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Industrie warnt vor AfDVerbotene Geliebte des Kapitals

Uli Hannemann
Kommentar von Uli Hannemann

Wenn’s dem Geschäft nützt, ist die Wirtschaft Fan der Demokratie: Der BDI-Präsident warnt vor der AfD. Hoffen wir, dass er es ernst meint.

Stillstand Foto: Zoonar/imago

D eutschland wacht auf, denn es könnte ihm an die Kohle gehen. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) hält das Erstarken der rechtsextremen AfD für „schädlich für die Wirtschaft und für Ansehen und Erfolg Deutschlands im globalen Kontext“.

Ach so, ja, scheiße, deshalb also. Kultur-, Freiheits- und Menschenfeinde fangen dann doch tatsächlich an zu nerven, sobald ausländische Fachkräfte, Investoren und Kunden von der drohenden Atmosphäre aus Gräue, Kälte und Hass nachhaltig abgeschreckt werden könnten. Auch Christian Kullmannn, Chef des Chemieunternehmens Evonik, sagt: „Die AfD schadet unserer Volkswirtschaft, unserer Gesellschaft, unserer Zukunft.“

Spekulativ ist hier die Frage, ob sich die Manager so äußern, weil sie abwägen, dass aufgrund globaler Verflechtungen der Schaden für die Wirtschaft größer wäre als der Nutzen, der sich aus neoliberaler Deregulierung und Schwächung der Gewerkschaften, für die die AfD steht, automatisch ergäbe. Aber Spekulatius passt ja gut in diese Jahreszeit, deshalb bleiben wir ruhig dabei: politische Vernunft, moralische Integrität, demokratisches Gewissen – oder nüchterne Berechnung?

Denn eigentlich müsste doch der deutschen Wirtschaft einer aus dem Fabrikschlot abgehen, angesichts so herrlicher Erlösungsversprechen frisch aus dem Mustopf rechter Wirtschaftspolitik: „Wettbewerbsfähigkeit“, „Leistungsgerechtigkeit“, „Entbürokratisierung“, „Verringerung der Steuerlast“ – diese Schlagworte sollten in den Ohren der Unternehmen doch klingen wie Weihnachtsglöckchen. Und Gewerkschaftsführer müssten ja nicht gleich ins Lager, womöglich findet sich für sie auch ein Job an der Pforte des Betriebs.

Deutsche Wirtschaft in der NS-Diktatur

Traditionell gilt die Wirtschaft als schmachtender Verehrer des Faschismus. Der Staat hat zwar die Kontrolle, doch achtet er in Wahrnehmung dieser Kontrolle auch darauf, dass es nicht allzu viele Hindernisse gibt. Und umgekehrt ist der Faschismus die heimliche, aufregende, verbotene Geliebte der Wirtschaft. Keiner darf von ihr wissen, doch es ist zu schwer, von ihr zu lassen.

Nicht umsonst war die deutsche Wirtschaft im Dritten Reich und schon in dessen Vorschatten ein Steigbügelhalter des Konjunkturankurblers auf Pump, Adolf Hitler. Damals allen voran die Rüstungsindustrie, doch im Fall der Russlandfreunde von der AfD fehlt der große äußere Feind zurzeit.

Dafür gibt es immerhin als inneren Feind neben den Migranten noch die, wie sie es sieht, Faulenzer in der sozialen Hängematte: die Arbeitslosen, die die Wirtschaft ebenfalls nicht so besonders mag.

Zwar wählten bei der Bundestagswahl 2021 noch siebzehn Prozent von ihnen die Blauen, aber sollten sie eines Tages doch noch mal die Muße finden, deren Parteiprogramm zu lesen, in dem sich Dinge wie verpflichtende „Bürgerarbeit“ nach sechs Monaten Grundsicherung finden, müsste sich der Zuspruch eigentlich verringern. Es sei denn, sie wären wie die allerdümmsten Kälber, die ihren Metzger selber wählen. Was im Land der Dichter und Denker zum Glück undenkbar ist.

Doch geben wir die Hoffnung auf die hehren Absichten zumindest mancher Wirtschaftsleute nicht auf. So spricht das „Handelsblatt“ auch ohne jeden Verweis auf Wirtschaftsinteressen von der „Gefährlichkeit dieser menschenverachtenden Truppe“.

Das liest sich überzeugender als der bloße Hinweis auf wirtschaftlichen Schaden. Doch selbst wenn man Neonazis nur aus unternehmerischen Erwägungen heraus bekämpfen sollte, ist vielleicht entscheidender, dass es überhaupt eine Art gemeinsamer Front gegen rechts gibt. Und darauf, was am Ende dabei herauskommt: „Cui bono“, zu Deutsch: „Hinten kackt die Ente.“

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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7 Kommentare

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  • Na dann, wenn Wirtschaftsvertreter sagen, die AfD sei schädlich für die deutsche Wirtschaft (weil sie ausländische Investoren abschrecke), muss ja was dran sein an der Behauptung.



    Dass die AfD an sich gefährlich für die Demokratie ist oder auch für die Sicherheit von Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, das kann ja nicht sein.

  • Es kann eben nicht jeder für alles zuständig sein. Die Wirtschaft sorgt sich um Ansehen, Erfolg und Zukunft, ist ja schon mal was. Es gibt natürlich auch noch andere Gründe gegen die AFD zu sein (Anstand und Würde zum Beispiel), die dürfen unsere Wirtschaftsführer auch gerne nennen, nur sind die entsprechenden Wähler ja eben für Scham schon längst erwiesenermaßen nicht mehr erreichbar. Für Angst, Zukunftsangst, hingehen wären sie das schon, nur sind sie leider schon so völlig besoffen von ihren Selbstermächtigungseuphorien und Notwehrphantasien, dass der Verstand auch nicht mehr zugänglich ist. Von daher ist vieles ein Muster ohne Wert, man muss allerdings sagen, dass die Wirtschaft arg spät dran ist. Man kann sich vielleicht ja noch mal klar machen, dass die AFD von Leuten wie Lucke (Wirtschaftsprofessor) und Henkel (ex BDI- Chef) gegen den Euro gegründet wurde. Damals hätte die Wirtschaft schon etwas sagen müssen. Trotzdem: die Wirtschaft hat mit Faschismus und Krieg schon lange nichts mehr am Hut. "Traditionell" erscheint mir viel mehr das Denken des Autors.

  • Der Wirtschaft in den USA, Ungarn oder in Polen hat es nicht geschadet, dass rechtsextreme Parteien in den Ländern regiert haben.

    Damit will ich die Gefahren durch die AfD nicht kleinreden, aber dass Wahlerfolge dieser Partei große negative Folgen für die Wirtschaft haben würde, halte ich für übertrieben.

  • "Traditionell gilt die Wirtschaft als schmachtender Verehrer des Faschismus."

    Ein selten beachteter Fakt u.a. über die Solar-, Windenergie- und Biobranche.

  • “ Deutschland wacht auf…”



    Wie bitte, wo denn?



    “… der Faschismus die heimliche, aufregende, verbotene Geliebte der Wirtschaft. Keiner darf von ihr wissen, doch es ist zu schwer, von ihr zu lassen.”



    Zwei gegensaätzliche Aussagen, die ‘Lust machen auf mehr’ , oder wie jetzt?

    Nur das Pariser Klimaabkommen 192 Staaten unterzeichnet haben, passiert auch nichts was bei weiterhin weltweit steigenden CO2-Emissionen tatsächlich von Bedeutung wäre. Oder übernimmt ein Herr Russwurm jetzt gar jetzt die ungenügende Arbeit der Bundesregierung, die Rechtsextreme einfach links liegen lässt? Wenn ein Kanzler schon nicht die Lippen auseinander bekommt, dann stattdessen ein Arbeitgeberpräsident? Das wirft ja geradezu ein zweifelsfreies Licht auf die Einflussverhältnisse:



    Hört hört also, der Arbeitgeberpräsident hat gesprochen!



    Und bloß keine Widerworte …

  • Komme von der Stelle im Text nicht los, dass die Wirtschaft schmachtender Verehrer des Faschismus ist, und umgekehrt der Faschismus die heimliche Geliebte der Wirtschaft ist. Was ist daran umgekehrt? Nehmen wir Müllermilch. Umschwärmt die AfD, also offen schmachtende Verehrung plus Treffen mit Alice Weidel, also nix heimlich. Eher ist die Verehrung wohl gegenseitig.

  • Im Notfall bittet Faeser halt wieder die Wirtschaftsvertreter zum Rapport. Gerne auch einzelne Verantwortliche wie Herrn Müller zur persönlichen Selbstkritik. Hier im Land tanzt keiner aus der Reihe. Hier ist jeder Angehöriger der wehrhaften Zivilgesellschaft. Ob er will oder nicht.