Nach Tod von Jugendlichem bei Dorffest: Selbstjustiz durch rechte Gruppen

Die extreme Rechte mobilisiert in Frankreich nach dem Tod eines 16-Jährigen. Der Innenminister will drei Gruppierungen verbieten.

„Ich werde nicht zulassen, dass eine Miliz anstelle der Staatsanwälte und der Polizei das Recht vertritt“, sagte der französische Innenminister Gerald Darmanin Foto: Raphael Lafrague/ABACA/imago

PARIS taz | Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin hat seine Gangart gegen rechtsextreme Gruppierungen verschärft. Am Dienstag kündigte Darmanin an, drei der Organisationen verbieten zu wollen, die am Wochenende Selbstjustiz für den Tod des 16-jährigen Thomas verüben wollten.

„Ich werde nicht zulassen, dass eine Miliz anstelle der Staatsanwälte und der Polizei das Recht vertritt“, sagte Darmanin im Radiosender France Inter. Er griff die Warnung des Kommunistenchefs Fabien Roussel vor einem Bürgerkrieg auf. „Es gibt unter den Ultrarechten eine Mobilisierung, die uns in den Bürgerkrieg stürzen will.“

Am Wochenende waren Hunderte Vermummte durch mehrere französische Städte gezogen. Sie skandierten Slogans wie „Gerechtigkeit für Thomas“, „Die Straße in Frankreich gehört uns“ und „Islam raus aus Europa“. In der südfranzösischen Kleinstadt Romans-sur-Isère wollten rund 80 militante Neonazis mit Gewalt in ein Sozialbauviertel vordringen, in dem mehrere Jugendliche wohnen, die für den Tod von Thomas verantwortlich sein sollen.

Der Schüler war Mitte November bei einem Gemeindefest in dem südfranzösischen Dorf Crépol erstochen worden. Gegen neun Verdächtige laufen Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Mordes.

Polizisten mit Eisenstangen angegriffen

Obwohl der Staatsanwalt vor vorschnellen Schlüssen warnte, machte die extreme Rechte die Jugendlichen in der Sozialbausiedlung, die oft aus Einwandererfamilien stammen, als Täter aus. Als sie am Samstag in Romans-sur-Isère einfielen, riefen sie offen zu Racheaktionen auf, wie Auswertungen ihrer Whatsapp-Nachrichten ergaben. „Sie sind gekommen, um zu töten“, sagte ein Einwohner der Zeitung Libération. Mindestens einer der Angreifer soll der rechtsextremen Division Martel angehören, die Darmanin nun verbieten will.

Im vergangenen Dezember waren deren Mitglieder an Angriffsplänen auf marokkanische Fans am Rande des WM-Spiels Frankreich – Marokko beteiligt gewesen. Sechs der Angreifer wurden am Montag in Schnellverfahren zu sechs bis zehn Monaten Haft verurteilt, unter anderem weil sie Polizisten mit Eisenstangen und Baseballschlägern verletzt hatten.

Das schnelle Durchgreifen der Polizei habe jüngst ein „Szenario wie in Irland“ verhindert, sagte Darmanin. In der irischen Hauptstadt Dublin war es vergangene Woche nach dem Messerangriff eines wohl algerischstämmigen Mannes auf Kinder zu schweren Ausschreitungen gekommen.

Der französische Geheimdienst warnte vor einer außergewöhnlich starken Mobilisierung der Rechtsextremen. Die Ultrarechte sehe im Tod von Thomas den Beginn eines „ethnischen Konflikts“, der unausweichlich sei, heißt es in einem Bericht, aus dem der Fernsehsender BFM zitierte. Neue Aufmärsche seien geplant, die sich mit noch mehr Gewalt gegen Eingewanderte oder die Polizei richten könnten.

Der Rechtsextremist Eric Zemmour, der selbst einen jüdisch-algerischen Migrationshintergrund hat, stachelte die aggressive Stimmung noch an, indem er die Namen der Jugendlichen, die nach dem tödlichen Überfall auf Thomas festgenommen worden waren, veröffentlichte. Der Ex-Präsidentschaftskandidat warnt schon seit Langem vor einem Bürgerkrieg zwischen Französinnen und Franzosen auf der einen und Eingewanderten auf der anderen Seite.

Darmanin kritisierte Zemmours Verhalten scharf. „Was mich interessiert, sind nicht die Vornamen von Personen, sondern ob sie ein Delikt begangen haben.“ Seit 2017 wurden laut dem Innenminister 13 Anschläge ultrarechter Gruppen vereitelt. Rund 3.300 Menschen gehören in Frankreich zur rechtsextremen Szene, rund 1.300 von ihnen werden als potenzielle Gefährder eingestuft.

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