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Thailändische Hamas-Geiseln freigelassenAls Arbeitskräfte in Israel

Hamas hat in Gaza offenbar 12 Geiseln aus Thailand freigelassen. Warum wurden so viele thailändische Staatsbürger Opfer der Hamas-Angriffe in Israel?

Freude über die Freilassung der ersten Geiseln, die von der Hamas festgehalten wurden Foto: Ariel Schalit/ap/dpa

Berlin taz | Viele thailändische Staatsbürger befinden sich seit dem 7. Oktober unter den ausländischen Opfern der Hamas-Angriffe in Israel. Auch am Freitag, als die ersten Hamas-Geiseln im Rahmen der von Katar vermittelten Einigung zwischen Israel und der Hamas freigelassen wurden, wurden offenbar Medienberichten zufolge 12 Thais befreit. Dies bestätigte auch der Regierungschef von Thailand, Srettha Thavisin, in den sozialen Medien.

Unter den 240 Geiseln der Hamas sind Thais die größte ausländische Gruppe. Die Regierung in Bangkok nannte 25, die israelische Regierung ging gar von 54 entführten Thais aus. Um die Thai-Geiseln freizubekommen, reiste Bangkoks Außenminister in die Nahostregion, Premier Srettha telefonierte mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Viel hatte man sich erhofft in Bangkok von einer dreiköpfigen Delegation muslimischer Thai-Politiker, die am 26. Oktober in Teheran Hamas-Vertreter trafen. Das zweistündige Gespräch endete mit einem gemeinsamen Gebet. Doch gab es nur die vage Zusage, dass die Geiseln „zur richtigen Zeit“ freigelassen würden. Thailand musste darauf lange warten. Denn Medienberichten zufolge war die Befreiung der thailändischen Geiseln offenbar nicht Teil der wochenlang verhandelten Einigung mit Katar, USA, Ägypten und der Hamas, sondern von einem anderen bilateralen Deal.

Zum Zeitpunkt des Hamas-Überfalls lebten rund 30.000 thailändische Arbeitsmigranten in Israel. Sie sind überwiegend männlich und stammen meist aus Thailands armem Nordosten. Etwa 5.000 Thais arbeiteten in Gemüsefeldern und Obstgärten nahe dem Gazastreifen.

Einer war Settha Homesorn, der vor vier Jahren mit zwei Brüdern am Rande des Gazastreifens zu arbeiten begann. Er wurde am 7. Oktober von der Hamas entführt und später getötet, berichtete sein Bruder der Bangkok Post. Die Familie ließ einen israelischen Filmemacher, der sich nur als Jonatan vorstellte, am 10. November die Beerdigung in Setthas thailändischem Heimatdorf filmen.

Thailändische Arbeitskräfte in Israel seit der ersten Intifada

Nach der ersten Intifada (1987 bis 1993) wurden in Israel viele Arbeitskräfte aus den Palästinensergebieten durch ausländische Gastarbeiter ersetzt. Die meisten sind Buddhisten aus Thailand. In Israel ist ihr Lohn mindestens fünfmal höher als in der Heimat, selbst wenn sie öfter um den israelischen Mindestlohn geprellt werden.

Der 30-jährige israelische Filmemacher Jonatan, der Setthas Beerdigung Anfang November in Thailand filmte, hatte vor zwei Jahren in Israel begonnen, das Leben thailändischer Arbeitsmigranten zu dokumentieren. Der Protagonist seines Films war Settha. Das Skript sah vor, dass der 36-jährige Landarbeiter in der letzten Filmszene von einer aus dem Gazastreifen abgefeuerten Rakete der Hamas getötet würde. Denn im Jahr 2021 waren zwei thailändische Farmarbeiter durch eine Hamas-Rakete getötet worden.

Am 7. Oktober holte die Realität nicht nur Jonatans Filmskript ein, sondern übertraf noch die Brutalität der geplanten Inszenierung. Beim Überfall der Hamas auf israelische Orte nahe des Gazastreifens wurden 1.200 Menschen getötet, darunter 39 Thailänder.

Bangkok forderte Arbeitsmigranten auf, zurückzukehren

Doch nach dem 7. Oktober wollte die Regierung in Bangkok den Arbeitskräfteexport nach Israel am liebsten ungeschehen machen. „Bitte kehren Sie nach Hause zurück“, forderte Ministerpräsident Srettha seine Landsleute in Israel auf. Mit Sonderflügen holte die Regierung 8.500 Thais aus Israel zurück. Doch die Mehrheit der Thais wollte in Israel bleiben. Denn für die Vermittlung des Jobs in Israel hatten sich viele verschulden müssen. Zwar fördert Thailands Regierung, die sich im Nahostkonflikt für neutral erklärt und eine Zweistaatenlösung fordert, die Rückkehr eigener Staatsbürger aus Israel jetzt sogar mit einem Startgeld von umgerechnet 400 Euro. Doch bietet zur Empörung von Premier Srettha auch Israel bleibewilligen Thais Prämien und einen Gebührenerlass an.

Auch Setthas Brüder wollen nach seiner Beerdigung bald wieder nach Israel zurückkehren. Ihre Verdienstmöglichkeiten sind dort einfach besser als in Thailand.

Am Freitag freigelassen wurden letztlich zehn thailändische Geiseln, neun Männer und eine Frau, wie die Regierung in Bangkok am Samstag bestätigte. Damit würde die anfänglich genannte Zahl von zwölf korrigiert. Sie sollen nach 48 Stunden in einem israelischen Krankenhaus in ihre Heimat geflogen werden. Ihre Freilassung erfolgte offenbar unabhängig von den Verhandlungen um eine Feuerpause zwischen der Hamas und Israel. Das thailändische Außenministerium dankte den Regierungen Ägyptens, Irans, Israels, Malaysias, Katars und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz für ihre Hilfe. Nach Angaben aus Bangkok sind noch weiter 20 thailändische Geiseln in den Händen der Hamas.

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6 Kommentare

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  • "In Israel ist ihr Lohn mindestens fünfmal höher als in der Heimat, selbst wenn sie öfter um den israelischen Mindestlohn geprellt werden."

    Im Umkehrschluss heißt das aber auch, ohne Mindestlohn umso mehr, dass sie auch nicht zwingend mehr von der Arbeit in Israel haben als in Thailand, schon weil die Lebenshaltungskosten in Israel im OECD- Schnitt mit am höchsten sind. Das bedeutet des weiteren, da sie ihre Verwandten zu Hause nicht enttäuschen wollen/können u regelmäßig Geld nach Hause schicken, ihnen zum Leben in Israel nicht viel bleiben dürfte. könnte man ja mal genauer ermitteln. Im Gesundheitswesen Israels wiederum sind viele Krankenschwestern aus den Phillipinen und Nepal eingesetzt. Alle, Thais als auch Phillipinas und Nepalesinnen haben, auch wenn Sie dort viele Jahre verbringen selbstverständlich keine Aussicht eingebürgert zu werden, denn dazu muss man jüdisch sein. Kann man auch nicht werden, wie in Europa o Amerika, wenn man hebräisch lernt, sein Auskommen selbst bezahlt und die eigenen Kinder in Israel aufgewachsen u israelisch sozialisiert sind. Es ginge nur wenn man konvertiert - das ist die Konsequenz der israelischen Staatsdoktrin jüdisch u demokratisch zu sein.

    Das Problem ist ja, wie im Artikel beschrieben, erst entstanden, da man möglichst wenige Palästinenser bei sich haben will, aus Sicherheitsgründen, deren Zahl ist auch stark kontingentiert. Würde Israel seine Siedlungspolitik u seine Großisraelträume aufgeben u die 2Staatenlösung ermöglichen würden unter Umständen auch die Sicherheitsprobleme abnehmen u man könnte statt der Asiaten mehr Palästinenser anstellen, freilich auch nur als Billiglöhner, Kapitalismus halt, für die kein jüd. Israeli arbeiten würde. Wie in allen westl Ländern hat auch Israel Personalmangel (und wenn die Gastarbeiter kommen haben die Entsendegesellschaften oft einen). An der Geburtenrate liegt das im israel. Fall aber weniger. Und da die paläst. Wirtschaft auf Zone A ,B u Gaza beschränkt ist bleibt nur Gastarbeit.

  • Wer dort, und auch sonstwo in Asien und auf der Welt arbeitet, sind Thais aus Isaan, die auch in Thailand als 'Gastarbeiter' für die schweren und dreckigen Arbeiten unter unwürdigen Umständen beschäftigt werden, ob das nun der Eisenbahnbau oder die Landwirtschaft ist oder als Haussklaven, und von den 'weißen' Thais beschimpft und unterdrückt werden.



    Das scheint eben doch ein allgemein 'menschlicher' Zug zu sein: jedes Land, jede Region, jede Gegend...hat 'ihre' Bevölkerungsgruppen, die sie speziell ausbeutet und unterdrückt.



    Auch interessant: in der Mehrzahl handelt es sich um Muslime.



    Wie sagt doch der Italiener: Tutto mondo è paese, überall dasselbe.



    Es wäre an der Zeit, daran etwas zu ändern.

    • @Roman Herrle:

      Isan ist tatsächlich eine der ärmsten Gegenden in Thailand, dass sich von dort die meisten Menschen in die Arbeitsmigration aufmachen würde daher Sinn machen, wissen tue ich das allerdings nicht, woher haben sie die Information?

      Definitiv falsch ist die Aussage, dass Menschen aus Isan zum großen Teil Muslime seien. In dieser Provinz sind 99% der Leute Buddhisten. Größere Muslimische Gemeinschaften finden sich in Thailand nur im Süden und in Bangkok ( hier meist immigrierte Muslime). Allgemein sind in Thailand etwa 93 % buddhistischen Glaubens.

  • Angehörige der thailändischen Geiseln warten auf die Freilassung (Symbolbild).

  • Ja, die nichtjüdischen Opfer des Hamas-Attentats finden selten Erwähnung ...