AfD-Mitarbeiter Mario Müller: Scharnier zur Neonazi-Szene

Der Rechtsextremist arbeitet für den AfD-Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt. Müller soll laut Correctiv politische Gegner geoutet haben.

Anhänger der Identitären Bewegung demonstrieren.

Mario Alexander Müller (Bildmitte) auf einer Demonstration der Identitären Bewegung in Berlin Foto: Christian Mang/imago

BERLIN taz | Ein Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten soll politische Gegner geoutet haben, was zu einem Angriffen auf einen Mann geführt haben soll. Das geht aus neuen Enthüllungen des Recherchezentrum Correctiv hervor, die am Mittwochabend bei einer Inszenierung im Berliner Ensemble und parallel online veröffentlicht wurden. Der Bericht dreht sich um den rechtsextremen Gewalttäter Mario Müller, der für den AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt arbeitet. Müller weist alle Vorwürfe zurück.

Müller ist als langjähriger Aktivist ein Bindeglied zwischen der AfD, der sich als intellektuell gebenden Neuen Rechten und der Neonazi-Szene. Er steht durch seine Anstellung als AfD-Mitarbeiter exemplarisch für die Gefahr, die von der Partei ausgeht.

Laut Correctiv war Müller am 25. November bei einem konspirativen Treffen von AfD- und CDU-PolitikerInnen, Unternehmern und Rechtsextremisten im „Landhaus Adlon“ in Potsdam dabei. Martin Sellner – wie Müller ein langjähriger Kopf der Identitären Bewegung – hatte laut den Recherchen bei dem Treffen über den Plan rassistischer Ausbürgerungen und massenhafter Vertreibungen gesprochen. Der erste Bericht über diese sogenannten „Remigrations“-Vorhaben sorgte in den vergangenen Tagen für Aufsehen.

Neben Sellner hielt auch Müller in Potsdam einen Vortrag, wie Correctiv am Mittwoch berichtete. Er soll Einblicke in seine Strategie im Kampf gegen Linke gegeben haben. Müller brüstete sich demnach damit, den Kanal „Dokumentation Linksextremismus“ zu betreiben. Er bestreitet das gegenüber der taz.

Auf der Plattform X (früher Twitter) folgen dem Kanal über 13.000 Accounts, regelmäßig wurden dort Details über linke Akteure verbreitet, mit Fotos, Namen und weiteren Angaben. Wer hinter dem Kanal steht, war bisher nicht bekannt.

Angriff auf politischen Gegner

Laut Correctiv erklärte Müller bei dem Treffen zudem, 2021 den Aufenthaltsort des ehemaligen deutschen Antifa-Aktivisten Johannes D. in Polen an einen Schlägertrupp verraten zu haben. Gegen D. waren in der linken Szene zuvor Vergewaltigungsvorwürfe ausgesprochen worden. Nach seinem Aufenthalt in Polen wurde D. zum Kronzeugen im Verfahren gegen die Antifaschistin Lina E.. Seine Aussagen führten maßgeblich dazu, dass das Gericht sie im Mai 2023 unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilte.

Müller rechnet sich laut Correctiv zu, dass D. zum Kronzeugen wurde. Correctiv verweist allerdings auf eigene Aussagen von D. im Thüringer Untersuchungsausschuss, wonach eher persönliche Gründe und seine Ächtung in der linken Szene den Ausschlag gaben.

Dass der Rechtsextremist Müller seine Arbeit bei einem AfD-Bundestagsabgeordneten nutzen könnte, um vor allem gegen politische Gegner vorzugehen, wurde bereits länger befürchtet. In dem Bericht von Correctiv äußerten unter anderem die Linken-Politikerinnen Martina Renner und Katharina König-Preuss die Sorge vor der Bedrohung, die durch die Zugänge rechtsextremer AfD-Mitarbeiter im Bundestag ausgingen.

Müller hat laut Bundestagsverwaltung Hausverbot

Bereits im März 2023 hatte sich die taz bei der Bundestagsverwaltung nach Müller erkundigt. Damals hieß es, er sei nicht im Besitz eines Bundestagsausweises und habe keine Berechtigung zum Zugang zu Verschlusssachen. Auf erneute Anfrage der taz erklärte die Pressestelle des Bundestags am Donnerstag, dass sich daran seitdem nichts geändert habe und spezifizierte, Müller habe sogar Hausverbot: Er „darf die Liegenschaften des Deutschen Bundestages auch nicht als Gast betreten.“

Der AfD-Abgeordnete Schmidt erklärte auf Anfrage der taz unter anderem auf die Frage, ob Müller über ihn beispielsweise an Verschlusssachen gelange: „Er hat keinen Zugang zu Verschlusssachen oder dergleichen.“ Weiter erklärte Schmidt: „Grundsätzlich überwache ich nicht die Freizeitaktivitäten meiner Mitarbeiter.“

Müller selbst erklärte der taz, der Correctiv-Bericht enthalte „Falschbehauptungen und wilde Spekulationen“. Er habe bei dem Treffen in Potsdam über den Fall Lina E. gesprochen und geschildert, wie Johannes D. zum Kronzeugen wurde, „aber ganz sicher nie behauptet, irgendwelche Schläger auf den Mann angesetzt zu haben.“

Auch betreibe er nicht den Account „Dokumentation Linksextremismus“, erklärte Müller. Er nutze seine Anstellung bei dem AfD-Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt nicht, um an Informationen über politische Gegner zu gelangen und die Ausspähung politischer Gegner gehöre nicht zu seinen Aufgaben. Er beschäftige sich „im Deutschen Bundestag ausschließlich mit mandatsbezogener Sach- und Öffentlichkeitsarbeit.“ Weiterhin erklärte Müller der taz: „Gewalt lehne ich aus Überzeugung ab.“

Müller verletzte einen Jugendlichen am Kopf

Müller wurde mehrfach als Gewalttäter verurteilt. 2010 hatte er in Delmenhorst bei Bremen einen linken Jugendliche mit einem Totschläger am Kopf verletzt: Müller hatte ihm ein Metallstück in einer Socke auf die Stirn gehauen. Dafür bekam er eine Bewährungsstrafe. 2021 wurde Müller erneut verurteilt, weil er zwei Zivilpolizisten angegriffen hatte.

Müller zeigt in seinen politischer Aktivitäten eine lange Kontinuität und ist gut vernetzt. Aufgewachsen in dem Dorf Harpstedt bei Delmenhorst, engagierte er sich bereits als Jugendlicher in der „Aktionsgruppe Delmenhorst“ und war im Umfeld der JN, der Jugendorganisation der ehemaligen NPD. Später studierte er in Magdeburg und ging dann nach Halle. Dort nahm er als Aktivist der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ eine führende Position in der Gruppe „Kontrakultur“ und einem rechtsextremen Hausprojekt ein. Bereits in dem Hausprojekt in Halle gab es Kontakte zur AfD, etwa zu Hans-Thomas Tillschneider. 2019 sorgte Müllers Anwesenheit bei der Geburtstagsfeier des Hamburger Publizisten Matthias Matussek für einen Eklat.

Müller schrieb für das rechtsextreme Magazin „Compact“ und veröffentlichte ein Buch im Verlag des Rechtsextremisten Götz Kubitschek. Darin schrieb er bereits 2017 über die sogenannte „Remigration“, also die rassistische Vertreibung von MigrantInnen, wünschte sich eine „Festung Europa“ und erklärte: „Bevor eine politische Revolution gelingen kann, muss man sicherstellen, dass das Volk diese Revolution für legitim erachtet.“

Vernetzung auf Wanderung mit NS-Bezug

Fotos zeigen Müller mit Mitgliedern des rechtsextremen ukrainischen Asow-Batallion ebenso wie mit Rechtsextremen auf der Insel Lesbos, die im März 2020 versucht haben sollen, Boote von Geflüchtete zu behindern. Müller war angeblich nur als Reporter vor Ort.

Auch aktuelle Recherchen der Fach­jour­na­lis­t*in­nen von „Recherche Nord“ belegen Müllers Vernetztung zu unterschiedlichen Strukturen der Neonazi-Szene. Fotos von Recheche-Nord zeigen Müller im Juli 2023 auf einer Wanderung, dem sogenannten „Marsch zur Stedingsehre“ – eine der wichtigsten Hintergrundveranstaltungen der Neonaziszene in Norddeutschland. Laut „Recherche Nord“ waren neben Müller im Juli mit dabei: Teilnehmende vom neonazistisch ausgerichteten III. Weg, von der NPD/Die Heimat und insbesondere deren Jugendorganisation JN und von der Identitären Bewegung. Auch ehemals Aktive der Jungen Alternativen seien mitgewandert.

In der Vergangenheit seien Teil­neh­me­r*in­nen der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) dabei gewesen, ebenso wie Hannes Ostendorf, Sänger der Rechtsrockband Kategorie C.

Laut Lotta Kampmann von „Recherche Nord“ hat der Marsch für Teilnehmende einen offenen NS-Bezug. „Wir wissen, dass dort entsprechende Reden gehalten und Symbole gezeigt werden“, sagt sie der taz. Die Szene treffe sich regelmäßig zu Wanderungen wie der im Juli 2023. Dahinter stehe die Strategie, weniger in der Öffentlichkeit aufzutreten und sich stattdessen stärker nach innen zu vernetzen.

Zu Müller erklärte Kampmann der taz, er zeige einen unglaublichen Fanatismus, was seine Weltanschauung und seinen Aktivismus angehen. „Müller ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass jugendliche Neonazis durch entsprechende Organisationsstrukturen, die sich ihrer „annehmen“, zu gewaltbereiten Über­zeu­gungs­tä­te­r*in­nen werden. Jugendorganisationen wie die JN, in der Müller auch politisiert wurde, haben also einen massiven Einfluss auf Jugendliche, wenn ihnen nicht Einhalt geboten wird.“

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