Verlängerung der M10: Party-Tram nach Moabit
Ab Samstag fährt die Straßenbahn M10 nach Moabit. Das Projekt blieb im Zeit- und Kostenrahmen, trotzdem kommt der Ausbau des Tramnetzes nur zäh voran.
Im Volksmund wird die M10 auch Partylinie genannt. Nachts wird dort gefeiert, gegrölt und gesungen, geraucht, gegessen und getrunken, manchmal auch geknutscht, Musik gemacht, getanzt, gelacht oder geweint. Je später der Abend, desto jünger und bunter das hippe Partyvolk. Tagsüber ist sie jedoch eine ganz normale Tram. Die mit jeder Erweiterung unpünklicher und unzuverlässiger wird. Das Problem: Während die Trams in östlichen Bezirken meist im eigenen Gleisbett fahren, laufen die Tramgleise – vor allem in Mitte auf der Invalidenstraße, aber auch auf der Bernauer Straße – über die Autospur und damit sind in der Rushhour Verspätungen vorprogrammiert.
Das soll dieses Mal anders werden: Etwas mehr als zwei Jahre haben die Arbeiten an der 2,2 Kilometer langen Teilstrecke gedauert, die am Moabiter Kriminalgericht vorbeiführt und auf größeren Abschnitten in einem separaten „Rasengleis“ verläuft. Wie es seitens der BVG heißt, wurde sogar der Kostenrahmen – 33 Millionen Euro – eingehalten. Vor mehr als zehn Jahren hatten die Planungen begonnen für die zweite echte West-Verlängerung.
16.000 Fahrgäste erwartet
Einen 5-bis-10-Minuten-Takt soll es auf der neuen M10 geben, die BVG rechnet mit „bis zu 16.000 Fahrgästen pro Tag“ auf dem neuen Streckenabschnitt mit fünf barrierefreien Haltestellen. Das wird freilich auch auf der bestehenden Strecke zu einem deutlich höheren Fahrgastaufkommen führen. Solange die Verkehrsbetriebe nicht den Takt verdichten, wird also künftig noch mehr in der Bahn gestanden als gesessen werden.
„Ja, das könnte ganz schön eng werden“, sagt Jens Wieseke, Sprecher des Berliner Fahrgastverbands Igeb. Noch enger werde es jedoch außerhalb der Straßenbahn. Denn vor dem Naturkundemuseum stehen sich Tram und Autos im Nadelöhr Invalidenstraße oft im Weg und sorgen für Stop and go. Grundsätzlich begrüße sein Verband die Eröffnung der neuen Teilstrecke aber ausdrücklich, sagt Wieseke. Die Tram sei eine Lösung für viele Mobilitätsprobleme in der Stadt, werde aber leider selbst von der BVG als Verkehrsmittel unterschätzt.
Viel besser fände man es beim IGEB auch, der Senat würde mit weniger Enthusiamus die Verlängerung von U-Bahn-Linien – wie etwa der U7 zum Flughafen BER – als vielmehr den zügigen Ausbau der Straßenbahn verfolgen. „Die CDU war früher die aktivste Tram-Partei“, sagt Wieseke. Die ChristdemokratInnen könnten sich mit einem zügigen Ausbau des Straßenbahnnetzes als moderne Großstadtpartei profilieren.
Dem Fahrgastverband ist laut seinem Sprecher wichtig, dass in den parlamentarischen Haushaltsverhandlungen keine Abstriche bei der Straßenbahn gemacht werden. Das sehen die Grünen – unter deren mehrjähriger Ägide im Verkehrsbereich es auch nur zäh voranging mit der Tram – genauso: „Berlin braucht dringend mehr Straßenbahn-Neubau“, teilt die Fraktion mit, die gerade im Abgeordnetenhaus einen entsprechenden Antrag eingebracht hat.
Dass Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag angekündigt hat, drei bereits in der Planung befindliche Strecken zu „überprüfen“, kritisieren die Grünen dagegen scharf. Dabei geht es in erster Linie um die Tram vom Alexanderplatz durch die Leipziger Straße zum Potsdamer Platz und die Verlängerung der M10 durch Kreuzberg und Neukölln bis zum Hermannplatz. Schreiners Verwaltung solle die Planungen für den Aus- und Neubau aller geplanten Strecken „so forcieren, dass noch vor 2026 mit den Planfeststellungsverfahren begonnen werden kann“.
„Faktischer Tram-Stopp“
„Für zeitnah besseren öffentlichen Nahverkehr brauchen wir mehr Tramlinien und keinen faktischen Tram-Stopp durch zeitraubende Überprüfungen“, so die verkehrspolitische Sprecherin der Grünenfraktion, Oda Hassepaß, zur taz. Ganz konkret fordert der grüne Antrag vom Senat unter anderem die Anbindung des Ostkreuzes „noch in dieser Legislaturperiode“.
Das könnte im Prinzip sogar gelingen, nachdem das vermeintlich überschaubare Projekt durch Fehler bei der Bürgerbeteiligung – und nach massivem Widerstand von AnwohnerInnen der Friedrichshainer Sonntagstraße – immer noch nicht planfestgestellt ist. Entgegen letzten Mutmaßungen teilte die Verkehrsverwaltung der taz am Donnerstag mit, man gehe „nicht davon aus, dass die Unterlagen noch in diesem Quartal ausgelegt werden“ – der weitere Terminplan sei „vom Planungsprozess bei der BVG abhängig“.
Die M10 soll irgendwann übrigens noch viel tiefer in den Westen reichen. Die Rede war zuletzt vom Jahr 2028, in dem die Linie den Bahnhof Jungfernheide erreichen soll. Auf die Frage, ob er daran glaubt, sagt Jens Wieseke: „Ich bin ein gläubiger Mensch – aber ich wäre auch schon mit 2029 zufrieden.“ Er persönlich könne sich auch vorstellen, dass man sich „abschnittsweise vorarbeitet“. Bei der Tram in den Wedding sei das ja auch gegangen.
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