piwik no script img

Filmemacher über 360°-VR-Film„Räumliche Erfahrung ermöglichen“

Daniel Kötters VR-Film „Water & Coltan“ beschäftigt sich mit den Folgen des Bergbaus im Ruhrgebiet und der Gewinnung von Coltan-Erz im Kongo.

Selbstreflexion: Das Coltan, das Menschen im Kongo abbauen, steckt auch in den VR-Brillen, mit denen man den Film sieht Foto: Daniel Kötter
Interview von Wilfried Hippen

taz: Herr Kötter, mit „Water & Coltan“ bringen Sie zwei Filme zusammen: In „Water“ erzählen Sie von den Spuren des Bergbaus im Ruhrgebiet. „Coltan“ haben Sie im Kongo gedreht, wo dieses Erz gewonnen wird, das für die Herstellung von Smartphones benötigt wird. Was hat Sie an diesen Themen interessiert?

Daniel Kötter: Für mich ist es immer spannend zu sehen, wo die Ausgangsorte von unseren Alltagstechnologien sind. Und unser Verhältnis zu den Orten, wo dieses Material gewonnen wird. Und an der Fallstudie Ruhrgebiet hat mich interessiert, dass wegen der Absenkung der Landschaft durch den Bergbau dort bis in alle Ewigkeit mehrere Hundert Pumpen Wasser abpumpen müssen, damit das Ruhrgebiet keine Seenplatte wird. Da versteht man, dass auch nach der Beendigung des Bergbaus in Deutschland eine Beschädigung der Landschaft besteht, die sie unbewohnbar machen kann, wenn etwa durch größere Katastrophen oder eine nicht mehr mögliche Finanzierbarkeit diese Pumpen abgestellt werden.

Warum gehören die beiden Filmteile zusammen?

Für ein Publikum in Mitteleuropa ist der Bergau etwas, das der Vergangenheit angehört. Doch wie man hier sehen kann, stimmt das weder für die Situation in Deutschland noch weltweit, denn es gab noch nie soviel Bergbau wie heute. Er ist nur in den sogenannten globalen Süden migriert, weil dort die Ausbeutungsverhältnisse der Landschaft und den Menschen gegenüber einfacher zu installieren sind. So zeigt sich, dass das, was vermeintlich nah ist, fremder erscheinen mag und das, was sehr weit zu sein scheint, sehr viel mit uns hier zu tun hat.

Termine in Hamburg

VR-Präsentation: Water & Coltan, 16. 12., 17.30 und 19.30 Uhr, 17. 12., 17.30 und 18.30 Uhr, sowie 21. 12., 20 und 21 Uhr, B-Movie, Hamburg. Reservierungen: www.b-movie.de

Warum haben Sie „Water & Coltan“ als 360°-VR-Film gedreht?

Es geht darum, dass dem Publikum selber auch eine räumliche Erfahrung ermöglicht wird. Das hat damit zu tun, dass ich mich in den meisten meiner Filme und Theaterprojekte mit Fragen des Raums beschäftige. Und genau das hat mich auch am Bergbau interessiert, weil er eine der größten Transformationen von Raum ist, die wir Menschen auf unserem Planeten herstellen.

Gibt es noch andere Gründe?

Ja. Ich habe seit 17 Jahren auf dem afrikanischen Kontinent gearbeitet und dabei immer vermieden, Elend zu filmen. Doch das war jetzt bei dieser Thematik nicht möglich. Deshalb wollten wir die Aufteilung zwischen vor und hinter der Kamera aufheben, was zu einem auch ethisch anderen Verhältnis zum Raum führt. Und zwar nicht nur im Moment der Aufnahme für uns als Team vor Ort, sondern auch für den Betrachter im Aufführungsraum. Und der letzte Aspekt ist die Selbstreflexion, weil Coltan nicht nur in Smartphones, sondern auch in den VR-Brillen eingebaut ist. So kann man den Menschen bei der Arbeit der Coltangewinnung zusehen, und dabei trägt man selber ein Stück Kongo direkt vor sich auf der Nase.

privat
Im Interview: Daniel Kötter

Jahrgang 1975, ist Theater-Regisseur und Filmemacher.

Im B-Movie können nur acht Zuschauer*in­nen pro Vorstellung den Film sehen. Viele können Sie so ja nicht erreichen.

Im Gegenteil: Dies ist einer von meinen Filmen, den am meisten Menschen gesehen haben. Natürlich erfordert die VR-Projektion ein anderes Equipment und Know-how als das Kino. Aber andererseits ist es auch eine sehr mobile Technik. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass wir durch den Kongo reisen konnten und den Film dort den Menschen ohne Zugang zu Produktionstechnik und Elektrizität zeigen konnten. Natürlich ist dies eine Technik, die andere Räume als einen Kinosaal erfordert. Aber umgekehrt kann man mit ihr auch Menschen erreichen, die nicht in ein Kino gehen würden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!