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Novelle des Berliner PolizeigesetzesJuristischer Murks

Experten halten den Entwurf für das neue Polizeigesetz für unausgegoren und fehlerhaft. Die Grünen warnen bereits vor der Schwächung des Rechtsstaats.

Eins, zwei, Polizei: Der Einsatz von Bodycams soll massiv ausgeweitet werden Foto: Monika Skolimowska/dpa

Berlin taz | Fehlende Regelungen, unklare Formulierungen, „rechtlich mehr als fragliche“ Begründungen: Der Jurist Thomas Feltes lässt kaum ein gutes Haar an dem von Schwarz-Rot im Oktober vorgelegte Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog).

Am Montag wird sich der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses erstmals intensiv mit dem neuen Polizeigesetz befassen. Mehrere Ex­per­t:in­nen sind zu einer Anhörung geladen, darunter auch Feltes. Einen Vorgeschmack auf sein für CDU und SPD wenig schmeichelhaftes Urteil liefert der emeritierte Professor für Kriminologie und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum dabei in einer vorab verfassten Stellungnahme.

So schreibt Feltes über den im Asog neu vorgesehenen flächendeckenden Einsatz von Distanzelektroimpulsgeräten, besser bekannt als Elektroschocker oder Taser: Dass diese hier „teilweise als milderes Mittel gegenüber dem Schlagstock“ eingestuft werden, „kann nicht nur wissenschaftlich nicht belegt werden, sondern ist im Gegenteil wissenschaftlich widerlegt“.

In den USA etwa gehe man jährlich von mehr als 50 Todesfällen nach Taser-Einsätzen aus. „Taser können töten“, belehrt Feltes die In­nen­po­li­ti­ke­r:in­nen der Koalition über die Waffe, für deren großflächigen Einsatz sich Innensenatorin Iris Spranger (SPD) schon unter Rot-Grün-Rot ins Zeug geworfen hatte.

Bodycam-Einsatz in der Form verfassungswidrig

Der renommierte Jurist Thomas Feltes steht mit seiner Kritik an der Asog-Novelle keineswegs allein auf weiter Flur. Geradezu vernichtend ist in dieser Hinsicht aber das Urteil der Landesdatenschutzbeauftragten Meike Kamp. In ihrer Stellungnahme für die Anhörung im Parlamentsausschuss nimmt Kamp ausschließlich die Regelungen zum Einsatz von Bodycams auseinander – ebenfalls ein bereits älteres Lieblingsvorhaben von Senatorin Spranger. Das neunseitige Schreiben Kamps liegt der taz vor, zuerst hatte der Tagesspiegel berichtet.

Nicht zuletzt der vorgesehene „Einsatz von körpernah getragenen Kameras in Wohnungen“ durch Polizei, Feuerwehr und Ordnungsämter wäre demnach in der geplanten Form „verfassungswidrig“. Berlins oberste Datenschützerin kritisiert in diesem Zusammenhang vor allem, dass hierfür kein richterlicher Beschluss vorgesehen ist, weder im Vorfeld der Maßnahme noch im Anschluss. In der Gesetzesbegründung nennt Schwarz-Rot den sogenannten Rich­te­r:in­nen­vor­be­halt kurzerhand „entbehrlich“.

Ein Unding, urteilt nicht nur Meike Kamp mit Verweis auf die im Grundgesetz verankerten Bestimmungen zur Unverletzlichkeit der Wohnung. Auch die Berliner Grünen zeigen sich fassungslos über den Entwurf, den CDU und SPD vorgelegt haben. „Die Neufassung des Asog zeugt in der aktuellen Form von einem erschreckend laxen Umgang mit verfassungsrechtlichen Fragen“, sagt Grünen-Landeschef Philmon Ghirmai zur taz.

Im besten Fall ließe sich sagen, dass der Gesetzentwurf „handwerklich nur schlecht gemacht“ ist. Das mache es aber nicht weniger besorgniserregend. Ghirmai sagt: „CDU und SPD sind offenbar bereit dazu, Grundrechte und Gewaltenteilung mit einem Federstrich abzuräumen.“ Auch der Grünen-Chef kritisiert unter anderem den fehlenden Rich­te­r:in­nen­vor­be­halt.

Exekutive soll Aufgaben der Judikative übernehmen

Dazu gehört in dem Fall auch, dass nach dem Willen von Schwarz-Rot nicht Richter:innen, sondern die Datenschutzbeauftragten der Polizei, Feuerwehr oder Bezirksämter vor einer weiteren Nutzung der Bodycam-Aufnahmen sicherstellen sollen, dass die Daten nicht „dem Kernbereich privater Lebensgestaltung“ zuzurechnen sind. Abgesehen davon, dass Datenschutzbeauftragte eine richterliche Überprüfung nicht ersetzen könnten, übernähmen Mitglieder der Exekutive jetzt auch noch Aufgaben der Judikative. Der Grünen-Politiker sieht hierin eine klare Schwächung des Rechtsstaats.

Damit nicht genug, lasse die Asog-Novelle „jegliches Gespür vermissen für die praktischen Folgen im Alltag der Beamt:innen“. Das zeige sich bei den etlichen offenen Fragen zur Nutzung der Bodycams, noch deutlicher aber bei den Regelungen zum Einsatz von Tasern.

Tatsächlich legt der Gesetzentwurf von CDU und SPD fest, dass Taser nicht angewendet werden dürfen „gegen Personen, die dem äußeren Eindruck nach noch nicht 14 Jahre alt sind, erkennbar Schwangere und Personen mit bekannten oder dem äußeren Anschein nach vorhandenen Vorerkrankungen des Herzkreislaufsystems“.

Dem äußeren Eindruck, dem äußeren Anschein nach: Solche weichgespülten Formulierungen führten auch für Po­li­zis­t:in­nen „zu maximaler Rechtsunsicherheit“, sagt Philmon Ghirmai: „Ausbaden müssen es dann die Beamt:innen.“

SPD will sich Rich­te­r:in­nen­vor­be­halt nicht verschließen

Jetzt mal halblang, heißt es hierzu aus der SPD. „Wir haben damit die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Blick, um Berlin lebenswerter und sicherer zu machen“, sagt Jan Lehmann, der Sprecher für Datenschutz der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zur taz.

Insgesamt seien die Stellungnahmen von Thomas Feltes und Meike Kamp „äußerst hilfreich“. Man nehme alle Hinweise „gern auf“ und werde sich mit den Argumenten selbstverständlich auseinandersetzen. Schließlich, so Lehmann, befinde sich die Asog-Novelle aktuell im parlamentarischen Beratungsverfahren und sei mithin in der Form auch längst noch nicht beschlossen. Er jedenfalls würde sich beispielsweise in seinem Bereich Datenschutz dem Rich­te­r:in­nen­vor­be­halt „nicht verschließen“.

Dem Landesvorsitzenden der Grünen ist das zu wenig. Zumal das Ende der Fahnenstange nach Ansicht von Philmon Ghirmai nicht erreicht sei. In einer bereits angekündigten weiteren Überarbeitung des Polizei- und Ordnungsgesetzes will Schwarz-Rot unter anderem Verschärfungen beim Thema anlasslose Polizeikontrollen, bei Video- und Telekommunikationsüberwachung angehen.

Ghirmai befürchtet, dass es dann im Hinblick auf den Schutz der Freiheits- und Bür­ge­r:in­nen­rech­te noch dicker kommt: „Der Koalition fehlt hier Maß und Mitte.“

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