Italiens Regierung in Turbulenzen: Draghi geht – und bleibt doch

Der Ministerpräsident will zurücktreten, der Staatspräsident lehnt ab. Auch die Regierungspartei Fünf Sterne sendet widersprüchliche Signale. Und nun?

Polizisten stehen Wache vor einem beigefarbenen Palast

Amtssitz von Italiens Präsident Mattarella, der Draghis Rücktrittsgesuch abgelehnt hat Foto: Guglielmo Mangiapane/reuters

Rom taz | Italiens Ministerpräsident Mario Draghi ist weg – aber noch nicht so ganz. Zwar erklärte er am Donnerstagabend gegenüber Staatspräsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt, nachdem die zur Regierungskoalition gehörende Fünf-Sterne-Bewegung ihm in einer wichtigen Vertrauensabstimmung per Nichtteilnahme die Gefolgschaft verweigert hatte. Mattarella aber lehnte den Rücktritt vorerst ab und forderte seinerseits Draghi auf, in einer weiteren Parlamentsdebatte nächste Woche die Möglichkeiten zu einer Fortsetzung der Koalition auszuloten. Diese Debatte ist nun für Mittwoch angesetzt.

Zwar hatte Draghi das Vertrauensvotum mit 172 Ja- gegen 39 Nein-Stimmen klar gewonnen und so das „Hilfedekret“ mit Unterstützungsmaßnahmen im Umfang von etwa 20 Milliarden Euro für Unternehmen und Bür­ge­r*in­nen sicher durchs Parlament gebracht. Dennoch warf er gleich darauf das Handtuch, weil – so Draghi – die Fünf Sterne mit ihrem Nichtvotum den „Pakt des Vertrauens“, der seine Regierung bisher trug, aufgekündigt hätten.

Der frühere Zentralbanker steht in der Tat seit Februar 2021 einer Regierung ganz eigener Art vor, einer „Regierung der nationalen Einheit“, in der fast alle Parteien von rechts bis links vertreten sind. Das Spektrum reicht von Matteo Salvinis rechtspopulistischer Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia über das Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) und die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) bis hin zur radikal linken Liste Liberi e Uguali. Hinzu kommen diverse kleinere Formationen der politischen Mitte. Die einzige relevante Oppositionskraft ist die postfaschistische, stramm nationalistisch und populistisch auftretende Partei Fratelli d’Italia (FdI) unter Giorgia Meloni.

Mit seiner Fast-Allparteien-Regierung konnte Draghi mithin auch wichtige potentielle Stimmen des Protestes wie die Fünf Sterne und die Lega einbinden. Eben jene Kräfte zahlten allerdings einen hohen politischen Preis dafür: Sie sanken in den Meinungsumfragen kontinuierlich ab, die Fünf Sterne (sie hatten bei den Wahlen 2018 mit 32,7 Prozent triumphiert) auf nur noch etwa 10%, die Lega (sie hatte bei den EP-Wahlen 2019 sensationelle 34 Prozent geholt) auf magere 15 Prozent. Giorgia Melonis oppositionelle Postfaschisten dagegen stiegen auf 22-23 Prozent auf.

Der rechte Block hat beste Chancen, Wahlen zu gewinnen

Eben jene beiden Parteien werden letztlich darüber entscheiden, ob Draghi am Ende vom Rücktritt zurücktritt – oder aber ob das Land auf schnelle Neuwahlen voraussichtlich im Oktober zusteuert. Die Fünf Sterne haben sich zwar am Donnerstag dem Vertrauensvotum verweigert, haben aber formal nicht den Rückzug aus der Koalition erklärt und auch ihre Minister nicht aus dem Kabinett abgezogen. Sie begründeten ihren Dissens mit der Tatsache, dass im Dekret auch Sondervollmachten an den Bürgermeister Roms zur Errichtung einer Müllverbrennungsanlage erteilt wurden, die das M5S aus ökologischen Erwägungen ablehnt.

Zugleich will Fünf-Sterne-Chef Conte von Draghi aber Zusagen zur Realisierung wichtiger Forderungen der Partei, angefangen bei der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Ob er die bekommt, steht in den Sternen. Draghi jedenfalls hatte schon erklärt, er regiere nicht „unter dem Druck von Ultimaten“.

Und da wäre noch Salvinis Lega. Ihr Dilemma: Der Rechtsblock aus Lega, FdI und Forza Italia hätte zwar gegenwärtig beste Chancen, Wahlen klar zu gewinnen. Nicht Matteo Salvini, sondern die FdI-Chefin Meloni wäre dann aber mit hoher Wahrscheinlichkeit die neue Ministerpräsidentin. Fünf Tage haben Italiens Parteien jetzt Zeit, um auszuloten, ob die Regierung Draghi weitermachen kann. Am Ende aber ist es an Draghi selbst, zu bewerten, ob er die Grundlage für eine Regierung der nationalen Einheit noch gegeben sieht.

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