Türkischer Militäreinsatz im Nordirak: Vergeltung gegen die PKK
Ankara greift PKK-Stellungen im Nordirak an. Es ist die Reaktion auf schwere Angriffe auf türkische Soldaten. Auch die YPG in Syrien ist im Visier.
Die PKK nennt sogar weit höhere Zahlen. Während in der Türkei die Beerdigungszeremonien für die getöteten Soldaten laufen, greifen als Reaktion auf den Angriff weite Teile der Armee massiv vermutete Stellungen der PKK im Nordirak und Nordostsyrien an.
Nach Angaben von Verteidigungsminister Yasar Güler sind bis Montagabend dabei 56 PKK-Kämpfer getötet worden. Ein Sprecher der kurdischen Selbstorganisation in Nordsyrien sprach dagegen von acht zivilen Opfern.
In den verschneiten Bergen im Nordirak hat die Luftwaffe auch Spezialkräfte abgesetzt, die am Boden nun Jagd auf PKKler machen. Unterdessen wurden in der Türkei auf einem Jugendkongress der prokurdischen Partei für Gleichheit und Demokratie (DEM), der Nachfolgeorganisation der HDP, 52 Mitglieder vorübergehend festgenommen. Justizminister Yilmaz Tunc wirft ihnen „Lobpreisung der Verbrechen und Propaganda für eine terroristische Organisation“ vor.
PKK wird im Nordirak zunehmend kritisch gesehen
Über einen Internetkanal verbreitete die PKK eine Stellungnahme in der es, wohl in Anlehnung an die Rhetorik der Palästinenser, hieß, man habe erfolgreich die „türkischen Besatzer“ angegriffen. Tatsächlich ist fraglich was das bedeuten soll.
Die PKK hat seit Jahrzehnten ihr Hauptquartier in den Kandil-Bergen im Nordirak, näher an der iranischen als an der türkischen Grenze. Von der kurdisch-irakischen Autonomieregierung, die vom Barzani-Clan dominiert wird, wurde sie zunächst geduldet, wird aber seit längerem mit zunehmenden Misstrauen angesehen.
Necirvan Barzani, der derzeitige Präsident der Autonomieregierung ist ein erklärter Feind der PKK und würde sie gern aus dem Nordirak vertreiben. Deshalb arbeitet die Autonomieregierung auch weitgehend mit der Türkei gegen die PKK zusammen, zu mindestens so lange, wie die türkische Armee bei ihren Aktionen keine irakischen kurdischen Zivilisten tötet oder verletzt.
Auch die Zentralregierung in Bagdad nähert sich mehr und mehr der Türkei an. Hatte sie bis vor einem Jahr noch regelmäßig gegen türkische Militäreinsätze im Nordirak protestiert, so hat sie erst am 20. Dezember bei einem Treffen der türkischen und irakischen Außenminister, Hakan Fidan und Fuad Hussein, einem gemeinsamen „Anti-Terror“ Kampf gegen die PKK zugestimmt.
Im Gegenzug ist die Türkei bereit, mit dem Irak wieder über zusätzliches Wasser zu verhandeln, dass über den Tigris von der Türkei in den Irak fließt und in den letzten Jahren immer mehr zurückgehalten wurde.
PKK-Angriff stärkt türkische Rechtsextreme
Obwohl die Angriffe der PKK auf die türkische Armee im Nordirak stattfanden, greift die Luftwaffe auch Ziele in Nordsyrien an. Die dort vorherrschende kurdische YPG-Miliz ist nach Ansicht der türkischen Regierung identisch mit der PKK und stellt deshalb nach offizieller Lesart ebenfalls eine Bedrohung für die Türkei da.
Das politische Problem ist, dass die YPG in Syrien eng mit den dort stationierten rund 900 US-Soldaten zusammenarbeitet. Im Kampf gegen den IS waren und sind sie für die US-Armee die wichtigsten Verbündeten, was Ankara seinem Nato-Partner USA immer wieder vorwirft.
Sollte der Druck auf die PKK im Nordirak zu groß werden, wird sie wohl nach Nordostsyrien ausweichen, was die Probleme zwischen der Türkei und den USA verschärfen könnte.
Innenpolitisch sorgt der PKK-Angriff für neuerlichen Aufwind für die extreme Rechte. Anhänger der ultrarechten MHP griffen bei Beerdigungsfeierlichkeiten für die Soldaten Vertreter der oppositionellen CHP an und beschuldigten sie als „Terror-Unterstützer“.
Der neue CHP-Vorsitzende Özgür Özel konnte bei einer Feier in Bursa nur mühsam von seinen Bodygards geschützt werden. Die Vorfälle sind bereits ein Vorgeschmack für die Kommunalwahlen Ende März, wo es auch um eine Verteidigung der CHP Bürgermeister-Posten in Istanbul und Ankara geht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!