Antikapitalistische Komödie „Dumb Money“: Millionen auf dem Papier
Die Komödie „Dumb Money“ erzählt vom Börsenwirbel um die GameStop-Aktie. Und vom Gebaren rund ums große Geldverdienen.
Das Genre ist amerikanischer als der Western, hat aber rätselhafterweise nie einen zündenden Namen bekommen: Filme über das große Geldverdienen. Der bekannteste ist wohl nach wie vor Oliver Stones „Wall Street“ von 1987, in dem Michael Douglas sein emblematisches „Greed Is Good“ in die Kamera hisst.
„The Wolf of Wall Street“ mit Leonardo DiCaprio löste 2013 nur wenig Begeisterung aus, gilt heute aber als eines der Meisterwerke von Martin Scorsese. Adam McKays „The Big Short“ dagegen war einer der großen Filme der „Awards Season“ 2015/2016 und hat sich allein durch Margot Robbie, die im Schaumbad das Buzzword der 2008-Finanzkrise „credit default swap“ erklärt“, fest im kulturellen Gedächtnis eingebrannt.
Aus McKays Film heraus – der ebenso wie Craig Gillespies „Dumb Money“ die Verfilmung einer Sachbuch-Recherche ist – lässt sich auch am besten erklären, um welches Geldverdienen es in diesem namenlosen Genre geht: nicht um Einbruch, nicht um Trickbetrug oder Unternehmensgründung (alles Tätigkeiten mit eigenen Subgenres), sondern ums Börsengeschäft.
Offizielle Definitionen sprechen gerne von einem „Markt, auf dem für Wertpapiere beziehungsweise Waren nach Angebot und Nachfrage Preise gebildet werden“. Adam McKay benutzt dagegen in seinem Film mehrfach die Roulette- und Kasino-Metapher.
„Dumb Money – Schnelles Geld“. Regie: Craig Gillespie. Mit Paul Dano, Pete Davidson u.a. USA 2023, 105 Min.
Das Besondere von „The Big Short“ war, dass es um Börsianer und Fondsmanager ging, die gerade nicht aufs Gewinnen gesetzt hatten, sondern auf den Verlust und damit einen Riesenreibach machten. Sie waren die Helden, weil sie die Spekulationsblase im Immobilenkreditgeschäft durchschaut hatten. In „Dumb Money“, in dessen Zentrum die Geschichte rund um Aufstieg und Fall der GameStop-Aktie steht, sind diese Art Leerverkäufer nun wieder die klaren Antihelden.
Vermögen von 16 Milliarden Dollar
Im Intro werden sie vorgestellt: Hedgefondsmanager wie Gabe Plotkin (Seth Rogen), Steve Cohen (Vincent D’Onofrio) oder Ken Griffin (Nick Offerman), alle mit ihren geschätzten Vermögen zwischen 500 Millionen und 16 Milliarden Dollar. Eine Kette von Telefongesprächen verbindet diese Figuren, die im Januar 2021 bei ihren typischen Reichen-Tätigkeiten gezeigt werden wie das Sich-massieren-Lassen oder dem Streiten mit Immobilienagenten: „Ich will die Villa doch nur kaufen, um sie abzureißen, damit ich einen Tennisplatz bauen kann!“
In die Idylle dieser von Covid maximal unberührten „One-Percenter“ bricht die Nachricht vom steigenden Kurs einer als wertlos geltenden Aktie ein: die der Videospielladenkette GameStop. Das aber bringt besonders Plotkin ins Schwitzen, denn sein Melvin Capital Hedgefonds hat schwer in Leerverkäufe dieser Aktie investiert.
Nach Plotkin und Konsorten stellt der Film seine wahren Helden vor: die Kleinanleger. Typen wie der GameStop-Ladenangestellte Marcus, dessen Nettovermögen sich auf 136 Dollar beläuft, oder die Krankenschwester Jenny (America Ferrera), deren Konto ein Minus von 45.644 Dollar ausweist. Oder die Studentinnen Riri (Myhal’a Herrold) und Harmony (Talia Ryder), deren Studiengebühren sie mit 145.000 oder gar 185.000 Dollar Schulden dastehen lassen. Sie alle werden gezeigt, wie sie sich von Youtube-Videos eines Typen inspirieren lassen, der sich „Roaring Kitty“ nennt und „an die GameStop-Aktie glaubt“.
Spott und markante Dialoge
Bei dem Mann, der im Katzen-T-Shirt und rotem Stirnband im Keller seines Hauses in einer Kleinstadt in Massachusetts mit Bier in der Hand auf Sendung geht, handelt es sich um Keith Gill (Paul Dano). Der junge Familienvater erläutert seinen Followern, warum er sein Erspartes von 53.000 Dollar in GameStop-Aktien investiert, und Jenny, Marcus und all die anderen schauen ihm auf ihren Handys zu und drücken „Buy“. Denn als weiteres nicht unerhebliches Element der Geschichte kommt die Handy-App „Robinhood“ (und deren leicht schmierig dargestellte Gründer) hinzu, die das Handeln an der Börse zum angeblich kostenlosen Kinderspiel macht.
Trotz all der mühseligen Finanzdetails schlägt Gillespies Film mit markant-scharfzüngigen Dialogen und Spott gegenüber dem Börsengebaren inmitten des Coronawinters von 2020/2021 einen lockeren Ton an. Im engeren Familiendrama um Keith Gill, dessen Tunichtgut-Bruder vom genialen „Saturday Night Life“-Comedian Pete Davidson gespielt wird, gelingen ihm zwischendurch auch Momente der echten Rührung. Der Film hält sich erstaunlich genau an die Fakten, obwohl die Geschichte etwas komplizierter sein mag, als am Ende suggeriert wird, wenn zum trommelnden Beat von Seven Nation Army die Macht der Kleinanleger beschworen wird, die von den Hedgefonds dieser Welt nicht mehr länger ignoriert werden könne.
Der Ablauf selbst ist widersprüchlicher. Oh ja, die Leerverkäufer bekamen es ganz schön mit der Angst zu tun, als sie sich von „Yolo Kidz“ auf Reddit in einen „Short Squeeze“ getrieben sahen. America Ferrera als Jenny erzählt stellvertretend für all die anderen, dass sie eben nicht nur wegen des Geldverdienens in GameStop investiert, sondern um es „denen“ zu zeigen. „Die“ – „Die? Hörst du, was du da sagst?“, fragt ihr Krankenhauskollege an einer Stelle spitz –, das sind die Banken und Wall-Street-Haie, die ihre Verluste vom Steuerzahler ausgeglichen bekommen und am Ruin von Unternehmen und der der Entlassung von Arbeitern auch noch Geld verdienen.
Am längeren Hebel sitzen
Dieses eine Mal sollen sie nicht am längeren Hebel sitzen, wenn es nach Jenny geht. Sie „hält“ ihr Depot – und steht zwischendurch mit einer halben Million Überschuss da. Der Anreiz zum Verkaufen wird immer stärker. Keith Gill wird mit über 80 Millionen im Depot zum echten Mogul. Aber eben nur auf dem Papier.
Dass der Film bei alldem lebendig bleibt, verdankt er seiner prominenten Besetzung mit Schauspielern, denen es gelingt, ihren als Klischees angelegten Figuren immer gerade genug Herz zu verleihen, um sie nicht ganz zur Karikatur werden zu lassen. Womit „Dumb Money“ aber wirklich besticht, ist weniger die Faktentreue, als dass er ähnlich wie „Wall Street“ vor allem ein bestimmtes Gebaren porträtiert, eine besondere Sprache und die Kultur dazu: das Redditforum „Wallstreetbets“ etwa, auf dem sich die GameStop-Freunde finden und auf dem geflucht wird wie zuletzt in den Seemannstavernen des 19. Jahrhunderts.
Die „Roaring Kitty“-Videos von Keith Gill mit ihrer seltsamen Mischung aus Kätzchen und Kralle. Und die in Montage-Sequenzen wiedergegebenen Social-Media-Basteleien mit ihren Gifs und Kurzfilmformaten, in denen die Brustschlag-, Macho- und Brüllszenen aus Filmen wie „King Kong“, „Braveheart“ oder „Planet der Affen“ immer wieder neu zusammengeschnitten werden, um all den intensiven Gefühlen Ausdruck zu verleihen, die mit Geld und dem Geldverdienen eben so verbunden sind.
Ganz nebenbei funktioniert „Dumb Money“ auch noch als eine der bislang besten Schilderungen der Corona-Epoche als solche. Man achte nur darauf, wer hier in welchen Szenen Maske trägt, soll heißen: tragen muss. Spoiler-Alert: Es sind nicht die von Nick Offerman oder Seth Rogen verkörperten Hedgefondsmanager. Allein darin zeichnet der Film ein erschreckend präzises Soziogramm davon nach, wer von Lockdown und Covid am stärksten betroffen war und wie sich die gesellschaftliche Ungleichheit währenddessen auf direkte Weise in die Gesichter schrieb.
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