Fotografie und Ökologie: Der Stoffwechsel der Bilder
Die Ausstellung „Image Ecology“ im C/O Berlin zeigt Bilder der Klimakrise. Es geht auch um die ökologischen Auswirkungen fotografischer Verfahren.
Bilder machen ist ein hochtoxischer Prozess. In den Digitalkameras stecken seltene Erden, die oft unter extremer Ausbeutung lokaler Minenarbeiter*innen abgebaut und eher unvollkommen recycelt werden. Die analoge Fotografie ist da kaum besser. Im Zelluloidfilm steckt Salpeter, das bis zur Entwicklung der künstlichen Salpeterherstellung unter ebenfalls brutalen Bedingungen in der chilenischen Atacama-Wüste abgebaut wurde und dort ein bizarres Netzwerk verlassener Geisterstädte hinterlassen hat. Da Fotos auch gespeichert und verbreitet werden, kommt die Frage der Energiegewinnung ohnehin ins Spiel.
Mit diesen Themen beschäftigt sich auf sehr gründliche, teils verspielte, aber niemals in apokalyptische Besserwisserei abkippende Art und Weise die Ausstellung „Image Ecology“ im C/O Berlin. Der Grund dafür liegt auch an der Faszination von Kurator Boaz Levin für die Technologiegeschichte der Fotografie. Er lud Künstler*innen ein, die auch mit historischen Verfahren arbeiten, mit der Heliografie beispielsweise, die Bitumen als Träger benutzt, oder der Anthotypie, die auf der Basis des Chlorophylls von Pflanzen beruht. Vor allem aber liegt sein Augenmerk auf der Prozesshaftigkeit des Bildermachens.
„Es ist ein Stoffwechsel. Materialien werden in Verbindung miteinander gebracht und dieser Prozess dann mit dem Fixieren des Bildes abgebrochen“, erzählt er der taz. Und Ökologie sei als die Wissenschaft der Wechselbeziehungen zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt eben die Mutterdisziplin für Prozesse und Verbindungen, Abhängigkeiten und Transformationen, ergänzt er.
In diesem Sinne hat er einen faszinierenden Parcours aus Arbeiten angelegt, die die Stoffwechselhaftigkeit des Bildermachens oft noch in Beziehung setzen zu den Objekten und Szenen, die sie abbilden.
„Image Ecology“: C/O Berlin. Bis 18. Januar 2024
So baute sich etwa der US-Künstler Tristan Duke auf einer eigenen Eismeer-Expedition eine Linse aus Gletschereis, dank der er die Expedition selbst, deren dreimastiges Schiff sowie die Gletscher und Eisberge fotografierte.
Rohöl aus den Gruben als Material
Öl hingegen ist das Thema des in Berlin lebenden Schweizer Fotografen Julian Charrière. Er fertigte Luftbildaufnahmen eines historischen Ölfeldes bei Los Angeles an und entwickelte das Bild schließlich mit dem 1826 erstmals angewandten Verfahren der Heliografie. Dabei reagiert auf einer Zinnplatte aufgebrachtes Bitumen auf Licht. Das Rohöl für das Bitumen gewann er aus Ölgruben ebenfalls aus der Nähe von Los Angeles. Sein Bild wirkt beim ersten Anblick wie eine riesige Minenlandschaft mit Plateaus und Tälern, die in die Erde gefräst werden. Erst auf den zweiten Blick macht das Auge Details wie Fördertürme aus. Weil im Öl auch gut erhaltene Skelettteile von Mammuts gefunden wurden, webt sich die Perspektive des Aussterbens auch noch ins Bild ein.
Mit dem Motiv des Vergehens geht auch die französische Künstlerin Léa Habourdin um. Sie unternimmt das sehr spielerisch. Mehrere kleine Kästen sind zu Beginn der Ausstellung angeordnet. Man dürfe sie öffnen, steht darunter, wird aber auch gewarnt, dass bei jedem Öffnen die Fotografien verblassen. Habourdin operiert mit Pflanzensäften, die bei Lichteinfall auf Papier Detailaufnahmen von Bildern von Wäldern, die sie anfertigte, sichtbar machen. Bei weiterem Lichteinfall bleichen die Bilder aber aus. Blicke können töten, symbolisiert diese Arbeit.
Levin und Schönegg haben den Parcours in die vier Kapitel, Energie, Material, Arbeit und Abfall, aufgeteilt. Im Kapitel Arbeit überwältigt geradezu das Rechercheprojekt der britischen Künstlergruppe Traces of Nitrate über den Salpeter- und Kupferbergbau in Chile. Salpeter wird für Zelluloid, aber auch für Düngemittel und Sprengstoffe gebraucht. Dokumente aus dem historischen Bergbau und den Arbeits- und Lebensbedingungen in der Atacama-Wüste werden in Verbindung zu globalen Finanzströmen gebracht. Im Foto der Schäden eines IRA-Anschlags im Londoner Finanzdistrikt im Jahr 1993 mit einer Bombe aus Düngemitteln kommen die drei Hauptverwendungszwecke von Salpeter – Sprengstoff, Düngemittel, Zelluloid – auf sehr konzentrierte Art und Weise zusammen. Revital Cohen und Tuur van Baalen wiederum suchten eine Coltan-Mine in Kongo auf.
Insgesamt zwölf sehr unterschiedliche Positionen enthält die Gruppenausstellung. Sie verweist auf frühe Technologien der Bildherstellung und setzt sie in Verbindung mit der oft zerstörerischen Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt. Man lernt viel Neues und wird wieder einmal daran erinnert, die eigenen Prozesse und Beziehungen in Zukunft weniger toxisch zu gestalten.
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