Konjunkturprognose der EU-Kommission: Deutschland zieht Eurozone runter
Die EU-Kommission senkt ihre Prognose für das kommende Jahr – auch wegen des schwachen deutschen Konsums. Die andauernde Inflation bereitet Sorgen.
Dämpfend wirkt vor allem der schwache Konsum. Es habe sich gezeigt, „dass die hohen und weiter steigenden Verbraucherpreise für die meisten Waren und Dienstleistungen einen höheren Tribut fordern als in der Frühjahrsprognose erwartet“, erklärte die EU-Kommission.
Die Brüsseler Behörde gibt sich dennoch optimistisch. Die EU habe sich als widerstandsfähig erwiesen, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Er sehe Deutschland nicht als „kranken Mann“ Europas. „Wir wissen, dass es sich um eine starke Wirtschaft handelt“, betonte der Italiener. Ähnlich äußerte sich Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Nach einer Schwächeperiode werde es 2024 wieder aufwärts gehen. Im nächsten Jahr rechnet Brüssel mit einem Wachstum von 1,3 Prozent in der Eurozone und 1,1 Prozent in Deutschland.
Dennoch kommt die Schwächephase ungelegen. Im Juni 2024 sind Europawahlen – eine schwache Konjunktur könnte den Wählern die Stimmung verderben. Vor allem die Klimakrise macht Brüssel Sorgen. „Wir sollten die Folgen für die Wirtschaft sehr ernst nehmen“, sagte Gentiloni unter Verweis auf die verheerenden Überschwemmungen und Waldbrände der letzten Zeit.
Inflation dauert an
Für schlechte Laune sorgt auch die Inflation. Der Preisanstieg soll sich im laufenden Jahr zwar leicht abschwächen: Die Prognose wurde von 5,8 Prozent auf 5,6 Prozent nach unten korrigiert. Das ist aber immer noch deutlich über der Zielmarke von 2 Prozent, die die Europäische Zentralbank (EZB) vorgegeben hat. Der EZB-Rat könnte daher bei seiner nächsten Sitzung am kommenden Donnerstag die Leitzinsen erhöhen. Es wäre bereits die zehnte Zinserhöhung in Serie – und könnte die schwache Konjunktur weiter abwürgen.
Der wichtigste Hebel zur Überwindung der Krise liege in Deutschland, meint der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen: „Die schwache Binnennachfrage in Deutschland ist hausgemacht, weil das Lohnwachstum hinter der Inflation herhinkt.“ Zudem gebe es zu wenige öffentliche Investitionen.
Dagegen fordert Markus Ferber (CSU) die EU auf, „beherzt auf die Bremse zu treten und einen Belastungsstopp einzulegen“. In Europa gehe das Gespenst der Stagflation um, daher müsse auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen handeln. Die CDU-Politikerin hält am Mittwoch eine Rede zur „Lage der EU“ – und könnte neue Impulse geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trump erneut gewählt
Why though?
Harris-Niederlage bei den US-Wahlen
Die Lady muss warten
Pro und Contra zum Ampel-Streit
Sollen wir jetzt auch wählen?
US-Präsidentschaftswahlen
Die neue Epoche
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut