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Erfolg der Putschisten in NigerBye-bye, Bazoum

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Welche Eingreiftruppe könnte leisten, wovon jene, die bereits vor Ort sind, die Finger lassen? So traurig es ist, Niger gehört den Putschisten.

Heute harrt Bazoum im Keller seines Präsidentenpalasts aus Foto: Kay Nietfeld/dpa

N ein, es wird wohl keine Militärintervention in Niger gegen den Militärputsch und zur Wiedereinsetzung des gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum geben. Westafrikas militärische Drohkulisse stellt sich als das heraus, was sie immer war: eine Kulisse eben. Dahinter verbarg sich – nichts.

Die Ecowas-Eingreiftruppe, die jetzt in Bereitschaft versetzt werden soll, existiert nur auf dem Papier. Stattdessen schickt Nigeria nach Niger religiöse Unterhändler. Aus Nigeria gab es anfangs auch Drohungen, den Putschisten werde Hören und Sehen vergehen, wenn sie sich nicht fügen; heute bittet man sie höflich, auf Kundgebungen keine nigerianische Flaggen zu verbrennen.

Nigers Putschisten haben die Macht, sie sind die Verhandlungspartner, mit ihnen muss eine Lösung gefunden werden. Und Bazoum? Sein Schicksal schrumpft von einer politischen zu einer humanitären Frage. International wird nur noch Bazoums Freilassung gefordert, nicht seine Wiedereinsetzung. Man wünscht sich eine Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Niger, aber der Name Bazoum fällt dabei nicht.

Man sorgt sich nur noch um sein Wohlergehen im Keller seines Präsidentenpalastes, wo er unter Arrest der eigenen Garde sitzt. Und man fordert für ihn nicht mehr die Macht, sondern Lebensmittel, Medikamente, Strom. Im bitterarmen Niger wären Lebensmittel, Medikamente und Strom für alle Menschen eine gute Sache.

So zeichnet sich nun ein schmutziger Deal ab: Gebt uns Bazoum lebend und versprecht eine Rückkehr zur Demokratie, irgendwie und irgendwann, und im Gegenzug lassen wir euch in Ruhe. Eine andere Wahl hat die internationale Staatengemeinschaft auch gar nicht. Einmarsch in Niger? Tausende französische und US-amerikanische Truppenangehörige sind schon da, auch Spezialkräfte.

Die zivile Demokratie hat in Niger verloren

Welche denkbare Eingreiftruppe könnte leisten, wovon jene aus guten Gründen die Finger lassen? Und sollten die ausländischen Kontingente vor Ort Geiseln des nigrischen Militärs werden und im Falle einer westlichen Befreiungsaktion Russlands Wagner-Kämpfer zur Unterstützung der Junta einrücken, beginnt dann ein dritter Weltkrieg? In Niger? Die Vorstellung ist in der afrikanischen Diskussion nicht so abartig, wie es in Europa scheint.

Die zivile Demokratie hat in Niger verloren wie schon in Mali, Guinea und Burkina Faso. Damit muss man sich abfinden. Die Putschisten werden in all diesen Ländern nichts besser machen als ihre zivilen Vorgänger. Das werden die Bevölkerungen dieser Länder alsbald merken. Es wird neue Revolten geben, und die Generäle werden irgendwann vor der Wahl stehen, ihr eigenes Volk zu massakrieren oder zurückzutreten. Der Rest der Welt sollte für diesen Moment bereitstehen und sich rechtzeitig mit den demokratischen Kräften der Sahelländer darüber verständigen, was dann zu tun ist. Aber jetzt ist nicht dieser Moment. So traurig das für Mohamed Bazoum ist.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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13 Kommentare

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  • "A key lesson from the Niger crisis: Africans, not global powers, will plot the continent’s path", so überschriftet Nesrine Malik ihren Kommentar im Guardian. Illusion ? Lesenswert allemal. www.theguardian.co...-moscow-washington

  • Bei einer so hohen Analphabetenrate (je nach Bericht zwischen 45 - 70 %), stellt sich die Frage, ob von einer fairen demokratischen Wahl gesprochen werden kann. Diese Problematik wirft auch die Frage auf, warum ein Land mit theoretisch beträchtlichem Reichtum solch eine Situation überhaupt aufweist.

    Es ist offenkundig, dass Frankreich und die USA hinsichtlich der Ausbeutung von Ressourcen durch ihre Konzerne möglicherweise eine Linie überschritten haben, selbst in Regionen, die vergleichsweise friedlich waren. Den Menschen vor Ort wird es zweifellos besser ergehen als unter dem vorherigen Status Quo, der auf der Korruption einer kleinen Elite aufgebaut war – unabhängig von innerpolitischen Veränderungen.

    Die Situation könnte sich allerdings verschlimmern, wenn es tatsächlich zu einem militärischen Einmarsch kommt. Dies würde zu unerwünschten Folgen führen. Es wäre äußerst problematisch, wenn das Land aufgrund des Uranvorkommens von Frankreich in ein Fiasko stürzen würde. Möglicherweise würde das Militär eine Anbindung an Russland suchen müssen, was wiederum die Gefahr eines Stellvertreterkrieges erhöhen könnte

  • Lieber Herr Johnson, das klingt jetzt wie ein Abgesang auf die Demokratie in Afrika. Aber am 5.8.23 schrieben sie noch: "Eine neue Generation will ein selbstbewusstes Afrika entstehen lassen, das sich in jeder Hinsicht vom kolonialen Erbe emanzipiert."



    Wo ist Ihr Optimismus geblieben? ...

  • Die putschisten werden mit den Franzosen zusammen arbeiten, wie alle Regime vorher.

  • @JENS BARTH

    So sehe ich das auch. Nein, mir ist Wagner ganz bestimmt nicht lieber als eine (nicht unbedingt lupenreine) Demokratie. Nein, auch ich bin kein Freund von Putsch.

    Aber "der Westen" (also wir) sollte in sich gehen und darüber nachdenken, welchen Anteil wir an der Situation haben.

    Sonst werden wir genau dieselben Fehler wiederholen, wenn "dieser Moment" kommt.

  • "Und sollten die ausländischen Kontingente vor Ort Geiseln des nigrischen Militärs werden und im Falle einer westlichen Befreiungsaktion Russlands Wagner-Kämpfer zur Unterstützung der Junta einrücken, beginnt dann ein dritter Weltkrieg?"

    Blödsinnige Bemerkung.

    a) Wagner ist nicht in Niger und hat sehr begrenzte Kapazitäten in Burkina Faso; b) Wagner war und ist eine private Firma und gehörte nie zum russischen Militär; c) Russland finanziert Wagner nicht mehr, vielleicht zukünftig Weißrussland, aber selbst Lukaschenka macht sich über sie lustig; d) die Amis haben bereits in Syrien 300 bis 400 Wagner-Soldaten per Luftangriff getötet, als diese die kurdischen Verbündeten von der YPG angegriffen haben und Ölfelder besetzen wollten, wo blieb da der 3. Weltkrieg?

    Die putschende nigrische Präsidentengarde besteht aus ein paar Hundert Soldaten, dazu maximal 2000 untrainierte, schlecht bewaffnete Soldaten der Armee, wobei unklar ist, wie viele davon wirklich putschen wollen. Die französischen Soldaten alleine könnte diesen Putsch schnell militärisch beenden, ebenso Nigeria oder der Senegal, aber niemand möchte aktuell Opfer riskieren. Einfacher ist es, Niger den kompletten Strom abzustellen und auszuhungern.

  • Nicht vergessen: das ist ein Kommentar. Also die persönliche Meinung von Herrn Johnson. Woher weiss er, dass die Putschisten es nicht besser machen und irgendwann die nigrische Bevölkerung massakrieren? Warum so pessimistisch und automatisch vom brutalen Vorgehen der zukünftigen Regierung ausgehen? Würde dem Land jetzt nicht durch Nigeria der Stromhahn zugedreht, und würde die ECOWAS jetzt nicht die Handelswege sperren, und würden die USA und die EU jetzt nicht alle Hilfen einfrieren... vielleicht hätte der neue Weg im Niger Erfolg.



    Und Monsieur Bazoum - wenn er jetzt wirklich mal ohne Strom und Nahrung dasitzt, dann fühlt er, wie es dem größten Teil der Bevölkerung seit 5 Jahrzehnten geht. Und das trotz 50 Jahre "Engagement" Frankreichs. Ja, da ist wirklich was schiefgelaufen. Es war vorherzusehen.

    Ich wünsche den Menschen in Niger, Mali und Burkina Faso viel Erfolg auf ihrem Weg und hoffe, es wird ohne Blutvergießen gelingen. Eigentlich bräuchten diese Länder jetzt jede Unterstützung.

    Von allen Freunden aus diesen Ländern höre ich bis jetzt nur volle Zustimmung zu diesem Umbruch.

  • Mohamed Bazoum ist demokratisch gewählt worden. Wirklich? Sicher ist das keinesfalls. Was aber schon stimmt ist die Tatsache, daß Bazoum prowestlich war. Zur Wahrheit gehört aber auch, daß die Putschisten große Sympathiewerte unter der Bevölkerung haben. Die halt irgendwie das neo - koloniale Gebaren des Westen, in erster Linie Frankreichs einfach satt hat. Ein Land mit vielen Bodenschätzen, mit Lieferverpflichtungen nach Frankreich, aber 40% Analphabeten. Irgendwie ist da was falsch gelaufen. Und wir sind nicht ganz unschuldig daran.

    • @Jens Barth:

      >> "Mohamed Bazoum ist demokratisch gewählt worden. Wirklich? Sicher ist das keinesfalls."

      "Sicher ist das keinesfalls" ist Verschwörungstheorie.

      >> "Was aber schon stimmt ist die Tatsache, daß Bazoum prowestlich war."

      Tauschen Sie "prowestlich" gegen "prodemokratisch" aus. Es verwundert nämlich nicht, dass Demokraten sich nahe stehen.

      >> "daß die Putschisten große Sympathiewerte unter der Bevölkerung haben."

      Sicher doch, deshalb putschen Putschisten ja auch. Weil sie bei Wahlen eh die Mehrheit erringen würden ROFL

      Ich kann in ihrem Beitrag nichts Substantielles entdecken.

    • @Jens Barth:

      Interessant, sie bezweifeln das Ergebnis der letzten demokratischen Wahlen aber glauben zu wissen, dass "die Putschisten große Sympathiewerte unter der Bevölkerung haben"? Weil das Regime nur putschtreue Leute auf die Straße lässt, französische und nigerianische Flaggen verbrennen und russische Fahnen schwenken lässt, sind die produzierten TV-Bilder wohl wenig aussagekräftig.

  • Frankreichs Stromversorgung gehört den Putschisten. Und demnächst Wagner.

    • @Ajuga:

      Das stimmt definitiv nicht. Niger macht nur 7% der Welt-Uranförderung aus. Niger ist erst nach Kasachstan, Kanada und Australien der viertgrößte Uranproduzent der Welt.

      • @Katzenberger:

        Frankreich bezieht 20% seines Bedarfes aus dem Niger zu einem geringen Preis. Eine neue Mine war in Planung. Schäden an Mensch und Umwelt werden aus Kostengründen ignoriert. Das zu kompensieren wird teuer. Frankreich kämpft auch dafür, dass Uran aus Russland nicht unter die Sanktionen fallen. Wieviel angereichertes Uran Frankreich aus Russland bezieht ist ein großes Geheimnis. In Kanada und Australien gibt es zunehmend Proteste gegen den Abbau. Kasachstan war schon immer eng mit Russland. Für die französische Energieversorgung wird es brenzlich.