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Diplomatie im PazifikKleine Inseln in großer Geopolitik

Auf den Salomonen lassen sich die politischen Machtverschiebungen im Pazifik von Australien und den USA hin zur Volksrepublik China gut beobachten.

Gute Geste mit Hintergedanken? Besuch eines chinesischen Hospitalschiffes in Honiara im August 2023 Foto: Pringi Charley/afp

Honiara taz | Im überfüllten Hof des Spitals von Honiara, der Hauptstadt der Salomonen, warten in feucht-tropischer Hitze Mütter mit fiebrigen Kindern und Betagte mit eiternden Geschwüren. Sie warten stundenlang auf einen Arzt. Trotzdem beklagt sich niemand. Auf den Salomonen ist die Geduld stärker als der Schmerz.

Im Besprechungsraum nimmt Hermann Oberli den Rapport der Nachtärzte ab. Während andere in seinem Alter schon lange im Ruhestand leben, hört der 83-jährige Schweizer Chirurg aufmerksam zu, stellt Fragen, prüft die Aussagen der jungen lokalen Ärzte.

„Ein Mann war bei der Ankunft tot“, meldet die junge Chirurgin, er sei von einem Lkw gefallen. Ein anderer Patient warte nach einem Unfall mit einer Kreissäge auf den Handchirurgen.

Vor drei Jahrzehnten hatte der Schweizer auf den Salomonen die Trauma-Chirurgie aufgebaut. Seither bildet er mit Hilfe anderer europäischer Fachkräfte südpazifische Ärzte aus. Es ist Hilfe zur Selbsthilfe in einem Land mit einem Pro-Kopf-Einkommen von jährlich nur etwas über 2.000 Euro.

Ohne Spenden aus dem Ausland ginge es nicht

Auch nach so vielen Jahren klagt Oberli über die mangelnden Mittel, mit denen das Spital zurechtkommen müsse. Ohne Spenden aus dem Ausland ginge es nicht. Für Oberli ist klar: Politiker sind an der Situation schuld. „Die können nach Australien reisen, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen. Das kostet enorm viel Geld.“ Das stehe dann dem öffentlichen Gesundheitsdienst nicht mehr zur Verfügung. „Man hat das Gefühl, das sei den Politikern Wurst“, so Oberli.

Ein paar Straßen weiter stimmt Ruth Liloqula in einem grauen Geschäftshaus dem Arzt zu. Sie ist die lokale Chefin der Antikorruptionsorganisation Transparency International. Von Korruption seien die Salomonen ganz besonders betroffen, sagt Liloqula. Daran werde sich so schnell auch nichts ändern: „Denn China stellt das Geld zur Verfügung, das die Regierung an der Macht hält.“

Der 68-jährige Premierminister Manasseh Sogavare überraschte 2019 die USA und Australien, als er die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China ankündigte. Davor waren die Salomonen im Pazifik die wichtigsten Verbündeten Taiwans, das dem Westen nahesteht, aber von Peking als abtrünnige Provinz Chinas betrachtet wird.

Der Beschluss der Zentralregierung in Honiara auf der Hauptinsel Guadalcanal stieß zum Teil auf heftigen Widerstand. Die Nachbarprovinz Malaita rebellierte – die dortige Regierung wollte bei Taiwan bleiben. 2021 ging das chinesische Viertel in Honiara in Flammen auf.

Zeichen chinesischer Großzügkeit

Man sucht nicht lange, um in Honiara Zeichen chinesischer Großzügigkeit zu finden. Geteerte Straßen, wo es bis vor Kurzem nur Schotterwege gab. Und dann das Stadion, Hauptaustragungsort der jüngsten Pacific Games, einer Art Olympische Spiele im Pazifik: Für Sogavare ist die Anlage mit 10.000 Sitzplätzen ein absolutes Prestigeobjekt. Über 80 Millionen Euro hat es gekostet – von China bezahlt. Für Oberli ist klar: „Das ist nur möglich, weil der Premier so korrupt ist. Die Chinesen bekommen alles von ihm.“

Tropenholz etwa, Fisch und Meeresfrüchte. Analysten sagen aber, Peking habe in den Salomonen und im übrigen Pazifik nicht nur ein Interesse an solchen Rohstoffen, weil diese von chinesischen Firmen ausgebeutet werden und damit zur Nahrungs- und Versorgungssicherheit Chinas beitragen können.

Vielleicht noch wichtiger sei Peking die politische Unterstützung, die Kleinstaaten bieten können. „Obwohl die Länder sehr klein sind und praktisch keine Macht haben – in internationalen Organisationen wie etwa der UNO haben sie eine volle Stimme“, meint Alfred Palazzo, Professor für Kriegswissenschaften in Canberra. Auch den Bau einer chinesischen Militärbasis auf den Salomonen halten Experten noch für möglich.

Kritiker meinen, Australien als pazifischer Statthalter habe es die letzten Jahre versäumt, den Kontakt zu den kleinen pazifischen Inselstaaten aufrechtzuerhalten. Es ist berechtigte Kritik – konservative australische Regierungen hatten in den letzten Jahren wenig Interesse an engen Beziehungen mit den kleinen Ländern.

Australien ignorierte Klimasorgen der Inselstaaten

Denn die Pazifikstaaten hatten Canberra mit wachsender Dringlichkeit aufgefordert, endlich gegen die existenzielle Gefahr des Anstiegs des Meeresspiegels vorzugehen. Ländern wie Kiribati und Tuvalu droht schon innerhalb von Jahrzehnten buchstäblich der Untergang. Australien als führender Kohleexporteur wird maßgeblich für die globale Klimaerhitzung mit verantwortlich gemacht.

Die salomonische Journalistin Dorothy Wickham hat ein gewisses Verständnis für Australiens Haltung: „Canberra hatte genug davon, uns über Jahre mit Steuergeldern zu unterstützen. China sah die Chance und setzte sich in die Nische.“

Im Juli unterzeichnete Premier Sogavare einen Sicherheitsvertrag mit Peking. Polizisten lernen von chinesischen Instruktoren, wie sie bei Protesten mit Regimegegnern umgehen sollen. Ein Regierungskritiker in Honiara meint, „dass nach der Übernahme der wirtschaftlichen Kontrolle den Salomonen nun auch der Verlust der sozialen und politischen Kontrolle an Peking droht“.

Kritik an der Regierung werde schwieriger, stellt auch Korruptionswächterin Liloqula fest. Ausländischen Medien, die kritische Fragen stellten, drohte Sogavare mit Einreisesperre.

Wahlen gewinnen mit Pekings Hilfe

Laut der Korruptionswächterin greift China vor den Parlamentswahlen auch in den demokratischen Prozess ein. Peking unterstütze in den Provinzen Abgeordnete mit Bargeld, um sich Loyalität zu sichern.

Liloqula sagt: „Die Politiker haben die totale Kontrolle über diese Mittel.“ Sie nutzten einen Teil davon, um sich ihre Position in den Wahlkreisen zu sichern – und damit wohl auch die Wiederwahl der Sogavare-Regierung. Was mit dem Rest des Geldes geschehe, darüber könne nur spekuliert werden. Im September 2019 nahm auch Kiribati Beziehungen zu China auf und brach die zu Taiwan ab.

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5 Kommentare

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  • Ein ähnlicher Vorgang war Bestandteil des Brexit: Großbritannien wollte u.a., allerdings rein prophylaktisch verhindern, dass die EU auf diversen britischen Sonderstatus-Inseln wie etwa der "Insel des Mannes" mehr Einfluss verlangt. Großmachtpolitik im Kleinen, wie sie China im Großen nun auch mit dem umgebenden Inselkleinklein zu machen versteht.

    Und das Sponsern politischer Parteien, das kennen wir ja auch von Putin, der bisweilen Leute wie Weidel, Le Pen & Co. finanziert.

    Es gäbe für die USA die Möglichkeit, einen Kontrapunkt zu setzen: Ein Teil von Samoa gehört faktisch zu den USA, ist aber auch in den USA noch nicht offiziell Bundesstaat. Eine Volksabstimmung dort wäre legitim, denn West- und Ostsamoa haben sich kulturell weit auseinander gelebt. Timor als legitim geteilte Pazifik-Insel wäre Vorbild. Dann würde sich auch Australien besinnen und seine pazifischen Nachbarn zumindest wieder ernster nehmen als Partner.

    • @Uwe Kulick:

      Australien und die USA nehmen doch die Staaten im Pazifik ernst und haben auch schon darauf hingewiesen, dass es nicht akzeptiert wird, wenn die rote Linien überschritten werden:

      www.merkur.de/poli...n-zr-91505178.html

      • @Alexander Schulz:

        Laut Artikel nimmt Australien inzwischen die Sache mit den kleinen Inselstaaten nicht mehr ernst, obwohl es seine Nachbarn im buchstäblich weitesten Sinne sind, genauso wie übrigens für China. Da kann leicht der eine oder andere blinde Fleck entstehen für die Aussies auf Inseln, die sie besser als Partner für sich behielten.

        Die USA nehmen sich ja selbst überhaupt nicht mehr ernst, wenn sie zu Präsidentschaftswahlen nur noch Greise aufstellen als Kandidaten, Biden eine lahme Ente, und Trump einfach nur ein alter Sack, und noch dazu ein unzurechnungsfähiger.

        Mit Samoa als 51. US-Staat würden die USA endlich die Leute von da, die eh schon in der US-Armee kämpfen, einbürgern. Und vor allem würden ihre ureigensten Interessen im Pazifik nach Hawaii auch in Amerikanisch-Samoa einen dauerhaft sicheren



        Standort haben. Die Sorge vor Standorten anderer Länder auf anderen Pazifik-Inseln wäre dann für die USA schonmal geringer. Und die Notwendigkeit, mit auf diese Weise auch den USA näher rückenden Pazifik-Inselstaaten nachbarliche Beziehungen besser zu pflegen.

  • Die Insel Nauru war mal bezogen auf die Anzahl der Einwohner der reichste Staat der Welt. Die hatten 1 Straße und 1 eigene Fluglinie.



    Wenn ich recht informiert bin, haben australische Finanzjongleure den Staat nach Beendigung der Phosphatförderung in den Ruin getrieben.

  • Ich denke man sollte die "Machtverschiebungen" nicht überbewerten. Die USA und Australien haben bereits deutlich gemacht, dass die Bündniswahl Grenzen hat, sofern eigene Sicherheitsinteressen berührt sind.



    Verständlicherweise möchten Sie nicht China im "Hinterhof" haben. Man muss sich vor Augen halten, dass die Salomonen nur wenige tausend km bzw hunter km entfernt sind von amerikanischen bzw australischen Staatsgebiet.