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Anchorman Zamperoni reist durch ItalienWas ist bloß los da unten?

In „Mein Italien unter Meloni“ reist „Tagesthemen“-Mann Zamperoni durchs Land und stellt Fragen. Warum viele Meloni wählen, erfährt man nicht wirklich.

Nur scheinbar im selben Boot: Ingo und Gianni Zamperoni Foto: ndr

In Heerscharen fahren die Deutschen jedes Jahr nach Italien; in den Zeiten vor Covid kamen 12 Millionen jährlich. Doch außer Parmesan oder gutem Wein nehmen sie wenig mit nach Hause: Nur eine verschwindende Minderheit weiß außer der paar Klischees vom ewig kriselnden Land Näheres über die politische, die soziale, die wirtschaftliche Realität Italiens.

Mitschuld daran tragen nicht zuletzt die Medien, berichten sie doch am liebsten aus dem Süden, wenn gerade wieder Krise ist, Flüchtlingskrise, Eurokrise, Regierungskrise. Letztes Jahr zum Beispiel war die Aufregung groß: Erst stürzte im Sommer der international geschätzte Ministerpräsident Mario Draghi, dann gewann im September die Postfaschistin Giorgia Meloni die Wahlen, und seit dem letzten Oktober regiert sie in Rom. Doch dann machte sie sich überraschend geräuschlos an die Arbeit, eckte wenigstens international nirgends an – und Italien verschwand wieder vom Schirm der deutschen Medien.

Schön deshalb, dass die ARD jetzt 45 Minuten Zeit hat, um das Land jenseits aktueller Aufreger zu beleuchten, um etwas hintergründiger hinzuschauen. Und pfiffig klingt auch das Format. Der „Tagesthemen“-News-Anchor Ingo Zamperoni, dessen Nachname die italienischen Wurzeln verrät, machte sich auf eine Reise vom Lago Maggiore hoch im Norden bis hinunter nach Catania, auf eine – so seine Worte – „sehr persönliche Reise“, um für sich und uns Klarheit zu schaffen, um die Fragen zu beantworten, warum die Italiener Giorgia Meloni gewählt haben, und was denn los ist „in meinem Italien, im Italien von Giorgia Meloni?“ Und natürlich soll dabei auch die faschistische Vergangenheit, die Italien „nie wirklich aufgearbeitet hat“, zum Thema werden.

Helfen sollen dem Autor vorneweg diverse Verwandte und Kindheitsfreund*innen, die er vor Jahrzehnten bei seinen Strandurlauben kennengelernt hat. Und los geht es mit dem Vater, in Postkartenkulisse am Lago Maggiore. Von ihm erfahren wir, Melonis Partei Fratelli d’Italia (FdI) sei „einfach rechts positioniert“, mehr aber auch nicht – außer, dass er der italienischen Politik insgesamt nicht recht traut.

Onkel und Cousine

Und schon geht es weiter, in die Weinberge des Veneto. Dort spricht Zamperoni mit Onkel Antonio und der Cousine Paola, beide bekennende Rechtswähler*innen. Um genau zu sein, hatte Paola sogar für die rechtspopulistische Lega Matteo Salvinis im Gemeinderat gesessen, und jetzt klärt sie darüber auf, in Italien gebe es eine ideologische und „eine ökonomische Rechte“. Gewählt hätten die Menschen im Veneto vor allem diese ökonomische Rechte, denn „unserem Land geht es nicht gut“. Der Gedanke ist interessant – doch Zamperoni hakt nicht nach. Was will die ökonomische Rechte denn nun, bei Steuern, beim Arbeitsmarkt zum Beispiel? Antworten gibt es nicht.

Und schon ist der „Tages­themen“-Moderator in Rom, auf einem Festival von Melonis Parteijugend Azione Giovani. Deren Vorsitzender outet sich vor der Kamera als strammer Nationalist, der „stolz unsere Fahne tragen“ will, der das nationale Interesse und dazu noch „die natürliche Familie“ verteidigen will, der „soziale Experimente“ wie die Homoehe ablehnt. Und der Faschismus? Dazu darf sich die Aktivistin Ilaria äußern, mit den Worten, „das ist Vergangenheit“, und die Bezeichnung der Partei FdI als postfaschistisch sei schlicht „eine Beleidigung“. Hier hätte Zamperoni mal kurz fragen können, ob die junge Frau sich denn als Antifaschistin bezeichnen würde, doch die Nachfrage bleibt aus.

Wirkliche Nachfragen gibt es auch nicht am Strandbad ­Pinguin an der Adriaküste, wo Zamperoni als Kind unbeschwerte Sommerurlaube verbracht hat. Er und Inhaber Antonio sitzen sich unterm Sonnenschirm auf zwei Strandliegen gegenüber und plaudern. Klar hat Antonio Meloni gewählt, ihr erster Pluspunkt: „Sie spricht so wie wir.“ Vor allem aber tue sie etwas für die Strandbadbetreiber, die vorher „nie Hilfe“ bekommen hätten, und Antonio schwärmt von den 60 Lastwagen Sand, die dank der Regierung auf seinem Strand aufgeschüttet worden seien. War es wirklich so? Das Programm zur Aufpäppelung der erodierten Strände hatte die (linke!) Regionalregierung aufgelegt und finanziert, nicht Melonis Rechtsregierung in Rom. Und die Strandbadbesitzer haben fast durch die Bank Meloni gewählt, weil sie versprach, deren Pfründe zu verteidigen und gegen EU-Recht dafür zu sorgen, dass sie gegen oft lächerliche Pachten weiter satt verdienen.

Doch Zamperoni fragt auch hier nicht nach. Schöne Bilder liefert er, doch die Antwort auf die Frage „Was ist los mit Italien?“ bleibt er leider schuldig.

Montag, 20.15 Uhr, ARD und in der Mediathek.

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7 Kommentare

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  • Mein journalistisches Highlight. Vermutlich im Auftrag der ARD produzierter und finanzierter Familienausflug. Wenigstens gab es schöne Bilder.

  • Der Film ist eine journalistische Bankrott Erklärung. Ein privilegierter reicher Norditaliener bechert mit seinen reichen Verwandten aus Venetien oder reichen intellektuellen aus Bologna oder Ferarra über Italien. Nichts vom Mezzogiorno den angehängten Süden in dem sich die Mehrheit der Menschen dort weder den Lido noch leisten können und auch nicht den Aperol Spritz auf historischen Marktplätzen.Aber die Gemeinen und Dörfer überlaufen sind von Armutsflüchtlingen. Diese fühlen sich nicht vertreten durch die Politik, Melone ist hier nur eine weitere Variante von seit 30 Jahren währende Poltik Verdrossenheit.

  • Warum viele Meloni wählen, erfährt man nicht wirklich...

    Merkwürdig ... im vergangen Herbst war ich in Neapel mit Bus und Bahn unterwegs. Dabei haben wir einige Italiener kennengelernt, die uns ohne besondere Skrupel gesagt haben, das sie die vielen Ausländer stören. Und damit meinten sie nicht uns.

  • "Und die Strandbadbesitzer haben fast durch die Bank Meloni gewählt, weil sie versprach, deren Pfründe zu verteidigen und gegen EU-Recht dafür zu sorgen, dass sie gegen oft lächerliche Pachten weiter satt verdienen."

    In diesem eher nebenbei dahingeschrieben Satz steckt möglicherweise ganz viel drin zur Erklärung des Phänomens Meloni, aber auch des Rechtspopulismus in anderen EU-Ländern. Denn die Frage ist doch, wieso die EU sich anmaßt, derartiges zu regeln und welche wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen es hat. Denn wenn die wirtschaftsliberalen EU-Vorgaben zur staatlichen Vergaben beinhart in allen Lebensbereichen und eben auch bei den Strandbetreibern durchgezogen werden, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieses breit gefächerte, lokal verwurzelte Kleinunternehmertum verschwunden ist und alles konzentriert ist in den Händen weniger großer Betreiber, die sich mit dem Geld irgendwelcher Fonds die Linzenzen zusammen kaufen. Und dann ist es wahrscheinlich auch nicht mehr weit zu saftigen Preissteigerungen, die dann - im wahrsten Sinne des Wortes - die Bürger*innen ausbaden dürfen. Dies mag nur ein Beispiel sein, es illustriert jedoch anschaulich, wohin eine unreflektierte Übergriffigkeit der EU führt, die lokale Gegebenheiten ignoriert und zentral Dinge regeln möchte, die besser auf lokaler Ebene ausgemacht werden sollten.

    • @melly:

      Im Moment ist es ja so, dass die Strandbadvergabe, wie Sie wünschen, "auf lokaler Ebene ausgemacht" wird. Das führte dazu, dass nahezu alle Strände Italiens in privater Hand sind - sicher nicht zum Vorteil der Badenden, die es schwer haben, ein Stückchen "spiaggia libera" zu finden, wenn sie keine Lust verspüren, horrende Preise für Liegen und Sonnenschirme zu berappen...

      Wie kommen Sie darauf, dass eine EU-Richtlinie, die das Ziel hat, Konkurrenz in einem abgeschotteten aber millionenschweren Wirtschaftsbereich zu ermöglichen, diesen Zustand verschlechtern könnte?

      • @Totti:

        Wenn die EU darauf dringt, dass die Strandabschnitten nicht an lokale Betreiber vergeben werden, sondern meistbietend und wohl auch europaweit ausgeschrieben werden, dann ist das garantiert kein Beitrag dazu, die Strände der Allgemeinheit kostengünstig zugänglich zu machen. Absehbar ist doch, dass die Lizenzen dann peau a peau an kapitalstarke Großbetreiber gehen, die mit Hilfe von „professionellem Management“ noch das letzte Quäntchen Rendite rauspressen werden. Am Ende werden die italienischen und andere europäischen Strände von irgendeiner Golden Beach Ltd mit Sitz im Irland betrieben. Für die Bürger*innen ist das garantiert keine Verbesserung. Wollte man die Strände zugänglicher machen, dann ist das EU-Vergaberecht sicherlich nicht das dafür geeignete Vehikel.

        Es ist symptomatisch für die Wirkung vieler EU-Vorgaben im Namen aller möglichen mehr oder weniger guten Zwecke, dass sie die Marktkonzentration befeuern, weil nur Großunternehmen und Konzerne mit ihren klarkommen. Wenn kleine oder mittlere Unternehmen, die lokal verwurzelt sind, dabei auf der Strecke bleiben, richtet dies aber einen erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Flurschaden an – gerade in Südeuropa, wo traditionell der Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen viel größer ist als in Deutschland.

        • @melly:

          Mit Ihrer Abneigung gegen Großkonzerne (oder auch gegen die EU) mögen Sie ja in vieler Hinsicht recht haben, an Italiens Stränden jedoch nicht.

          Die (aktuelle) Kommerzialisierung der italienischen Küste ist ein Unikum in Europa. Es ist mir nicht bekannt, dass deutsche, spanische oder französische Strände, an denen EU-Richtlinien respektiert werden, von irgendwelchen "Golden Beach Ltd mit Sitz in Irland" bewirtschaftet werden.

          Zudem möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es, gerade in Süditalien, sehr große kriminelle Vereinigungen gibt, denen es gelingt, in vielen kleinen und mittleren Unternehmen das Sagen zu haben und lokal bestens (leider viel zu gut) verwurzelt zu sein...