Die Hoffnungsmaschine

Die Kunstausstellung „Hope“ im Museion Bozen in Südtirol schaut optimistisch auf die Gegenwart. Und die liegt irgendwo zwischen Apokalypse und Neuanfang

Von Tal Sterngast

„Die Kunst ist die höchste Form von Hoffnung“, schrieb Gerhard Richter 1982 in einem Text zur documenta 7. Die Kunst veranschauliche demnach eine Realität, „die wir weder sehen, noch beschreiben können, auf deren Existenz wir aber schließen können“. Weil alles Unbekannte uns ängstigt und gleichzeitig hoffnungsvoll stimme, nehmen wir Bilder als Möglichkeit, um das Unerklärliche vielleicht etwas erklärlicher, auf jeden Fall aber umgänglicher zu machen, so Richter.

Niemand wird nach 2023 bestreiten, dass wir Hoffnung gebrauchen können. Ob wir aber immer noch in der Lage sind, das Unfassbare mittels Kunst sehen zu wollen, von dem Richter als Notwendigkeit spricht, bleibt abzuwarten.

„Hope“, also Hoffnung, heißt derzeit eine Gruppenausstellung im Museion Bozen. Als dritter und letzter Teil der multidisziplinären Ausstellungstrilogie „Techno Humanities“ eröffnete sie im September 2023 zu einem Zeitpunkt, an dem die Covid-Pandemie seit einem Jahr für überwunden erklärt worden war, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine schon weit über ein Jahr andauerte und nur knapp eine Woche später das gegenwärtige Blutvergießen im Nahen Osten beginnen sollte.

Die Reihe „Techno-Humanities“ soll Fragen der menschlichen Existenz in ihren Zusammenhängen mit Ökologie, Technologie und Ökonomie untersuchen. Und „Hope“ konzentriert sich nun abschließend auf die heutige Rolle des Museums, auf sein Vermögen, die „künstlerischen, poetischen und spekulativen“ Rahmenbedingungen zu schaffen, um Geschichten und Narrative zu sammeln. So sehen es die Ku­ra­to­r:in­nen Bart van der Heide, der das Museion Bozen seit 2020 leitet, Leonie Radine aus seinem Team sowie der Elektroproduzent DeForrest Brown, Jr. Er veröffentlichte 2022 das Buch „Assembling a Black Counter Culture“ zur Geschichte des Techno.

Der würfelartige Bau des 2008 eingeweihten Museion, entworfen vom Berliner Architekturbüro KSV Krüger Schuberth Vandreike, wird oft als UFO beschrieben. Seine prismatische Glasfassade erinnert mehr an die Zentrale eines Hightech-Unternehmens denn an ein Museum für Gegenwartskunst. Es ist daher irgendwie erhebend und amüsant, nun in der Eingangshalle von einem Neonschriftzug mit dem Wort „Open“ empfangen zu werden. Die gleichnamige Lichtinstallation von Ricardo Previdi erinnert an Werbeschilder und formuliert auch einen Imperativ der Offenheit. Im Fahrstuhl wiederum dringen aus der elektronischen Musik einer Soundinstallation des Künstlerinnen-Duos Ulrike Bernard und Caroline Profanter Durchsagen hervor, als kämen sie aus den Lautsprechern eines Bahnsteigs. Sie schicken einen direkt in den Ausstellungsrundgang.

Auch in der Ausstellung: Michael Fliri, „Fluid Foot“, 2022   Foto: Courtesy der Künstler und Galleria Raffaella Cortese, Milano

Der erstreckt sich über vier Etagen, die je einem Thema gewidmet sind. Er beginnt im hoch aufragenden vierten Stockwerk, dem „Observatorium“. Dort weist zunächst ein überdimensioniertes, arg in die Länge montiertes Kameraobjektiv von Beatrice Marchi mit dem Titel „The Photographer Lens“ nach draußen. Andere Kunstwerke hier erscheinen wie archäologische Artefakte, wie Überbleibsel einer Katastrophe. Auch die Eighties-Popsongs, die der bosnisch-französische Künstler Bojan Šarčevic leise aus einem sarkophagartigen Eisschrank tönen lässt. Seine Installation „Sentimality is the Core“ von 2018 erinnert an eine Dekade, in der die Popkultur zugleich die Depression und die Euphorie einer No Future zelebrierte.

Im zweiten Stock, dem „Third Earth Archive“, eröffnet DeForrest Brown, Jr. seine Recherchen zur Geschichte des Techno, wenn er auf raumhohen Regalen eine umfangreiche Plattensammlung ausbreitet. Dazwischen tauchen auf digitalen Sci-Fi-Bildern die afrofuturistischen Superhelden in Unterwasserlandschaften von AbuQadim Haqq auf. In der raumschiffartigen Installation des „Third Earth Archive“ enträtseln sie den in der Technokultur von Detroit verankerten Mythos von Drexciya, von jenem Utopos Atlantis, das von Nachkommen Schwarzer Skla­v:in­nen bewohnt sein soll. Die Installation entwirft eine alternative Zeitrechnung und die beginnt „am Ende der Zukunft“. Zum Schluss dieses dichten Ausstellungsrundgangs verbinden sich in der 3-Kanal-Video­arbeit „Dove fermarsi?“ von Linda Jasmin Mayer Melancholie und Dystopie. Hybride Wesen aus Vogel und Mensch bewegen sich da in einer nebeligen halb natürlichen, halb menschgemachten Landschaft.

Die Kunstwerke, sie seien „Maschinen für Emanzipation und Empowerment“, meinen die drei Kurator:innen. Der optimistische Glaube, der „Hope“ zugrunde liegt, ist nicht zu leugnen – und er neigt gar dazu, die manchmal zaudernde Kunst zu übertönen. Doch die Wochen, die seit Ausstellungseröffnung vergangen sind, scheinen die Diskrepanz zwischen der Idee eines Museums als „Hoffnungsmaschine“ und dem Stand der Dinge verstärkt zu haben.

„Hope“, Museion Bozen, Italien, bis 24. Februar 2024