Grünen-Chef zur Koalitionen: „Unzufriedenheit mit der Politik“

Grünen-Chef Ghirmai präferiert ein rot-grün-rotes Bündnis. Allerdings müsse auch geklärt werden, was dabei diesmal anders laufen muss

Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch bekommt Blumen überreicht

„Wir haben uns extrem gut behauptet“: Philmon Ghirmai (l.) gratuliert Bettina Jarasch Foto: dpa

taz: Herr Ghirmai, hatten Sie eine lange Sonntagnacht?

Philmon Ghirmai: Ja. Es war früh absehbar, dass es bis zum Schluss eng bleiben wird. Und klar haben wir uns gefreut: Wir haben uns stabilisiert auf unserem Rekordniveau aus dem Jahr 2021.

Am Ende lagen die Grünen wieder hinter der SPD – um 105 Stimmen. Das ist ja schon fast eine Art Fluch.

Es zeigt einfach, in einer Demokratie zählt am Ende jede Stimme.

Ist die Stimmung bei den Grünen eher so, dass man sagt: Wir sind genauso gut wie die SPD. Oder überwiegt der Ärger, dass es erneut nicht geklappt hat, stärkste Kraft im linken Lager zu werden?

Wir haben uns in einem schwierigen Wahlkampf extrem gut behauptet. Das war keine Selbstverständlichkeit, schließlich sind wir mit klaren Veränderungsbotschaften, etwa in punkto Klimaschutz oder Mieter*innenschutz, in diese Wahl gegangen und hatten hierfür von vielen Seiten enormen Gegenwind erhalten. Daher freuen wir uns über so viel Zuspruch, Berlin klimaneutral umzubauen.

ist seit Ende 2021 einer der beiden Berliner Landesvorsitzenden der Grünen. Zuvor war er Vorstandssprecher der Grünen in Neukölln.

Überlegen die Grünen angesichts des geringen Abstands, ob sie doch noch einen Führungsanspruch anmelden bei den Gesprächen über Rot-Grün-Rot? Schließlich hat die SPD viele Stimmen verloren.

Es wird bei diesen Gesprächen auch darum gehen, was anders werden muss in einem rot-grün-roten Bündnis. Denn klar geworden ist am Sonntag, dass es insgesamt eine Unzufriedenheit gibt mit der Berliner Politik. Die kommende Regierung muss das Gemeinsame und nicht das Trennende in den Vordergrund rücken. Und ja: Es ist ein hauchdünnes Ergebnis, das ändert aber nichts daran, dass die SPD knapp ein paar Stimmen mehr hat.

Muss noch mal nachgezählt werden?

„Wir haben nie ein Geheimnis aus unserer Präferenz gemacht – und dazu stehen wir auch nach der Wahl.“

Wir haben großes Vertrauen in den Landeswahlleiter und sind ihm und den Wahl­hel­fe­r*in­nen sehr dankbar für die reibungsarme Wahl. Am Ende wird ein amtliches Endergebnis stehen, das dann gültig sein wird.

Jetzt will aber erst mal die CDU mit allen reden. Wie gehen die Grünen in dieses Gespräch?

Zunächst mal gratulieren wir der CDU für ihr Ergebnis. Zugleich haben wir nie ein Geheimnis aus unserer Präferenz gemacht – und dazu stehen wir auch nach der Wahl.

Das heißt?

Ein progressives Bündnis, in dem die entscheidenden Fragen, die uns als Metropole betreffen, behandelt und vorangetrieben werden können: Soziale Fragen, wie die nach einer bezahlbaren Stadt und dem Schutz der Mieter*innen. Uns geht es natürlich zentral auch darum, Berlin klimaneutral umzubauen. Darüber werden wir in Sondierungen sprechen.

Die CDU reklamiert einen Wählerauftrag für sich, jetzt den Regierenden zu stellen. Wie sehen die Grünen das?

Einen Regierungsauftrag hat, wer sich im Parlament auf eine Mehrheit stützen kann. Und das muss ein stabiles, verlässliches Bündnis sein. Diese Aufgabe stellt sich jetzt allen Parteien, die die Möglichkeit haben, ein solches Bündnis zu schmieden. Das gilt für die CDU, aber eben nicht nur.

Im Vorfeld der Wahl hatten sowohl CDU wie Grüne eine Zusammenarbeit eigentlich ausgeschlossen. Ist das schon passé?

Unter De­mo­kra­t*in­nen gehört es sich, miteinander zu sprechen. Das werden wir selbstverständlich auch mit der CDU tun. Das ändert nichts an unserer Präferenz für ein progressives Bündnis.

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