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Düsseldorfs Ex-OB geht zu WagenknechtSPD-Politiker auf Abwegen

Der ehemalige Oberbürgermeister Thomas Geisel will für Wagenknechts neue Partei ins Europaparlament. Er hat seinen Austritt bei der SPD beantragt.

Thomas Geisel, Ex-Oberbürgermeister von Düsseldorf, bei einer 1. Mai-Demonstration 2023 Foto: Michael Gstettenbauer/imago

Berlin taz | „Überrascht und enttäuscht.“ So äußerte sich die Düsseldorfer SPD zum Wechsel des ehemaligen Oberbürgermeisters Thomas Geisel zum Bündnis Sahra Wagenknecht. „Mit der Entscheidung, für das Bündnis für die Europawahl zu kandidieren, hat er sich selbst ins politische Abseits gestellt“, sagte Zanda Martens, SPD-Vorsitzende in Düsseldorf und Bundestagsabgeordnete, der taz.

Sahra Wagenknecht hat am Montag die Gründung ihrer Partei aus dem „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ verkündet. Sie stellte zudem die Spitzenkandidaten für die Europawahl vor. Mit dabei war auch der SPD-Politiker Thomas Geisel.

In einer E-Mail an Freun­d*in­nen und Par­tei­kol­le­g*in­nen erklärte Geisel bereits am Donnerstag sein Vorhaben, gemeinsam mit dem ehemaligen Linkenpolitiker Fabio de Masi, die Liste des Bündnisses Sahra Wagenknecht für die Europawahlen im Juni anzuführen.

In dem Schreiben, das der taz vorliegt, warf er seiner eigenen Partei unter anderem vor, sie betreibe in der Migrations- und Asylpolitik „seit bald 30 Jahren eine ideologisch getriebene Politik der Realitätsverweigerung“. Auch setze sie „Identitätspolitik an die Stelle einer Politik der Chancengerechtigkeit“.

Bis vor Kurzem trat der 60-Jährige noch als stolzer Sozialdemokrat auf und ließ sich im vergangenen Monat für 40 Jahre SPD-Parteibuch feiern. Nun schreibt er: „Meine Entscheidung ist gefallen und ich würde mich freuen, wenn mir viele von Euch dabei folgen würden.“

Nachahmer nicht erwartet

Am Sonntag beantragte Geisel seinen Austritt bei der SPD per E-Mail. Ein Sprecher des zuständigen NRW-Landesverbands bestätigte dies der Deutschen Presse-Agentur.

Man sei traurig über „den Abgang eines Genossen und guten Oberbürgermeisters“, sagte Martens. Man glaube jedoch nicht an weitere Nachahmer. Dass sich Geisel neuerdings mit den Parolen Wagenknechts identifiziere und sich von sozialdemokratischen Werten löse, sei bedrückend, so Martens. Seine Chancen auf einen Sitz im Europaparlament stünden wohl nicht schlecht: Ohne Fünfprozenthürde sei ein Einzug deutlich leichter als im Bundestag. „Vielleicht kann auch das ein Grund sein, warum er dieses Mandat nun anstrebt.“

Immer wieder war Geisel in den vergangenen zwei Jahren mit seiner Position zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine aufgefallen. Geisel hinterfragte die Wirksamkeit von Waffenlieferungen und sprach sich gegen Sanktionen gegen Russland aus. Seine „brandgefährliche Rhetorik“ relativiere Kriegsverbrechen in der Ukraine, kritisierte Martens.

Rennen um SPD-Kandidatur

Im Jahr 2014 hatte sich Geisel überraschend bei der Düsseldorfer Kommunalwahl gegen den amtierenden CDU-Politiker Dirk Elbers durchgesetzt. Er führte die Stadt Düsseldorf, wie oftmals kritisiert wurde, im Alleingang. 2020 verlor er die Wiederwahl zum Oberbürgermeister gegen den CDU-Politiker Stephan Keller.

Eigentlich hatte der SPD-Politiker für 2025 einen neuen Anlauf für die Kommunalwahl geplant. „Bis gestern war er auf eigenen Wunsch im Rennen als SPD-Kandidat für das OB-Mandat. Damit ist es jetzt selbstverständlich vorbei“, sagte Martens. Wie hoch seine Chancen gewesen wären, ließ sie offen. Seine Kandidatur sei wie jede andere demokratisch besprochen worden.

Dieser Artikel wurde am Montag, 8. Januar, um 14:30 Uhr aktualisiert.

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16 Kommentare

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  • Thomas Geisel will weiter Sozialdemokrat bleiben. Deshalb ist er aus der SPD ausgetreten und schloss sich folgerichtig dem BSW an.

  • Herrn Fabio de Masi habe ich für klüger gehalten.

  • Vllt sollte Herr Martens nächstes Mal die sozialdemokratischen Werten aufzählen auf die er sich bezieht. Die SPD war bis auf ein paar Jahre in den letzten 25 Jahren ständig an der Regierung beteiligt. Die ehemals sozialdemokratischen Werte findet man nur noch als Spurenelementen wieder.

    Zumindest scheint die SPD mit ihren sozialdemokratischen Werten immer weniger Bürger zu finden, welche an die Partei glauben und diese wählen.

    Ansonsten mal abwarten, wie sich BSW entwickelt. Selbst wenn der einzige Erfolg ist, dass sie viele Stimmen von der AFD-Wählern bekommt, wäre das ein größerer Erfolg als die Parteien momentan im Bundestag vorzuweisen hätten.

  • Er war schon als OB von Düsseldorf unfähig - kein Verlust für irgendjemanden.

  • "Auch setze sie „Identitätspolitik an die Stelle einer Politik der Chancengerechtigkeit“."

    --> Durchaus eine scharfe Analyse des SPD-Trends. Abkehr von der Politik zugunsten der breiten Masse der Arbeiter und Arbeitnehmer hin zu einer Politik nach den Vorstellungen großstädtischer Milieus von intersektional-denkenden Politik- und Sozialwissenschaftlern.

    Kann man machen, vernachlässigt dann aber die "Stammwählerschaft". Dabei ist der Einbruch dieser Stammwählerschaft - im Osten als Vorbote - durchaus spürbar. Bei aller Vorsicht vor Civey-Internet-Befragen: Eine Regierungspartei, noch dazu die Kanzlerpartei, unter der 5 % Prozenthürde bei einer Umfrage zu einer Landtagswahl spricht schon eine deutliche Sprache.

  • Interessant, und deutet möglicherweise darauf woher das Bündnis SW viele seiner Wähler bekommen wird. Die SPD sollte mal in sich gehen und versuchen eine objektive Analyse der politischen Situation und der erforderlichen Ausrichtung zu machen. Aber, mit Ideologen wie Kühnert und Eskens, die wollen dass sich die Wirklichkeit nach ihnen richtet, und einem Kanzler der anscheinend auch vergessen hat was er eigentlich in seinem Job tun sollte ist das wohl unmöglich, Zumal das Ergebnis dem der dänischen Sozialdemokraten wohl sehr ähnlich sein würde. Also, alles wie gehabt und ich bin gespannt.

  • Also doch nur reine Machtpolitik und von Steuergeldern, sich unterhalten lassen. Da scheint jemand sehr stark an seinen Machtintereressen zu kleben und weniger die Belange seiner Wählerschaft zu vertreten. Das agile europäische Politiktreiben nach der Wahl wird dann wohl ähnliches Verhalten in der Sache an den Tag bringen, ganz dem Motto, was mir nützlich scheint bekommt meine Unterstützung.



    Unseren wahren Volksvertreter.

  • Was ist in der SPD noch sozialdemokratisch? Ein Minister der fordert Deutschland muss wieder Kriegsfähig werden? Oder wieder auf arme Bürgergeldempfänder drischt?



    Gut gemacht Herr Geisel!!

  • Das klingt schon interessant, ich vermute aber, dass sich ihm nicht andere SPD-Politiker anschließen werden. Ich bin skeptisch, ob diese 'Parteigründung' funktioniert. Allerdings stehen bei der SPD auch nicht gerade tolle Leute in der Schlange, die nun für Düsseldorf kandidieren wollen. Das trifft die SPD schon.

  • Die SPD könnte auch wieder eine linke Partei werden. (Nur ein Vorschlag)

  • Vielleicht ist es für die NutzerInnen von Premium-Medien eher hilfreich, wenn diese Herrn Geisel selbst befragen, statt über seine Beweggründe zu spekulieren, denn die Frage zu den NachahmerInnen impliziert, dass es auch um geteilte Inhalte oder etablierte Gefolgschaften gehen könnte. Die Netzwerke der Politik sind sicher oft intransparent, aber die Öffentlichkeit ist nicht nur in der NRW-Landeshauptstadt interessiert, wer sich da um Frau Wagenknecht herum schart und profiliert, gegebenenfalls auch auf Kosten langjähriger MitstreiterInnen.

  • "Die SPD prüft ein Ausschlussverfahren."



    Was gibt's da groß zu prüfen? Wer für eine konkurrierende Partei antritt, ist aus der alten raus.

  • Super Herr Geisel, für unsere Belange in Europa kämpfen und kassieren.



    Man muß groß denken und sich nicht erst mit regionalen oder nationale Nichtigkeiten beschäftigen.

  • Köstlich, bis gestern noch "im Rennen" um die OB-Kandidatur geduldet und offenbar gut genug als möglicher Machtfaktor für die Sozis und heute schon der Aussetzige, dem man garnicht untergürtelig genug nachtreten kann. Politik ist schon ein hartes Gecshäft. ;)

  • Natürlich kann es nicht sein, daß diejenigen SPD-Mitglieder, die sich klar von der SPD-Politik distanzieren und zur Konkurrenz überlaufen, weiterhin SPD-Mitglieder bleiben. Ein Ausschlußverfahren ist da einfach nur logisch.

    Doch viel interessanter ist der Blick über den Tellerrand hinaus, nämlich, welche Art Geister wohl in der SPD noch übrig bleiben, wenn alle Frontenwechsler dort nicht mehr Mitglied sind. Wenn dann von denen irgendwelche Gleichgesinnte als Kandidaten für alles mögliche gewählt werden, bleibt eigentlich nur noch übrig, daß diese dann allesamt von einem Geist beseelt sein können, der bestenfalls dem von Außerirdischen (oder Unterirdischen?) entspricht.

  • Klasse. Ich find´s richtig und sehr vernünftig. Wir müssen nach vorne schauen und nicht nach hinten und festkleben bringt uns auch nicht weiter.