Wahlen in der DR Kongo: Chaos zum Start
Unruhen und Verspätungen kennzeichnen den Beginn der Parlaments- und Präsidentschaftswahl. UN-Sicherheitsrat will Blauhelme abziehen.
Aus den lokalen Medien ist zu entnehmen, dass einige Binnenvertriebene ihre Namen nicht auf den Wahllisten gefunden haben und deswegen die Stimmung hochkochte. Wahlhelfer rannten davon, die wachhabenden Polizisten schritten ein. Ein junger Mann wurde laut Berichten von einer umherfliegenden Kugel getroffen und verletzt. Die aufgebrachten Kongolesen zogen dann weiter in Richtung Stadtzentrum, wo sie von der Polizei mit Tränengas gestoppt wurden.
Bunia ist Hauptstadt der Provinz Ituri, wo ein Drittel der Bevölkerung wegen Milizenangriffen vertrieben sind. In der Demokratischen Republik Kongo sind insgesamt rund sieben Millionen Menschen innerhalb ihres eigenen Landes auf der Flucht, vor allem in den Kriegsgebieten des Ostens, wo ganze Dorfgemeinschaften seit Jahren immer wieder flüchten müssen. Dass dies Probleme geben wird bei der Wahl, war vorherzusehen. Viele Vertriebene konnten sich nicht registrieren oder können jetzt nicht dort wählen, wo sie herkommen.
Dennoch hat Kongos Wahlbehörde CENI trotz enormer logistischer Schwierigkeiten am Mittwochmorgen landesweit die rund 75.000 Wahlbüros für eröffnet erklärt – außer in den kriegsgeschüttelten Distrikten Masisi und Rutshuru im Osten des Landes. Vieles geschah vor allem in den abgelegenen Landesteilen tief in den dichten Wäldern auf den allerletzten Drücker. Ägyptens Luftwaffe hat beim Verteilen der Wahlunterlagen und Maschinen in dem großen Land, das kaum über geteerte Straßen verfügt, geholfen. Knapp 44 Millionen der rund 100 Millionen Kongolesen sind als Wahlberechtigte aufgefordert, einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament zu wählen.
Mehrere Wahlbeobachtermissionen vergrault
Doch selbst in der Hauptstadt Kinshasa öffneten zahlreiche Wahlbüros mit Verspätung. Um zehn Uhr am Vormittag trat dann CENI-Chef Denis Kadima vor die Presse und versprach, dass diejenigen Wahllokale, die zu spät aufgemacht haben, „die verlorene Zeit nachholen“ sollen. „Die Leute werden auf jeden Fall immer abstimmen, auch wenn es bis zum nächsten Tag gehen muss“, versichert er: „Der Grundsatz ist, dass jeder Kongolese wählen kann.“
Bereits der Wahlkampf wurde international kritisiert. Vor drei Wochen hat die Wahlbeobachter-Mission der EU Hals über Kopf ihre Koffer gepackt. Der Grund: Kongos Geheimdienst erlaubte ihr nicht, Satellitentelefone zu nutzen.
Vor zwei Tagen hat die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC), der Kongo erst 2022 beitrat, ihre Wahlbeobachtermission ebenfalls abgesagt. Grund: Ihrer Stationierung sei von den „zuständigen Behörden“ Kongos „nicht stattgegeben worden.“ Es gibt mehrere andere internationale und nationale Wahlbeobachtermissionen.
Bereits bei den vergangenen Wahlen Ende 2018 kam es zu extremen Unregelmäßigkeiten. Verschiedene Wahlbeobachter kamen bei der Auszählung der Stimmen für das Präsidentenamt zu ganz anderen Ergebnissen als die Wahlbehörde CENI. Letztlich entschied dann das Verfassungsgericht, dass Félix Tshisekedi gewonnen habe, trotz heftiger Kritik, vor allem seitens des von Wahlbeobachtern als Wahlsieger identifizierten Martin Fayulu.
Als „Putsch durch die Stimmzettel“ hat nun vor wenigen Tagen eine in Kenias Hauptstadt Nairobi vorgestellte neue Allianz bewaffneter und ziviler Oppositioneller unter dem damaligen CENI-Chef Corneille Nangaa den aktuellen Wahlgang bezeichnet und am Dienstag erneut mit einem Putsch gedroht, falls Tshisekedi wieder zum Sieger deklariert werden sollte.
UN-Mission soll 2024 abziehen
Ausgerechnet jetzt, wo internationale Analysten, Diplomaten und viele Kongolesen selbst einen Krieg nach den Wahlen befürchten, hat nun der UN-Sicherheitsrat am Tag vor den Wahlen einstimmig entschieden, die UN-Mission im Kongo im kommenden Jahr abzuziehen.
Kongos Präsident Félix Tshisekedi hatte im September den UN-Mitgliedstaaten in einer Rede klargemacht, dass er noch vor Ende des Jahres einen Abzug der 14.000 UN-Blauhelme wünscht. Die erste Phase soll noch dieses Jahr beginnen, heißt es in der UN-Resolution 2717. Bis Ende April 2024 sollen in einem ersten Schritt alle Truppen der UN-Mission Monusco die Provinz Süd-Kivu im kriegsgeschüttelten Osten Kongos verlassen.
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