Servierroboter in Japan: Maschinelles Futtern, Pieps
In Japan gehören Servierroboter bei vielen Restaurants dazu. Das ist in Zeiten des Fachkräftemangels praktisch – und gleichzeitig Entertainment.
Oh, nein!“, tönt es vom Tisch gegenüber. Eltern springen auf, holen Lappen und Papiertücher, um den Tisch wieder zu trocken. Die drei Kinder, die eben noch herumtobten, erstarren. Wasser tropft auf den Boden. Eine Kellnerin kommt mit einem Wischmopp. Die Eltern nicken dankend, während die Kinder aus Angst vor Ärger regungslos auf ihren Plätzen bleiben. „Keine Ursache“, antwortet die Mitarbeiterin, als sie sich wieder entfernt.
Noch wischen in japanischen Restaurants Menschen den Boden auf. Aber auch das dürfte sich bald ändern. Denn in vielen Gaststätten unterstützen Roboter schon das Personal bei der Versorgung der Gäste.
Die Maschinen reichen Erwachsenen bis zur Brust. Auf ihrem „Kopf“ befindet sich ein Gesicht, häufig in Gestalt einer Katze, manchmal besteht es aber auch nur aus zwei blauen Augen. Die „Beine“ erinnern an Staubsaugerroboter, der „Körper“ ist gebaut wie ein Tablettwagen mit dem Unterschied, dass die Roboter Essen bringen und nicht Geschirr abräumen. Arme gibt es nicht, jedenfalls noch nicht.
Zielstrebig und mit immer der gleichen Melodie rollt der Roboter unentwegt durch die Gänge, auf dem Rücken leuchtet die angestrebte Tischnummer. Am Ziel bleibt er stehen, richtet den „Blick“ auf den Tisch und bittet die Gäste, ihm die Gerichte abzunehmen und dann den „Essen angenommen“-Knopf zu drücken. Danach rollt er vor sich hin melodierend wieder in die Küche, um die nächsten Speisen zu abzuholen.
Robotik gehört in Japan zum Alltag
Mit der flächendeckenden Einführung der Roboter in gewöhnlichen Restaurants reduziert sich das menschliche Miteinander beim Auswärtsessen auf ein Minimum. Die Bestellung erfolgt meist nur noch durch die Eingabe in iPad-ähnliche Tablets. Die Bedienung wird in seltenen Sonderfällen herbeigeklingelt, etwa bei Unverträglichkeiten oder Extrawünschen. Bei einzelnen Gästen huscht noch immer das menschliche Personal durch die Gänge, verwechselt aber auch mal die Bestellung. Roboter hingegen liefern Essen exakt dorthin, wo es auch bestellt wurde.
Für Kinder und nicht wenige Erwachsene sind dieser Roboter Entertainment pur. „Ach, wie süß“, sagt eine junge Frau, als sie sich mit ihrem Partner an einen Tisch ins Café setzt und den Roboter entdeckt. Manche tätscheln seinen „Kopf“, nachdem er sich bedankt hat, andere versperren ihm den Weg und testen, wie er reagiert.
Für die meisten Gäste japanischer Restaurants gehört der Anblick von Robotern bereits zum Alltag, denn Robotik wird in vielen öffentlichen Bereichen längst sichtbar eingesetzt. So patrouillieren in Flughäfen kleine Sicherheitsroboter gleitend über die glatten Böden. Die Aufgabe dieser mit Sensoren, Warnleuchten und Teleskopkamera ausgestatteten Maschinen ist es, bei Notfällen zur Evakuierung aufzurufen, auf Notausgänge hinzuweisen und Verletzte zu identifizieren.
Dass die Roboter mit ihren Melodien Blicke auf sich ziehen und meist für gute Stimmung sorgen, ist nur ein Bonus. „Es gibt einfach kein Personal mehr“, erklärt ein Restaurantgast, der den Roboter kaum beachtet. „Ich kenne Restaurants, die verzweifelt sind, weil sich niemand finden lässt.“
Bald fragen vielleicht Roboter: „Hat es Ihnen geschmeckt?“
Der drastische Geburtenrückgang bei gleichzeitig anhaltender Ablehnung ausländischer Arbeitsmigration lässt viele Berufsgruppen auf Technologie zurückgreifen. Führende Techfirmen wie Softbank sprangen schnell auf diesen Zug. Zu einem der bekanntesten humanoiden Roboter wurde „Pepper“, der in Firmen und im Bildungsbereich für Kommunikation mit Menschen eingesetzt wird.
Noch werden Restaurantgäste vom menschlichen Personal zum Tisch geführt oder abkassiert. Es ist aber wohl nur eine Frage der Zeit, bis Roboter ihre Gäste fragen, ob das Essen geschmeckt hat, oder tobende Kinder ermahnen. Würden leibhaftige Menschen Letzteres tun, könnten Eltern wütend werden. Machen es Roboter, ist es Entertainment.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?