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Russische Propaganda in Social MediaSchlechtes Schauspiel

In einem Video stürmen russische Schau­spie­le­r*in­nen in Bundeswehruniform ein Haus und hängen ein Selenski-Porträt auf. Peinliche Propaganda.

Eine russische Schauspielerin als Bundeswehrsoldatin, Szene aus dem Video „Heil Zelensky“ Foto: Youtube/taz Screenshot

BERLIN taz | Mit der Ruhe und Beschaulichkeit in einem vermeintlich deutschen verschlafenen Kaff ist es bei einer dreiköpfigen Familie schlagartig vorbei. Bun­des­wehr­sol­da­t*in­nen kommen unangemeldet zu Besuch. Immerhin: Sie klingeln, anstatt die Tür einzutreten. Das lässt auf einen gewissen Zivilisationsgrad schließen. Es ist der Beginn eines Videos, das seit Mittwochabend durch die sozialen Netzwerke geistert. Es dauert nur eine Minute und drei Sekunden. Die Geschichte ist schnell erzählt.

Die ungebetenen Gäste nehmen sämtliche Gegenstände aus der Wohnung mit – augenscheinlich dem Wert nach eher aus dem Niedrigpreissegment. An die Wand wird ein großes Portät des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski gehängt, begleitet von dem Kommentar „Heil Selenski!“ Doch darin erschöpfen sich die frommen Botschaften nicht. „Ist dein Haus in der Nato? Akzeptiere die Nato in deinem Haus“, heißt es. Diese Sätze zeugen nicht eben von Sprachkompetenz. Auch die Übersetzung ins Englische und Russische macht’s nicht besser. Dann werden die Be­trach­te­r*in­nen auch noch mit der Information versorgt, dass seit Anfang 2022 bereits mehr als 22 Milliarden Euro aus dem deutschen Haushalt an die Ukraine geflossen seien.

Suche nach dem Urheber

Jetzt ist das große Rätselraten auf Social Media in vollem Gange. Wer steckt hinter diesem Video und an wen richtet es sich? Handelt es sich vielleicht um eine Art von „sozialer Reklame“ in eigener Sache, deren Urheberin die AfD ist, wie einige vermuten?

Dem Journalisten Mark Krutow von Radio Free Europe sowie dem Fakt­checker Ilja Ber verdanken wir interessante Erkenntnisse. Beide identifizierten in dem Video alle Dar­stel­le­r*in­nen als Russ*innen, die in der Russischen Föderation (noch) ihren Wohnsitz haben. Das legt den Schluss nahe, dass auch das Video in Russland fabriziert wurde.

Nun werden ja Teilen der AfD gemeinhin gute Drähte nach Moskau nachgesagt. Warum also nicht ein bisschen freundliche Produktionshilfe, wenn es denn der Wahrheitsfindung dient?

Nun gut. Die AfD ist gegen den Krieg in der Ukraine, die um des lieben Friedens willen zu opfern für sie kein Problem ist. Das schließt Stimmungsmache gegen­ ukrainische Geflüchtete sowie Waffenlieferungen an Kyjiw genauso ein wie Kritik an der bösen Nato. Aber ein veritabler Führer an sich – das ist der feuchte Traum so mancher AfDler*innen.

Offensichtlich passt da einiges nicht ganz zusammen.

Schwächeln an der Fake-Front

Also russischsprachige Menschen, zum Beispiel in Deutschland, als Zielpublikum? Das erscheint so abwegig nicht, denn die Inhalte dürften vielen bekannt vorkommen. Selenski ist ein Faschist, genauso wie die Bundeswehr als Teil des kollektiven Westens – läuft. Die Nato als Inkarnation des Bösen und eigentlich dafür verantwortlich, dass Russland gegen die Ukraine in den Krieg ziehen musste – genau. Präsident Wladimir Putin an jeder Wand – kennt man. Zwar ist diese Art Personenkult aus der Ukraine nicht überliefert, aber das spielt keine Rolle.

Bleiben noch die Mitnahmeeffekte von „Hausbegehungen“ bei Privatpersonen durch Soldaten. Putins Männer sind da nicht kleinlich. Es wird entwendet, was nicht niet- und nagelfest ist (inklusive Lebensmittel). Wenn mal eine Waschmaschine oder ein Flachbildschirm dabei ist – umso besser. Und überhaupt: Die Ukrainer*innen, allesamt Nazis, haben es nicht besser verdient, haben sie doch sogar in den Dörfern asphaltierte Straßen.

Dererlei Déjà-vus könnten allerdings auch einen anderen Effekt haben und zum Augenöffner mutieren. Aber sollten die Video-Macher*innen sich selbst dargestellt haben, ohne das zu merken? Wenn das so wäre, hieße das Fazit: ­Russland schwächelt jetzt sogar schon an der Fake-Front. Das wäre eine gute Nachricht.

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4 Kommentare

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  • "Bei der Mutter in dem Video handelt es sich um die russische Serienschauspielerin Julia Konyukhova. Der Faktenchecker Ilya Ber entdeckte auf ihrem Instagram-Kanal ein Posting, in dem sie erklärte, dass das Video im Auftrag des staatlichen Fernsehsenders "Russia Today" produziert wurde, das Kind in dem Clip sei ihr Sohn. Ihr Posting wurde inzwischen gelöscht, liegt ZDFheute aber als Screenshot vor."

    www.zdf.de/nachric...ewtab-global-de-DE

  • Schon aus ästhetischen Gründen hätte ich lieber ein Porträt Selenskiys an der Wohnzimmerwand hängen als eins von Putin.

  • Das ist doch reinste Satire das Filmchen... aber als solche gut gemacht, hab mich schlapp gelacht.

    • @Encantado:

      Es ist, so blödsinnig es ist, mal wieder das typische Vorgehen, das Faschisten kennzeichnet: keine andere Ideologie ist so manisch versessen darauf, ihren Gegnern EXAKT, bis ins kleinste Detail, die Verbrechen zu unterstellen, die sie selber machen:

      Schon für die Hitleristen war "das Weltjudentum" eine Ansammlung des verkommenen Bodensatzes der Menschheit, Kriegstreiber, professionelle Lügner, falsche Sozialisten, habgierige Plünderer, der Untergang Europas usw.

      Zum Vergleich: was Stalin und Mao, selbst Pol Pot, in ihren durchgeknalltesten Zeiten ihren Gegnern unterstellt haben, waren fast immer nur grotesk überzogene Versionen dessen, was die Beschuldigten wirklich getan haben. Selbst die "Doktorenverschwörung" war nur in einem massiven paranoiden Schub frei erfunden, und kein Spiegelbild von Stalins Untaten, sondern einfach nur von vorne bis inten ein zusammenhangloses Märchen, das nichts mit irgendetwas zu tun hatte, was irgendeine reale Person tat.

      Den Opfern ist das natürlich egal; tot ist tot. Aber es hilft den Lebenden, schon lange im Voraus zu erkennen, mit welcher Gefahr man es zu tun hat.

      Timothy Snyder nennt die putinistische Variante "Schizofaschismus", aber eigentlich ist es nichts weiter als stinknormaler Faschismus, egal welcher Nationalität und Ära: der moderne Faschismus wird nicht sagen "ich bin der Faschismus", und auch nicht zwangsläufig "ich bin der Antifaschismus", sondern er wird - wie schon der historische - Antifaschismus einfach kriminalisieren und unterdrücken.