piwik no script img

Drogen- und Alkoholverbot in BremenSaufen nur im Laufen

Rund um den Hauptbahnhof dürfen keine Drogen und kein Alkohol konsumiert werden, beschließt die Bürgerschaft. Nur wer zügig geht, darf Alkohol mitführen.

Der Bremer Hauptbahnhof ist einer von vielen Hotspots der Crack-Szene Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Bremen taz | An Haltestellen rund um den Bremer Hauptbahnhof ist ab Oktober der Konsum von Alkohol und Drogen verboten. Ein entsprechendes Gesetz hat am Donnerstag in einem Eilverfahren die Bremische Bürgerschaft in erster und zweiter Lesung verabschiedet – mit den Stimmen der Regierungsfraktionen Grüne, Linke und SPD sowie des rechtspopulistischen Bündnisses Deutschland. Erst am Dienstag hatte der Senat den Gesetz­entwurf beschlossen.

Das Gesetz macht eindeutig klar, dass seine Auswirkungen ausgesprochen beschränkt sein werden: Es geht lediglich darum, das subjektive Sicherheitsgefühl von Nut­ze­r:in­nen und Fah­re­­r­:in­nen des öffentlichen Nahverkehrs zu verbessern. Denn diese sind seit einigen Jahren am Bremer Hauptbahnhof zunehmend mit schwer drogen- und alkoholkranken Menschen konfrontiert, die sie anpöbeln oder auch attackieren, wie es in der Gesetzesbegründung heißt. Letzteres gelte insbesondere auch für Reinigungspersonal, das regelmäßig Polizeischutz anfordern müsse.

Als ursächlich gilt die wachsende Anzahl von Menschen, die Crack-abhängig sind. Kein Bremer Problem. In Bremen sei die Droge allerdings etwas später angekommen als in einigen anderen deutschen Städten wie beispielsweise Berlin, sagt Eileen Bumann, die bei der Inneren Mission den Bereich der Wohnungslosenhilfe leitet. „Unsere Streetworker stellen fest, dass es immer mehr Betroffene gibt, die sie vorher auch noch nicht kannten.“

Crack ist rauchbares Kokain, macht aber wesentlich schneller und stärker abhängig. Zudem wird es schneller im Körper abgebaut, die Abhängigen brauchen viel häufiger Nachschub, was auch die Begleit­erscheinungen verstärkt wie Betteln, Beschaffungskriminalität und Straßenprostitution.

Konsum als Ordnungswidrigkeit

Aufgrund des hohen Suchtdrucks ziehen sich die Süchtigen häufig nicht zurück, sondern konsumieren an Ort und Stelle, etwa an Straßenbahnhaltestellen, die überdacht sind und an denen es Bänke gibt.

Die Konsumbedingungen von Crack erschweren laut der Begründung im Gesetz die Strafverfolgung: So ist nur der Besitz, nicht aber der Konsum illegaler Drogen verboten. „Die Drogen und Instrumente werden dabei in Gruppen in der Regel hin und her gereicht, so dass der Konsum zwar beobachtet, die Frage des Besitzes aber in der Regel nicht beweissicher festgestellt werden kann“, heißt es im Gesetz. Und: „Wenn man die Droge in verbrauchsgerechter Menge von einem Dritten zum sofortigen Verbrauch erhält und dann auch sofort zu sich nimmt, ist es rechtlich schwierig, einen strafbaren Besitz anzunehmen.“

Der Konsum an den Haltestellen soll in Zukunft als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden können, auch Platzverweise sind möglich. Nicht belangt werden sollen „Personen, die insbesondere mit alkoholischen Getränken zielstrebig den Bereich durchqueren, ohne zu konsumieren, Kontakt zu Dritten halten und keine Zwischenstopps einlegen“.

Die Opposition aus CDU und FDP stimmte im Landtag gegen das Gesetz. Es sei unmöglich, dessen Einhaltung zu kontrollieren, sagte der FDP-Politiker Marcel Schröder, etwa zwischen denen zu unterscheiden, die sich an den Haltestellen betrinken, und denen, die dort bereits im Vollrausch ankommen. Zudem sei „aus den Augen, aus dem Sinn keine Lösung für Suchtprobleme“. Die Süchtigen würden lediglich verdrängt, die Probleme in den Stadtteilen würden sich noch verschärfen.

Wegen dieses Gesetzes wird es keinen Suchtkranken weniger geben

Sofia Leonidakis, Fraktionschefin der mitregierenden Linken

Die CDU hatte am Dienstag in der Stadtbürgerschaft einen ähnlichen Gesetzesvorschlag vorgelegt – stimmte am Donnerstag dennoch gegen den der Regierungskoalition, weil er ihr nicht exakt genug war, beispielsweise was die Beschilderung angehe. Die Fraktionsvize Wiebke Winter warb dafür, das Thema zur Beratung in die Fachausschüsse zu überweisen und es nicht eilig durchzupeitschen. Dabei beschwert sich die CDU in ihrem Antrag darüber, dass die Koalition nicht schon früher gesetzgeberisch gehandelt habe. Zudem müsse es mehr Ausstiegshilfen für Süchtige geben, nicht nur akzeptierende Arbeit wie Drogenkonsumräume.

Darin stimmte ihr die Linken-Fraktionschefin Sofia Leonidakis zu – auch die Einschätzung, dass sich das Problem in die Stadtteile verlagern werde, teilte sie, wie auch alle anderen Redner:innen, darunter SPD-Innensenator Ulrich Mäurer. „Wegen dieses Gesetzes wird es keinen Suchtkranken weniger geben“, sagte sie. Der Druck auf die Süchtigen werde sogar steigen, daher seien weitere Maßnahmen geplant. Dazu zählte sie auch die Substitution mit Diamorphin. Für Crack gibt es aber bisher kein wirksames Ersatz-Medikament – auch darauf verweist die Gesetzesbegründung.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Bremen hat keine freien Plätze für den Entzug. Man muss etliche Wochen auf einen freien Platz warten. Hinzu kommt eine nicht effektive tagesklinische Behandlung von Suchtkranken. Nun wird die Verantwortung abgewälzt auf die Polizei und man will mit lächerlichen Verbotszonen etwas verbieten, was eh schon verboten ist und offen betrieben wird.