Umgang mit propalästinensischen Demos: Verboten oder nicht verboten?

In vielen deutschen Städten wurden propalästinensische Demonstrationen verboten.Wieso entscheiden Gerichte unterschiedlich zu den Kundgebungen?

Polizisten um eine Frau mit Palästina-Flagge

Polizisten umringen am Potsdamer Platz propalästinensische Demonstration Foto: Sven Käuler/dpa

Freiburg taz | In vielen Städten wie Berlin, Frankfurt am Main und Hamburg wurden propalästinensische Demonstrationen recht pauschal verboten. Oft wurden danach die Gerichte angerufen. Mal wurden die Verbote gekippt, oft aber bestätigt. Anhand welcher Kriterien entscheiden die Gerichte? Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht, sie ist eine Freiheit, die vor allem Minderheiten schützt. Durch Kundgebungen auf der Straße können so auch Themen und Positionen, die nicht im Parlament oder in den Talkshows vertreten sind, auf die gesellschaftliche Tagesordnung gesetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat schon oft betont, dass das Demonstrationsrecht für die Demokratie „schlechthin konstituierend“ ist.

Geschützt sind also auch Demonstrationen mit empörenden Inhalten. Demonstrationen müssen nicht ausgewogen sein. Wer Israel kritisiert, muss nicht gleichzeitig die Hamas kritisieren. Wenn Kanzler Olaf Scholz sagt „Die Sicherheit Israels und seiner Bürger ist Staatsräson“, dann hat das für die Zulässigkeit der Demonstrationen keine Bedeutung. Maßstab für die Gerichte sind die Versammlungsgesetze. Bis zur Föderalismusreform 2006 gab es nur ein Versammlungsgesetz im Bund. Seitdem können die Bundesländer aber eigene Versammlungsgesetze beschließen, wovon etwa die Hälfte der Länder Gebrauch gemacht hat, etwa Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Im Kern geht es bei Demonstrationsverboten aber immer um die Frage, ob eine „unmittelbare Gefahr“ für die „öffentliche Sicherheit“ besteht, das heißt insbesondere, ob mit Straftaten zu rechnen ist. So wäre es „als Billigung von Straftaten“ (§ 140) strafbar, den Hamas-Terror-Angriff öffentlich zu bejubeln. Die Parole „Bombardiert Tel Aviv“ wäre eine „öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ (§ 111), der Ruf „Tod den Juden“ ist eine Volksverhetzung (§ 130). Seit 2020 ist auch das Verbrennen israelischer (und anderer ausländischer) Fahnen strafbar (§ 104). Wenn das Existenzrecht Israels verneint wird, etwa durch den Slogan „From the River to the Sea, Palestine shall be free“, ist das bisher wohl nicht strafbar. Der hessische Justizminister Roman Poseck (CDU) schlägt deshalb vor, das Strafgesetzbuch – ein Bundesgesetz – entsprechend zu ergänzen. Die Berliner Polizei will die Leugnung des Existenzrechts Israels jedoch schon heute als Volksverhetzung verfolgen. Dagegen spricht aber, dass sich die Volksverhetzung gegen Teile der inländischen Bevölkerung richten muss.

Das präventive Verbot einer Kundgebung muss jedoch immer das letzte Mittel sein

Gerichte müssen Prognosen vornehmen

Da es bei den Verboten um zukünftige Demonstrationen geht, müssen die Gerichte eine Prognose über deren wahrscheinlichen Ablauf treffen. Wenn schon der Aufruf zur Demonstration strafbar ist, fällt die Prognose leicht. Ansonsten wird oft auf ähnliche Veranstaltungen des gleichen oder anderer Veranstalter in der gleichen Stadt oder in anderen Städten abgestellt. Welche Prognosen aus früheren Ereignissen abgeleitet werden können und dürfen, ist oft umstritten. Daher kommen die Gerichte so häufig zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Das präventive Verbot einer Kundgebung muss jedoch immer das letzte Mittel sein. Als milderes Mittel kommen Auflagen an die Veranstalter in Betracht, etwa dass der Veranstalter mit seinen Ordnern dafür sorgen muss, strafbare Transparente zu entfernen und strafbare Sprechchöre zu unterbinden.

Ob den Veranstaltern die Durchsetzung solcher Auflagen zugetraut wird, hängt auch von deren Verhalten ab. Wer verspricht, Straftäter aus der Kundgebung auszuschließen, kann im Streitfall seine Demonstration eher durchführen als ein Veranstalter, der jegliche Beschränkungen von propalästinensischen Kundgebungen als „rassistisch“ bezeichnet. Über Demonstrationsverbote entscheiden die Verwaltungsgerichte. In der Regel handelt es sich dabei um Eilverfahren, weil ja noch vor einer konkret geplanten Kundgebung entschieden werden muss. Deshalb können die Gerichte hier nur eine „summarische“ (das heißt grobe) Prüfung vornehmen. Wenn das Verbot wahrscheinlich rechtswidrig ist, dann kann die Demonstration stattfinden.

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