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Heizen mit dem KaminofenDas Geheimnis der Raute

Immer mehr Menschen heizen in Berlin mit Holz. Damit sie es halbwegs umwelt- und gesundheitsverträglich tun, gibt es für sie den „Ofenführerschein“.

Nicht einfach reinwerfen: Beim Heizen mit Holz gibt's ein paar Regeln Foto: IMAGO / photothek

Berlin taz | Fühlen Sie sich manchmal wie eine olle Kieler Sprotte? Das könnte an den Heizgewohnheiten im Haus nebenan liegen: Wenn da einer der rund 115.000 privaten Berliner Kaminöfen vor sich hinschmurgelt, führt das unweigerlich zu unerwünschten Gerüchen. Mittlerweile hat auch die Senatsumweltverwaltung das Problem erkannt und mit einer Kampagne darauf reagiert, die rücksichtslosen HeizerInnen ins Gewissen redet: „Dein Nachbar ist kein Räucherfisch“, heißt es da in Rot auf knallgelben Postern, oder „Holz ist ein Genussmittel. Bitte achtsam verfeuern“ oder „Nicht lang fackeln: Ofenspezialist werden!“

Letzteres macht man heute natürlich ganz bequem vom heimischen Rechner aus: Auf der privaten Plattform Ofenakademie.de können Interessierte per Videoschulung und Abschlusstest einen sogenannten Ofenführerschein ablegen, die Senatsverwaltung übernimmt dabei für die ersten 5.000 TeilnehmerInnen im Rahmen der Kampagne die Kosten von 39 Euro. Wer sich zwei Stunden Zeit nimmt, erfährt von einem sympathischen Team in schwarzen Polohemden – dem Max, dem Ingo, dem Robert, dem Holger und dem Hendrik –, wie das modische Holzverbrennen schadstoffarm und geldbeutelschonend klappt.

Der Hintergrund ist dabei gar nicht mal so witzig: Deutschlandweit gibt es schon mehr als elf Millionen Holzöfen, denn Gas und Öl sind teuer, mit der Wärmepumpe fremdeln noch viele, und cosy ist so ein flackerndes Feuerchen natürlich allemal. Das ist aber nicht nur klimatechnisch fragwürdig, weil so viel Holz gar nicht nachhaltig nachwächst, es belastet auch die Gesundheit aller mit unguten Feinstaubpartikeln. Vor allem, wenn der Ofen alt ist und die Heizexpertise dünn.

Das Umweltbundesamt warnt vor dieser Gefahr schon seit Jahren, denn die Öfen erzeugen in Deutschland heute mehr Feinstaub als die bundesweite Kraftfahrzeugflotte. Übrigens müssen Geräte, die vor 2010 hergestellt wurden, ab dem 31. Dezember 2024 die Schadstoffgrenzen des Bundesimmissionschutzgesetzes einhalten – was oft eine Nachrüstung, im Einzelfall auch die Verschrottung unumgänglich macht.

Freundlich und unaufgeregt erklären einem der Max und seine Kollegen, wie das richtig geht mit der Heizerei, vom Lesen des Typenschilds über die korrekte Wahl und Lagerung des Holzes sowie die Tricks beim Anzünden und Nachlegen der Scheite bis zur korrekten Reinigung und Wartung des schwarzen Kastens, der so viele Wohnzimmer ziert.

Besonders schön: Wer gut aufpasst, kann am Ende nicht nur seinen Partikelausstoß um die Hälfte reduzieren und nach Beantwortung eines Multiple-Choice-Fragebogens den rot-gelben Ofenführerschein herunterladen, sondern auch den Freundes- und Kolleginnenkreis mit Fachvokabular beeindrucken.

Glutstock im Aschebett

Aufgeklärt Feuernde können dann nämlich Heiz- und Nennwärmeleistung unterscheiden, sie wissen, wie das perfekte Anzündmodul aussieht, dass der Glutstock gerne in einem bequemen Aschebett sitzt und dass das Flammbild im Hauptabbrand schöner wird, wenn sie rechtzeitig den Primärluftregler drosseln. Aber natürlich auch, was zu beachten ist, wenn der Schornsteinfeger zweimal in sieben Jahren zur Feuerstättenschau an der Tür klingelt.

Und noch etwas: Die Merkel’sche Raute, jene unverwechselbare Geste, über die schon so viel gemutmaßt wurde, bekommt für OfenführerscheinbesitzerInnen eine ganz neue Bedeutung: Ähnlich wie beim Abmessen der richtigen Spaghettimenge mit Daumen und Zeigefinger weist die mit beiden Händen geformte Lücke auf den perfekten Scheitumfang hin. Na dann, Feuer frei!

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, „Geräte, die vor 2010 hergestellt wurden, ab dem 1. Januar 2024 Schadstoffgrenzen des Bundesimmissionschutzgesetzes einhalten“. Das stimmt nicht, die Übergangsfrist endet am 31. Dezember 2024. Wir haben die Stelle korrigiert.

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6 Kommentare

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  • Hart womit manche Leute Geld verdienen können. Es gibt genug öffentliche, vertrauenswürdige Seiten im Internet auf denen sich jeder Ofenbesitzer kostenlos informieren kann. Das der Senat das Seminar fördert ist starker Tobak und riecht nicht nur nach guten Holzbrand, sondern auch nach Steuerverschwendung und vieleicht gar Vetternwirtschaft.



    Ebenfalls überflüssig und annähernd übergriffig ist die erwähnte verpflichtende Ofenschau 2*in 7 jahren vom Schornsteinfeger die dem Ofenbesitzer jedes Mal 100 takken kostet. Das ist ja ergänzend zur halbwegs sinnvollen kehrpficht die ~60€/a kostet.



    Ein Ofen als Backup ist zwar co2 technisch schlecht, kann den Besitzer allerdings ein kleines Gefühl von Sicherheit geben.



    Inwiefern Die 11 Mio Feuerstellen nicht nachhaltig mit Holz versorgt werden können erschließt sich mir nicht , es ist ja eher eine Frage wieviel Holz die Besitzer darin verbrennen. Die Öfen sind ja in den wenigsten Fällen die Hauptheizung.



    Wovon sich die Ofenbesitzer allerdings verabschieden sollten, ist die Vorstellung das sie mit ihrem Ofen der Umwelt und dem Klimaschutz etwas Gutes tun.

  • Irre! Das ist doch Aufgabe der Ofenhersteller! Der Artikel eine Werbung für die Veranstaltung. Ich hatte eine Anleitung erwartet.

  • Den falschen Mythos mit der Merkelschen Raute muss man endlich einmal aufräumen!



    Eine Raute ist ein Viereck mit 4 gleich langen Seiten. Auf vielen Bildern ist zu sehen, dass auch bei der alles aussitzenen Merkel der Daumen kürzer ist als der Zeigefinger. Zudem ist der Zeigefinger höher angesetzt. So ist es bei fast allen Menschen. Die Geste ergibt gibt also nur ein Viereck mit je zwei gegenüberliegenden gleich langen Seiten.

    So eine Figur hat auch einen Namen in der Geometrie: Es ist ein DRACHEN. Der ist korrekt und passt viel, viel besser!

  • Den Kaminschein hat mein Enkel schon mit 6 Jahren bei mir machen müssen

  • Rd. 200.000 € werden rausgefeuert für Videoinhalte. Wahrscheinlich hätte man es für Hälfte selber erstellen können und dann allen dauerhaft zur Verfügung stellen können, wenn es so ein wichtiges Thema ist, anstatt nur für 5.000 Ofennutzer. Das Geld kommt dann wahrscheinlich aus dem Klima-Sondervermögen. Langsam kann man nur noch den Kopf schütteln, wofür Geld da ist, obwohl die Kassen leer sind.

    • @unbedeutend:

      Wahrscheinlich sitzt der Onkel der Produzenten in der Verwaltung. Anders kann ich mir diese "Konstruktion" auch nicht vorstellen ...