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Drohender MitarbeitermangelMehr Anreiz durch Dienstwohnungen

Der Senat beschließt erneut, die Personalsuche für den öffentlichen Dienst zu beschleunigen. Der Ernst der Lage soll helfen, dass es jetzt klappt.

In der Berliner Verwaltung ist bis 2030 fast jede dritte Stelle neu zu besetzen Foto: Jochen Eckel/picture alliance

Berlin taz | Schneller an neues Personal herankommen, attraktiver für Bewerber werden: Vor allem dafür soll das neue Personalentwicklungsprogramm stehen, das die schwarz-rote Landesregierung am Dienstag beschlossen hat. Ähnliche Schritte, wie sie Finanzsenator Stefan Evers (CDU) nach der Senatssitzung ankündigte, hatten in der Vergangenheit allerdings auch schon dessen Vorgänger von Grünen und SPD angestrebt.

Evers setzt darauf, dass der Ernst der Lage – bis 2030 geht fast jede und jeder Dritte im Landesdienst in den Ruhestand – die Umsetzung nun erleichtert. „Ich glaube, dass größerer Druck zu Lösungen führt – und der Druck war nie größer als jetzt“, sagte er vor Journalisten.

Allein die in der Presserklärung des Senats dazu benutzten englischen Fachbegriffe aus dem Personalmanagement wie Recruiting und Onboarding werden aber nach allgemeiner Einschätzung von Arbeitsmarkt­experten nicht reichen, die absehbaren Lücken im öffentlichen Dienst zu füllen. Zu dem Senatsbeschluss gehört daher auch die Ankündigung, schrittweise zu einer Bezahlung der Berliner Landesbeschäftigten auf Bundesniveau zu kommen.

Dem stehen derzeit noch tarifliche Verabredungen der Bundesländer entgegen. Evers drängt dort auf mehr Flexibilität bei der Bezahlung, gerade bei unterschiedlichen Verhältnissen in den Ländern, womit er auf die Konkurrenz bei der Personalgewinnung gegenüber den zahlreichen in Berlin ansässigen Bundesbehörden und Bundesministerien anspielte. Dabei soll auch ein baldiges Gespräch mit dem Vorsitzenden der Finanzministerkonferenz helfen. „Unsere Intention ist, keine Wettbewerbsnachteile gegenüber Bundesbehörden zu haben“, sagte Evers. Grundsätzlich gibt es aus seiner Sicht dazu bereits einen „fruchtbaren Austausch“ mit seinen Länderkollegen.

Senat kompakt

An den Berliner Gymnasien soll es schon in diesem Schuljahr keine Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss (MSA) mehr geben. Den Abschluss soll bereits 2024 automatisch erwerben, wer in die 11. Klasse versetzt wird.

Den Gesetzentwurf dazu hat der schwarz-rote Senat am Dienstag beschlossen. Laut Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) soll er schon am Donnerstag Thema im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses sein. Lehrer und Eltern haben laut Günther-Wünsch seit Jahren kritisiert, dass es nicht sinnig sei, den Unterricht in der 10. Klasse auf die anstehenden Prüfungen zu konzentrieren, statt die Schüler auf den Übergang zur gymnasialen Oberstufe vorzubereiten. Die SPD hingegen sträubte sich lange gegen eine Änderung, um die Gleichwertigkeit von Gymnasium und Sekundarschule zu betonen. (sta)

Evers machte aber auch deutlich, dass es trotz aller Anstrengungen mutmaßlich nicht möglich sein wird, alle bis 2030 frei werdenden Stellen tatsächlich wieder zu besetzen. Aus seiner Sicht werden Senatsverwaltungen und Bezirke mit weniger Mitarbeitern auskommen müssen. Ausgeglichen werden solle dies etwa mit Strukturveränderungen mittels künstlicher Intelligenz (KI) und über Automatisierung sich wiederholender Vorgänge. „Diese Potenziale müssen und werden wir nutzen“, versprach der Senator.

Erste Versuche mit künstlicher Intelligenz gibt es laut Evers beim Abarbeiten von Anträgen zu Pandemiehilfen. Mache man das auf herkömmliche Weise, sei die Verwaltung damit noch drei Jahre beschäftigt, mit KI soll das deutlich schneller gehen.

Ein weiterer Anreiz für den Landesdienst sollen Dienstwohnungen sein, die das Land laut Evers entweder bauen oder kaufen will. Allein im Polizeidienst kommt nach seinen Zahlen ein Drittel der jährlich neu Eingestellten nicht aus Berlin und sucht in der Stadt – oft unter großen Mühen – eine Wohnung. Einen vergleichbaren Beschluss dazu hatte der damals SPD-geführte Senat bereits 2021 gefasst, ohne dass merklich viel passiert wäre. Der Finanzsenator versprach nun, dass Ende September ein Konzept zum „Beschäftigtenwohnen“ vorliegen soll.

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2 Kommentare

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  • Hey, dass ist ja mal eine richtig gute Idee.



    Schon über hundert Jahre alt und zigmal wohl bewährt.



    Aber dadurch werden dem Wohnungsmarkt wohl weitere Wohnungen entzogen.

    ... wie ist das e'lich mit den Dienst- und Firmenwohnungen?



    Gibt es sowas noch?



    Glaube allerdings nicht.



    Wurden sicher zum Wohle der Immohaje verbimmelt ...

    • @Bolzkopf:

      Gibt es sowas noch?

      Die klassische Dienstwohnung gibt es nur noch bei besonderen Dienstverhältnissen, z.B. beim Schulhausmeister, Heimleiter und gelegentlich Revierförster, wenn der Bedienstete direkt am Arbeitsort wohnen soll (um auch außerhalb der üblichen Dienstzeiten tätig werden zu können).

      Es gibt aber durchaus vergleichbare Mietverhältnisse, sog. Dienstwohnungen, Werkswohnungen und Werkmietwohnungen. Die Zahl nimmt sogar merklich zu, da es nicht nur im öffentlichen Dienst häufig Probleme gibt, Personal mit Wohnraum zu versorgen.



      Negativbeispiele sind sicherlich die Schrottimmobilien, die für Arbeiter (darf man von Sklaven sprechen...?) in der Fleischindustrie vom Arbeitgeber besorgt und teuer vermietet werden. Macht ein Arbeitnehmer Probleme, verliert er mit dem Arbeitsplatz auch gleichzeitig seine Unterkunft (§§ 576 BGB ff.) und muss vom Ausland aus versuchen, arbeitrechtliche Schritte einzuleiten (fast unmögich...).



      Da aber auch "gute" Firmen immer häufiger in urbane Randgebiete ziehen (Tesla, Amazon etc.), was steuerlich günstig ist, aber echte Wohnraumprobleme erzeugt, erlebt das Prinzip der Werkswohnung gerade eine Renaissance. In Californien gehört Google zu den größten Immobilienunternehmen, obwohl sie keine Wohnung an Nichtmitarbeiter vermieten. Die Nachrichtenbilder, die Angestellte zeigten, die im Auto leben mussten, da sie sich die horrenden Mieten im SilicValley nicht leisten konnten, haben da ein wenig Druck aufgebaut.