Krieg in Gaza: Gantz spürt Ende der Geduld

Der israelische Politiker Benny Gantz erntet in London und Washington harsche Kritik an Israels Vorgehen in Gaza. Dort weitet sich der Hunger aus.

London am Mittwoch: Benny Gantz (r.), Mitglied des israelischen Kriegskabinetts, mit dem britischen Außenminister David Cameron

BERLIN taz | Der britische Außenminister David Cameron hatte eine klare Botschaft für den israelischen Politiker Benny Gantz, der am Mittwoch auf dem Rückweg von Washington in London Station machte. Das Vereinigte Königreich unterstütze das Recht Israels auf Selbstverteidigung. „Doch als Besatzungsmacht in Gaza trägt Israel die rechtliche Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Hilfe für Zivilisten verfügbar ist. Diese Verantwortung hat Konsequenzen, etwa wenn wir als Vereinigtes Königreich prüfen, ob Israel internationales humanitäres Recht einhält“, ergänzte der britische Chefdiplomat und frühere Premierminister.

Gantz war am Montag nach Washington aufgebrochen, wo er unter anderem Vizepräsidentin Kamala Harris und Außenminister Antony Blinken traf, die ebenfalls darauf gedrängt hatten, die dringend notwendige Hilfe zuzulassen. Bemerkenswerterweise nahm nicht Ministerpräsident Benjamin Netanjahu diese Botschaften entgegen, sondern eben Gantz. Der war zwar einige Tage nach dem 7. Oktober dem Kriegskabinett beigetreten, gilt aber weiterhin als politischer Rivale des Ministerpräsidenten.

Gantz’ Reise ist ein Zeichen für die zunehmende innenpolitische Spaltung: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte dessen Reise nicht nur nicht abgesegnet, sondern Medienberichten zufolge die israelischen Botschaften in Washington und London sogar angewiesen, Gantz in keiner Weise bei seiner Reise zu assistieren.

Vor allem aber werden an Gantz’ USA-Großbritannien-Reise die Zerrüttungen zwischen Israel und seinen Verbündeten deutlich: Washington setzt angesichts des Ärgers der Biden-Administration über Netanjahu und sein extrem rechtes Regierungsbündnis auf andere Gesprächspartner. Washington ist erzürnt über dessen Weigerung, ausreichend Hilfslieferungen nach Gaza zuzulassen und eine akzeptable Vision für ein Nachkriegsgaza zu entwickeln.

Abwürfe aus der Luft sind das letzte Mittel

Wie dringend Hilfslieferungen nach Gaza benötigt werden, wurde erneut am frühen Mittwochmorgen deutlich: Ein Nahrungsmittelkonvoi des World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen mit 14 Lastwagen wurde von den israelischen Streitkräften nach einer dreistündigen Wartezeit an einem Kontrollpunkt in Gaza zurückgewiesen. Die Lastwagen seien umgeleitet worden und kurz darauf, so das WFP, von einer großen Menge „verzweifelter Menschen“ gestoppt worden. Die hungernden Menschen hätten demnach 200 Tonnen Lebensmittel geplündert.

In der vergangenen Woche haben auch die USA damit begonnen, Hilfslieferungen auf dem Luftweg in den nördlichen Gazastreifen zu bringen. Abwürfe aus der Luft seien allerdings das „letzte Mittel“, so der stellvertretende Exekutivdirektor von WFP, Carl Skau. Mit einem Luftabwurf können rund 6 Tonnen Hilfsgüter ausgeliefert werden – mit einem Hilfskonvoi sind es rund 200. Um große Mengen an Nahrungsmitteln zu transportieren und eine Hungersnot im nördlichen Gazastreifen abzuwenden, ist der Transport über Straßen die einzige Möglichkeit, so das Hilfswerk.

Laut WFP hat der Hunger im Gazastreifen katastrophale Ausmaße angenommen. Schon vor Weihnachten hieß es in einer Analyse der Vereinten Nationen und von NGOs, dass jeder vierte Haushalt in Gaza mit extremem Hunger konfrontiert ist, 577.000 Menschen – vier Mal so viele wie im Rest der Welt zusammen.

Aktuellere Zahlen gibt es derzeit dazu nicht, doch die Situation hat sich seitdem massiv verschlechtert. Kinder sterben an hungerbedingten Krankheiten und leiden an schwerer Unterernährung. Internationale Medien berichten von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen im Gazastreifen, die auf Nahrung für Tiere zurückgreifen.

Israelischen Medienberichten zufolge will Israel nun humanitäre Hilfe auf dem Seeweg in den Gazastreifen liefern lassen. Finanziert werde diese von den Vereinigten Arabischen Emiraten, von wo aus sie über Zypern zum Gazastreifen gelangen soll. Berichten zufolge könnte die erste Lieferung in einer Woche eintreffen.

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