Zensur wegen BDS-Nähe: Verbote sind hier fehl am Platz

Die Berliner Kulturverwaltung überlegt, einem Veranstalter die Förderung zu entziehen, weil er der „Jüdischen Stimme“ Raum gibt – eine schlechte Idee.

Demonstranten auf Pro-Palästina-Demo mit SChildern

Der „From the river…“-Spruch in abgewandelter Form auf der Pali-Demo am 4. November in Berlin Foto: dpa

Demokratie ist kompliziert, keine Frage. Man kann missliebige Meinungen nicht einfach verbieten, weil sie einem nicht gefallen. Den berühmten Andersdenkenden einen Platz im öffentlichen Raum zu verwehren geht nur in absoluten Ausnahmefällen, etwa wenn sie die Demokratie abschaffen wollen.

Weil das so ist, und weil es gut so ist, ist es falsch und gefährlich, wenn die Kulturverwaltung einem von ihr geförderten Veranstaltungsort mit Geldentzug droht, weil der eine Veranstaltung der „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ gehostet hat. Man muss nicht der Meinung sein, dass die „Jüdische Stimme“ recht hat mit ihrer Meinung, Israel sei ein Apartheidstaat.

Und man muss auch nicht gutheißen, was bei der Veranstaltung am Samstag im Oyoun in Neukölln so alles gesagt wurde. So ist die Autorin dieses Kommentars absolut nicht einverstanden mit der Darstellung des Hamas-Terrors vom 7. Oktober als „Angriff“ von „Milizen“, was eine ungeheuerliche Verharmlosung dieser staatlich organisierten Gräuel ist.

Aber die Meinungen aus dieser Gruppe und ihrem Umfeld sind meilenweit davon entfernt, gegen das Grundgesetz zu verstoßen und verbotswürdig zu sein. Auch die BDS-Kampagne, die die Kulturverwaltung als Argument ins Feld führt, ist nicht verboten. Es gibt gute Gründe, sie antisemitisch zu nennen und zu kritisieren, aber die Tatsache, dass einzelne Mitglieder der Jüdischen Stimme die Kampagne unterstützen, ist kein Grund, ihre Veranstaltungen zu verhindern.

Verbots-Furor schadet der Demokratie

Wo kommen wir also hin, wenn die Verwaltung anfängt, politisch missliebige Veranstaltungen zensieren zu wollen? Die Absurdität des Versuchs wird offenkundig, wo sogar Veranstaltungen, die die Linke Neukölln mitorganisiert, ins Visier der – seinerzeit selbst links geführten – Kulturverwaltung geraten. Will man damit sagen, dass die Linke Neukölln Positionen vertritt, die den demokratischen Rahmen sprengen?

In diesen Zeiten des Krieges und Hasses beklagen viele Menschen zu Recht, dass es kaum noch Raum gibt für Offenheit und gegenseitiges Zuhören. Natürlich muss man hart gegen Antisemitismus vorgehen, solche Taten bestrafen und jüdische Einrichtungen schützen. Aber der Furor, mit dem derzeit alles verboten wird – oder man versucht zu verbieten –, was möglicherweise antisemitisch sein könnte, ist der Sache der Demokratie nicht dienlich. Auch die palästinensische Seite braucht einen Raum für ihre Trauer, Wut und Sicht. Solange sie nicht das Kalifat ausrufen will, sollte sie den bekommen. Auch sie gehört zu uns.

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Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Antirassismus.

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