IHK) hat ihn zwar als Regierenden Bürgermeister und nicht als Berlins CDU-Landesvorsitzenden zu ihrem traditionellen wirtschaftspolitischen Frühstück eingeladen. Aber so gar keine PR für die eigene Partei zu machen? Stattdessen spricht Wegner mit Blick auf das schwarz-rote Regierungsbündnis viel von „wir“ und von „meinen Koalitionsfraktionen“. Frühere Redner haben an gleicher Stelle eher betont, was ihre Partei trotz ihrer Koalitionspartner erreicht hätte.

All das passiert nur drei Stunden bevor Wegners Finanzsenator im Parlament erklären soll, wie es mutmaßlich ohne milliardenschweres Klimasondervermögen finanziell in Berlin weitergehen soll. Es wäre ein fast ideales Timing, nun das von der SPD in den Koalitionsvertrag gedrückte und weithin allein bloß als kostspielig betrachtete 29-Euro-Ticket offen zu hinterfragen. Immerhin soll das pro Jahr gut 300 Millionen kosten – aus einem Haushalt, in dem künftig mehrere Milliarden einzusparen sind.

Doch so etwas kommt bei Wegner nicht. Sein Tenor: Das sei mit der SPD so verabredet, und seine Koalition streite sich nicht auf offener Bühne. Als Höchstmaß an Kritik erlaubt er sich, über das 29-Euro-Ticket zu sagen: In einem Ranking der wichtigsten Themen „wäre es nicht auf Platz 1 bei mir“.

Das kann alles durchaus überraschen, wenn man Wegner nur an diesem Morgen erlebt. Näher und über seine nun zehn Monate Amtszeit als Berlins Regierungschef aber betrachtet, belegt es einen Kurs, der sich gut mit dem Titel „Stadtpräsident“ beschreiben lässt. Wegner gibt sich in vielen Fragen unideologisch und überparteilich und nicht zuvorderst als Regierender CDUler, sucht selbst bei der erhitzten Diskussion um einen Zaun am Görlitzer Park die Nähe zur dortigen grünen Bezirksbürgermeisterin.

Premiere im Roten Rathaus

So etwas ließ sich schon zwei Wochen vor seinem Auftritt bei der IHK beobachten. Da verabredete Wegner bei einem Treffen im Roten Rathaus mit eigenen Koalitionären, aber vor allem mit den Fraktionsspitzen von Grünen und Linkspartei und Vertretern der Bezirke den weiteren Weg zur Verwaltungsreform. Das war eine Premiere: Ein solches vorbereitendes Treffen zu weiterer Gesetzgebung bis hin zur Verfassungsänderung hatte es in solcher Besetzung noch nie gegeben.

All das könnte natürlich auch Taktik sein, Wegners Masche, von seinem früheren Ruf als strammer Konservativer gänzlich loszukommen. Doch wenn dem so wäre, dann hätte etwa Linksfraktionschefin Anne Helm wohl kaum lobende Worte über das von Wegner geleitete Treffen im Roten Rathaus gefunden.

Bei der IHK lässt der Regierungschef erkennen, dass sein Kurs nicht allen in der CDU passt. „Es gibt auch Stimmen in meiner Partei, die sagen: „Wieso bindest du so früh die Opposition ein?“, erzählt Wegner. Die seit Jahrzehnten diskutierte, aber nie umgesetzte Verwaltungsreform, die er nun mithilfe der Opposition hinbekommen will, ist für ihn das wichtigste Thema der Stadt: Das müsse unbedingt bis Ende der Wahlperiode gelöst sein, sagt er.

Was heißt: Bis zur nächsten Wahl, die regulär schon im Herbst 2026 ansteht, weil mit der Wiederholungswahl 2023 keine neue fünfjährige Periode begann. Wobei Wegner sich danach weiter im Roten Rathaus sieht. „Ich habe keine Angst vor der kurzen Zeit“, sagt er seinen rund 400 Zuhörern bei der IHK. „Denn dann gibt es ja Verlängerung.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!