piwik no script img

Gitarrensoloalbum von Andrew PeklerZurück auf Mono

Der Berliner Künstler Andrew Pekler beschränkt sich beim Soloalbum „SG: For Lovers Only/Rain Suite“ auf den Sound der Gitarre. Dabei gilt: weniger ist mehr.

Hinterm Palmwedel ist Andrew Pekler Foto: Andrew Pekler

Wenn Andrew Peklers Gitarre in seinem neuen Album „SG: For Lovers Only/Rain Suite“ erklingt, wird es ruhig, langsam und das Licht leuchtet nur fahl. Töne zerrinnen in Super Slow Motion und Melodien schmelzen wie das Wachs einer brennenden Kerze. Nur die Gitarre ist zu hören, und trotzdem wirkt sie dabei nie allein.

Die Akkorde, die der Berliner Künstler greift, sind zaghaft angespielt, und die Töne können dann einfach stehen, bis sie Bauklötze werden, die man bestaunen kann.

Zusätztlich betätigt der Künstler behutsam Effektgeräte, um jene Tontrauben mit weiteren Melodien auszupolstern.

Das beiläufige Loopen schafft in Peklers Songs das Stimmungsvolle und Hypnotische. Vibrato verzerrt seine Gitarre nicht nur, es kreiert Wolkenbilder und Sandburgen. Flüchtige Kunstwerke, im nächsten Moment wieder verschwunden. Oder waren sie gar nicht da?

Regen als Musik

Wer hier genau lauscht, wird erleuchtet werden. Etwa vom Klang von Regengüssen. „Regen zwingt einen praktisch zur Kontemplation: Auf einmal ist die Luft, die leer war, gefüllt. Und die relative Stille wird durch Rauschen ersetzt – bei dieser Veränderung wird einem der eigene Zustand irgendwie bewusster“, erklärt Pekler der taz. Der Klang von Regen in seiner Musik besänftigt. Alles, was draußen grell, schnell und laut sein will, wird davon für eine Weile übertönt.

Album und Konzert

Andrew Pekler: „SG: For Lovers Only/Rain Suite“ (Faitiche/Morr Music/Indigo)

Live: 9. Dezember beim Faitiche Labelshowcase, Silent Green, Berlin

Man sollte Andrew Peklers Gitarrenklänge trotzdem nicht mit neuer Innerlichkeit oder Naturwüchsigkeit verwechseln. Nur weil sie schaumgebremst daherkommt, schmort diese Gitarre noch lange nicht im eigenen Saft. Im Gegenteil, ihr Dasein beruht auf der simplen Erkenntnis, dass Peklers Musik zu den Dingen gehört, die das Selbst erweitern. Stratosphären-Boogie, der möglichst weit, in möglichst viele Richtungen gleichzeitig ausschwärmt und sich, sobald er losgelassen, nicht mehr einfangen lässt. Fang mich doch, Eierloch.

Um Virtuosität geht es aber auch nicht. Bekannt wurde Andrew Pekler, der in der Sowjetunion geboren wurde, mit der Familie in die USA emigrierte, wo er auch seine Jugend verbracht hat, in den neunziger Jahren zunächst im Umfeld der Heidelberger Elektronikszene. Mit Bands wie Sad Rockets fabrizierte er elektronische Musik abseits des Dancefloors. Schon damals bediente sich Andrew Pekler in seiner Ästhetik auch in der Vergangenheit, etwa bei loungigen Exotica-Sounds der 1950er Jahre, und trotzdem klang er nie nach Retro und Revival.

Zehn Finger, eine ganze Welt

„Ich hab viele Jahre fast ausschließlich mit Elektronik gearbeitet, dabei ist mir mein Set­up etwas zu vertraut geworden – ich hatte irgendwann das Gefühl, ich wiederhole mich nur.“ Es geht Pekler darum, die vermeintliche Schwäche zur Stärke zu machen. „Mit dem bisschen, was aus den Fingern kommt, eine ganze Welt zu suggerieren, ist für mich eine fruchtbare Zone. Jede Geste, jede Figur, jedes Motiv, egal wie einfach, steht allein da und gewinnt durch diese Isolation an Bedeutung. Das ist dann das Spannende für mich: das Richtige wegzulassen, damit das, was bleibt, ausreichend nuanciert wird.“

Das seltsame Pfeifen und Brummen des Transistorgeräts, mit dem Peklers Vater Westradio gehört hat, ist eine frühe Hör-Erinnerung. Was der beste Rat gewesen sei, den er je bekommen hätte, wurde Pekler mal in einem Interview gefragt: als er den Bass zurück auf Mono geschaltet hat.

Obwohl „SG: For Lovers Only/Rain Suite“ durchaus Anklänge an große Gitarristen der Rock-’n’-Roll-Sattelzeit, wie Link Wray, Les Paul und Speedy West hat, bleibt Peklers Sound Musik zweiter Ordnung: Es geht bei ihm nicht um das nächste super ausgefuchste und grell-authentische Solo, die Gitarre wird auf das Allernötigste abgespeckt, um Platz für Ideen und Gedanken zu schaffen. Dann lässt sich mit dem jungen Karl Marx sagen: „Je weniger du bist, umso mehr hast du.“

„Sentimental Guitar Dream“ heißt einer dieser Tracks von Andrew Pekler, aus denen zwar Geschichte spricht, die aber nie unter der Last ihrer Erinnerungen ächzt. Es gibt fürwahr Schlimmeres, als vom Sound von Peklers Gitarre fortgetragen zu werden.

Vielleicht sind die beiden rätselhaften Buchstaben „SG“ aus dem Albumtitel auch ein Hinweis auf das benutzte Instrument: Gibson SG. Im Waschzettel zum Album wird dazu eine falsche Fährte gelegt: Die beiden Buchstaben könnten für „Sentimental Guitar“, „Saudade Glamour“, oder „Soft Goth“ stehen, heißt es da. Peklers Kollege, der Chicagoer Gitarrist Sam Prekop hat ebenso rätselhafte Linernotes zum Album verfasst, sie muten an wie ein Gedicht, es endet mit diesen Zeilen: „Waking up, in these arms, where the rivers go, slow / One two three, one two three.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!