Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen: Unternehmen investieren zu wenig

Die Wirtschaftsweisen warnen: 2023 schrumpft das BIP. Langfristig droht Deutschland die Überalterung von Industrie und Bevölkerung.

Personen stehen in einer Halle vor einem Neuwagen

Anschluss verpasst? Vorstellung des ID3 NEW bei VW in Dresden im März Foto: Sylvio Dittrich/Imago

BERLIN taz | Die Aussichten sind alles andere als gut: Politik und Wirtschaft werden sich laut dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung darauf einstellen müssen, dass das Wachstum der Wirtschaftsleistung auch mittel- bis langfristig eher verhalten sein wird. Grund für die schlechte Prognose ist nicht allein die Alterung der Gesellschaft, die das Angebot an Arbeitskräften knapp werden lässt. Die Verantwortung liegt auch bei den Unternehmen, die zu wenig investieren.

„Deutschland droht somit eine Alterung nicht nur seiner Bevölkerung, sondern auch seiner industriellen Basis“, schreiben die Wirtschaftsweisen, wie die Mitglieder des Sachverständigenrates auch genannt werden, in ihrem Jahresgutachten.

Die fünf Öko­no­m*in­nen übergaben am Mittwoch ihr Gutachten der Bundesregierung. In ihrem mehr als 400 Seiten starken Werk ­gehen sie davon aus, dass das hiesige Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,4 Prozent schrumpfen wird. Im März war das Gremium noch von einem leichten Wachstum von 0,2 Prozent ausgegangen.

Für die schlechten Aussichten sei „der Rückgang der inländischen Nachfrage verantwortlich, zum großen Teil bedingt durch den starken Rückgang der staatlichen Konsumausgaben zu Jahresbeginn 2023“, schreiben die Wirtschaftsweisen nun. Für kommendes Jahr gehen sie von einem verhaltenen Wachstum von 0,7 Prozent aus. Auch diesbezüglich waren sie im Frühjahr optimistischer. Damals prognostizierten sie für 2024 ein Wachstum von 1,3 Prozent.

Weniger Wachstum erwartet

Wenn nicht gegengesteuert wird, muss sich das Land aber langfristig auf ein noch schwächeres Wachstum einstellen, warnt der Sachverständigenrat. Denn das sogenannte Wachstum des Produktionspotenzials ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen.

Dieses gibt an, wie stark die Wirtschaft langfristig bei einer Normalauslastung der Produktionskapazitäten wachsen kann. Es lag in den Jahren vor der Wiedervereinigung noch bei 2,4 Prozent. In den vergangenen fünf Jahren waren es jedoch nur noch deutlich unter 1,0 Prozent. Für die kommenden zehn Jahre, warnen die Wirtschaftsweisen, sei „bei Fortschreibung bestehender Dynamiken ein Potenzialwachstum von lediglich knapp 0,4 Prozent pro Jahr zu erwarten“.

Theoretisch könnte technischer Fortschritt wieder zu mehr Wachstum führen. Doch diesbezüglich sieht der Sachverständigenrat schwarz. So veraltet der Kapitalstock zunehmend. Und ältere Produktionsanlagen sind oft weniger produktiv als jüngere. Auch kritisiert der Sachverständigenrat, dass hierzulande im internationalen Vergleich relativ wenige Unternehmen gegründet werden. Dabei trügen Start-ups „maßgeblich zu Innovation und Wachstum bei“.

Die Steigerung der Produktivität ist laut den Wirtschaftsweisen insbesondere aufgrund der anstehenden Dekarbonisierung wichtig. Denn ein höheres Produktionspotenzial erweitere die verfügbaren Ressourcen. So könne die „Transformation sozialverträglicher gestaltet werden“, schreiben die Wirtschaftsweisen.

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