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Kulturwissenschaftlerin über Windenergie„Das hat etwas Kriegerisches“

Georgiana Banita untersucht mediale Narrative über Windkrafträder. Deren Potenzial werde noch immer verkannt – genauso wie die Gefahren des Klimawandels.

Reiter der Apokalypse oder Retter vor dem Weltuntergang? Windräder in Sachsen-Anhalt Foto: photo2000/imago
Interview von Lena Wrba

taz: Frau Banita, Sie haben Texte großer deutscher Medienhäuser zum Thema Windkraftausbau analysiert und sind auf eine breite Front windkraftkritischer Positionen gestoßen. Die findet sich vermutlich bei den meisten Klimaschutzthemen. Warum haben Sie sich ausgerechnet das Thema Windkraft ausgesucht?

Georgiana Banita: Ich finde, dass die Skepsis gegenüber der Windkraft in der Berichterstattung besonders ausgeprägt ist. Das liegt zum einen daran, dass Windkraftanlagen in der Landschaft sehr sichtbar sind. Viel sichtbarer als früher die Förderanlagen für Öl oder Kohle. Außerdem erinnern sie uns daran, dass wir nicht einfach durch das Leben gehen und konsumieren können, wie wir wollen. Anders als die Verheißungen der fossilen Infrastruktur bedeutet die Windenergieinfrastruktur für viele Menschen eher Verzicht.

Foto: privat
Im Interview: Georgiana Banita

ist habilitierte Kulturwissenschaftlerin. Sie forscht und lehrt an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg unter anderem zur Kulturgeschichte fossiler und erneuerbarer Energien.

Ein Narrativ, das in kritischen Medienberichten gestützt wird?

Ja. Es geht häufig darum, was wir durch den Ausbau von Windkraft weniger haben: weniger Wald und weniger schöne Landschaften zum Beispiel. Vor allem in der FAZ habe ich immer wieder festgestellt, dass Windräder wie Gewaltinstrumente in friedlicher Natur beschrieben werden – als würden sie die Landschaft mit ihren Rotorblättern zerfetzen. Das hat fast etwas Kriegerisches.

Sie haben für Ihre Analyse neben der FAZ auch die Welt, den Spiegel und die Süddeutsche Zeitung herangezogen. Warum ausgerechnet diese vier Medien?

Bei der FAZ und der Welt habe ich festgestellt, dass sie konsequent und sehr leidenschaftlich gegen den Ausbau der Windkraft schreiben. Das war fast eine Antiwindkraftkampagne. In der Süddeutschen und dem Spiegel findet man hauptsächlich windkraftbefürwortende Texte. Insgesamt habe ich mir Medien rausgesucht, die eher in der Mitte angesiedelt sind – da muss man ansetzen, wenn man einen Übergang zwischen dem alten und dem neuen Denken schaffen will.

Welche Probleme haben Sie in dieser Mitte in Bezug auf die Debatte über Windkraft ausgemacht?

Ich hatte damit gerechnet, dass man sich wenigstens darin einig ist, dass wir aufgrund des Klimawandels offensichtlich von den fossilen Energieträgern wegmüssen. Das war aber nicht der Fall. Beim Spiegel und der Süddeutschen findet man diesen Konsens zwar, dafür wird da nicht mehr ausreichend erklärt, warum wir die Energiewende überhaupt brauchen.

Wie meinen Sie das?

Meine ideale Vorstellung von einem Artikel über die Energiewende fängt zum Beispiel mit einem Bericht über die Waldbrände auf Hawaii an. Er ordnet also zunächst ein: Wo befinden wir uns auf der Skala der Entwicklung des Klimawandels gerade? Und dann: Was steht uns noch bevor? Erst daraus kann man ableiten, ob wir Windräder brauchen oder nicht. Wenn man das nicht einordnet, wiegen bestimmte Argumente viel zu schwer.

Wie zum Beispiel?

Zum Beispiel beim Artenschutz. Konservative Medien schaffen es, so emotional davon zu berichten, dass in 15 Jahren 9 Brutpaare des bedrohten Rotmilans, aus einem Bestand von 10.000 Tieren, durch Windräder getötet worden sind, dass das dramatisch klingt. Die Zahl der toten Vögel wird aber überhaupt nicht ins Verhältnis dazu gesetzt, wie viele Tiere durch das Voranschreiten des Klimawandels sterben werden, welche anderen Gefahren da noch auf uns zukommen und wie nützlich Windräder eigentlich sind, um diese Gefahren abzumildern.

Neben Vogelschutz wird auch der bedrohte Wald gern als Argument gegen Windkraftausbau angeführt.

Das stimmt. Da wird viel mit dem Bild vom Wald als Bestandteil der deutschen Kultur und Identität gearbeitet. Problematisch finde ich hier, dass der Wald zu einem nationalen Symbol erhoben wird. Wenn von Rodungen für Windräder die Rede ist, wird das in sehr vielen Texten dann als eine Art „Volksenteignung“ dargestellt.

Nun ist es mit dem Wald ähnlich wie mit dem Artenschutz: Dass er nicht unnötig für Windräder geopfert wird, ist tatsächlich wichtig. Wie sollte man mit dem Thema umgehen?

Der Spiegel oder die Süddeutsche gehen sehr sachlich damit um. Die kulturelle Bedeutung des Waldes wird anerkannt, stärker wird aber seine Rolle für den Klimaschutz betont. Insgesamt wird nicht so radikal und emotional argumentiert. Das lässt Platz für den Gedanken, dass sich der Wald, wie wir ihn kennen, verändern darf. Das wird er sowieso, wenn in Zukunft Waldbrände häufiger werden und mehr klimaresiliente Baumarten gepflanzt werden müssen. Und in einigen Gebieten werden eben Windräder im Wald stehen.

Ob man das nun schön findet oder nicht.

Was man schön findet, ist ja sehr subjektiv und kulturell geprägt. So wie auch die gesamte Debatte sehr aufgeladen ist mit subjektiven Einstellungen. Deshalb empfehle ich auch, sich die Mühe zu machen, die Fakten genauer zu recherchieren. Wenn man das Thema verhandeln will, muss man klar benennen können, was man weiß – aber natürlich auch, was man nicht weiß. Ich plädiere für einen gelassenen Umgang mit Ungewissheiten.

Wie meinen Sie das?

Ein Beispiel: Die Studienlage zu potenziellen Gesundheitsrisiken ist noch recht dünn. Das müssen sowohl windkraftkritische als auch befürwortende Texte benennen. In einer ungewissen Lage sollten sich Jour­na­lis­t*in­nen nicht einfach auf die Seite schlagen, die den eigenen vorgefassten Meinungen entspricht.

Wie kann man Unsicherheiten benennen, ohne den Eindruck zu erzeugen, dass es Zweifel an der Notwendigkeit und Richtigkeit vom Windkraftausbau gibt?

Ungewissheiten zu benennen birgt immer das Risiko, ein Gefühl von Handlungsunfähigkeit zu provozieren. Wichtig ist, dass verschiedene Risiken gegeneinander abgewogen werden. Es muss klar werden, dass wir potenzielle Risiken, die in Bezug auf die Windkraft noch nicht ganz ausgeleuchtet sind, erst mal eingehen sollten, da wir die Risiken des Klimawandels ziemlich gut kennen. Angesichts der Gefahren des Klimawandels noch mit ungestörter Idylle und Waldmythen zu argumentieren, ist einfach überholt.

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2 Kommentare

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  • Ich nehme an bei der Studienlage zu Gesundheitsrisiken (Bau und Flugverkehr ausgenommen) verhält es sich ähnlich wie bei jener zu den Gefahren durch UFOs, die ebenfalls recht dünn sein soll. Ausgerechnet damit zu balancieren finde ich nicht sehr überzeugend. Die Herabsetzung des Ökosystems - und Wirtschaftsfaktors - Wald auf Mythen und nationale Fetische (wo?) kaum mehr so. Hingegen wirklich nicht dünn ist die Forschungslage zur Akzeptanz oder Nichtakzeptanz von Windkraftanlagen, die selbstredend immer eine subjektive Frage ist, und ihrer möglichen Gründe. Ein guter Teil davon erschien mir neutraler, deskriptiver, hier scheint der Schwerpunkt eher bereits auf einer Beratungsfunktion zu liegen, vielleicht auch deshalb der Fokus auf die Medien. Nun ist der leider besonders subjektiv und dass nicht nur angesichts dieser Auswahl sondern überhaupt dem Verständnis von (Leit)medien in dieser Zeit, erst recht fernab der Städte, wo die Frage brennend wird. Andererseits ist man gerade auf dem Land ohnehin vergleichsweise aufgeschlossen, jedenfalls in den USA und spätestens seit man mit den Farmern ganz gut lösen konnte, wie die mit ihren Fahrzeugen da weiter gut manövrieren können; ich weiß nicht ob Studien aus Europa das bestätigen, aber überraschend wäre es nicht. Ein Idyll ist ja aber quasi per Definition Anderswo und es sagt nicht unbedingt Schlechtes über Menschen, sich über ihren (sub)urbanen Tellerrand hinaus zu sorgen und überhaupt Gedanken zu machen. Ganz anders als in den USA bei uns in vielerlei (leider) verständlicher Hinsicht attraktivere Offshore-Bereiche wie das Wattenmeer kommen indes lieber gar nicht zur Sprache, gerade dort aber die große Gefahr, Schäden zu hinterlassen, die auch irreparabel sind. Auch dann, wenn Kernfusion übernimmt und noch so manche Skeptiker staunen dürfen und lernen, dass Klimaschutz zwar teuer wird, aber nicht nur auf Kosten der Umwelt geht.

  • Naja, die Darstellung DER Anderen (Energiequelle) ist eben zu allermeist ein Lügenmärchen der fossilen Industrie, deren Stichwortnehmer*innen und der luxusverwöhnten Konsument*innen auf der anderen Seite. Der Krieg gegen die Natur wurde seit längerem und von vieler Seite vorangetrieben und viele Menschen hierzulande haben davon profitiert. Im Laufe der Zeit wurden riesige "Mondkrater" für Kohle und für andere Rohstoffe (auch in anderen Ländern) in die Erde geschlagen und für Einfamilienhäuser, Industrieerweiterungen, Ausbau von Straßen und anderer Infrastruktur weitere Schneisen in die Natur gerissen und damit auch unzählige Pflanzen und Tiere vernichtet, während zusätzlich Treibhausgase in den Äther geblasen wurden und Böden und Gewässer vergiftet wurden. Angesichts dessen ist das Anführen von Umweltschutz gegen Windräder eine Farce. Die Zerstörung durch die Lebensweise der Allermeisten soll in Augen vieler bloß vor Ort nicht sichtbar sein. Angesichts der vorangeschrittenen, umfassenden Zerstörung wäre es an der Zeit die Lebensweise zurückzufahren, bevor die Natur sie wohl bereits bald zwangsweise zurückfahren wird.