Religion und Politik in Indien: Modi eröffnet Wahlkampf mit Tempel

Am Montag wurde der Ram-Tempel eingeweiht. Das Ereignis gilt in Indien als Schlüssel für den Wahlkampf der Regierungspartei von Narendra Modi.

Menschen stehen vor einem großen hinduistischen Tempel

Auch zahlreiche Bollywood-Schauspieler sind zur Einweihung des Ram-Tempels nach Ayodhya gekommen Foto: Rajesh Kumar Singh/ap/dpa

MUMBAI taz | Pünktlich zur Einweihung sind die Baugerüste verschwunden, obwohl der Gebäudekomplex längst noch nicht fertiggestellt ist. Blumengirlanden schmücken den Ram-Tempel in der nordindischen Pilgerstadt Ayodhya. Tausende gläubige Hindus haben sich davor versammelt. Im Inneren betet Indiens Premier Narendra Modi vor laufenden TV-Kameras.

Der Premier weihte am Montag mit Priestern die Gebetsstätte ein, die dem beliebten Hindu-Gott Ram gewidmet ist. „Dies ist der Beginn einer neuen Ära“, beschwor Modi. Ram sei ein Vorbild und der Tempel ein Instrument „zur Einigung des Landes“. Nicht nur in Ayodhya waren viele Hindus in Feierlaune. Weltweit fanden zahlreiche Umzüge statt, die Ram huldigten. Zur Vorbereitung hatte Modi mit Kokoswasser gefastet und eine Briefmarke zum Anlass präsentiert. Für seine hindunationalistische Regierungspartei BJP hat mit dieser Show der Wahlkampf für die Parlamentswahlen im Frühjahr begonnen.

Der Hardliner Modi ist seit 2014 Regierungschef. In seiner Amtszeit schrumpften zivilgesellschaftliche Freiheiten und die Meinungsfreiheit. Doch dürfte er sich erneut an der Spitze behaupten, da viele keine Alternative zu ihm sehen. Derzeit eröffnet der 73-Jährige ein Großprojekt nach dem anderen. Der hochemotionale Ram-Tempel gehört als Teil des BJP-Manifests dazu. Die Eröffnung des Tempels, eines früheren Versprechens der BJP, soll Modis Chancen auf eine dritte Amtszeit erhöhen.

Geladen waren auch der Ministerpräsident des Bundesstaates Uttar Pradesh sowie der Chef der hinduistischen Kaderorganisation RSS, dem ideologischen Rückgrat der BJP. Gekommen waren auch Filmstars, Cricketgrößen und Geschäftsleute wie Konzernchef Mukesh Ambani.

Auch um den Tempel in Ayodhya wird stark investiert

Der Prachtbau soll Hindus aus ganz Indien begeistern: So stammt der Granit aus südlichen Bundesstaaten, der rote Sandstein aus dem westlich gelegenen Rajasthan. Schon zuvor wurde in Ayodhya ein Flughafen eröffnet. Die Regierung hat hier Projekte für umge­rechnet 3,3 Milliarden Euro initiiert.

Davon erhoffen sich viele einen Aufschwung. Kleinhändler profitieren durch mehr Kunden. Mit dem Boom könnten Menschen zurückkehren, die abge­wandert sind. Optimisten erwarten 4,5 Millionen Touristen pro Monat. Für sie gibt es neue Hotels.

Shubham Vaishy aus Ayodhya freut sich. Das Wichtigste sei für ihn der Tempel, mit dem sich ein Traum erfülle, sagt der 26-Jährige. „Wir haben 500 Jahre auf diesen Tag gewartet.“ Das ist oft zu hören. Denn auf demselben Grundstück wurde im 16. Jahrhundert eine Moschee errichtet.

Viele Hindus glauben, dass genau dort Lord Ram geboren wurde, weshalb der Kriegerkönig in Ayodhya oft als Kind ­dargestellt wird. Nach langem Streit zerstörten Hindu-Extremisten 1992 die Babri-Moschee. Unruhen mit 2.000 Toten folgten.

Hindu-Geistliche wollen unfertigen Tempel nicht einweihen

Drei Jahrzehnte später wurde unter Modi das Gelände einer Stiftung zum Bau eines Tempels übergeben. Im Januar 2020 legte Modi den Grundstein. Das galt als Teilsieg, denn der „Ram Mandir“ ist ein Schlüsselelement im Narrativ der BJP. Der Tempel sowie die Beendigung des Sonderstatus des muslimisch geprägten Bundesstaates Kaschmir im Jahr 2019 gehörten zu ihren Kernversprechen.

Unter Muslimen wird die Entscheidung des obersten Gerichts weitgehend akzeptiert, dass sie ihre Moschee an einem anderen Ort wiederaufbauen müssen, bestätigt der lokale Muslimführer Mohammad Azam Qadri. Dies sei in der Hoffnung geschehen, die Spannungen im Land abzubauen, man wolle den Konflikt ruhen lassen. Doch das sei nicht geschehen. Über den Tempelbau äußert er sich dennoch positiv. Doch verzögert sich der Bau der Moschee.

Überraschungen gab es bei der Tempelweihe dennoch: Wichtige Vertreter des Hinduismus hatten im Vorfeld ihr Kommen abgesagt. Nischalananda Saraswati, 80, sagte, die Zeremonie sei zur politischen Show geworden. Da der Tempel noch nicht fertig sei, verstoße seine Einweihung gegen die Regeln der Schriften. Auch Teile der Opposition boykottierten. Die Einweihung sei „eine Modi-Veranstaltung“, kritisierte Kongressführer Rahul Gandhi. Modi stilisiere sich einmal mehr zu einer Ikone des „Hindutva“, des politischen Hinduismus.

„Die BJP hat den Ram-Tempel nicht gepachtet, er gehört der ganzen Nation“, sagte Gandhis Parteikollege Kamal Nath, Ex-Ministerpräsident von ­Madhya Pradesh. Manche sehen im Bau des Ram-Tempels das Ende des indischen Säkularismus, da sich Politik und Religion immer mehr vermischten. Muslime fürchten, dass weitere Moscheen weichen müssen, unter denen Tempel vermutet werden.

„Diese Einweihung ist Modis Instrument, um seinen Einfluss auf die Hindu-Wählerschaft zu festigen. Und man darf auch nicht vergessen, dass er den Bau des Tempels zuvor mit der indischen Freiheitsbewegung verglichen hatte. Als eine Art zu sagen, Muslimen eine funktionierende Moschee wegzunehmen, sei dasselbe, wie der Sieg über eine ausländische Kolonialregierung“, sagt der muslimische Politiker Asaduddin Owaisi.

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