Kopfgeld auf Aktivisten: Hongkongs langer Arm im Ausland

Mit dem nationalen Sicherheitsgesetz möchte Hongkong auch Demokratie-Aktivisten im Exil verfolgen. Dabei geht es vor allem um Einschüchterung.

John lee steht an einem Rednerpult, im Hintergrund ist die Stadt Hongkong zu sehen

John Lee will Anhänger der Demokratiebewegung auch im Ausland verhaften lassen Foto: Louise Delmotte/ap

PEKING taz | Als Hongkongs Verwaltungschef John Lee am Dienstag vor die Presse trat, machte der 61-Jährige mehr als deutlich, wie ernst ihm die Angelegenheit ist: „Wir werden die Kriminellen lebenslang verfolgen, bis sie sich ergeben“, sagte der patriotische Regierungsbeamte.

Bei den „Kriminellen“ handelt es sich um acht Anhänger der Hongkonger Demokratiebewegung, die mittlerweile im Exil in Kanada, Australien, den Vereinigten Staaten und Großbritannien leben. Den ehemaligen Parlamentsabgeordneten und Rechtsanwälten wird unter anderem Separatismus und Untergrabung der staatlichen Ordnung vorgeworfen. Dabei haben sie de facto lediglich an Peking-kritischen Demonstrationen teilgenommen.

Am Montag setzten die Sicherheitsbehörden nun auf die acht Hongkonger ein Kopfgeld in Höhe von einer Million HK-Dollar aus. Umgerechnet sind das knapp 120.000 Euro. Die Summe ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil Hongkong selbst gegen flüchtige Mörder und Vergewaltiger nur einen Bruchteil davon auslobt.

Doch seit die ehemals britische Kronkolonie vor drei Jahren das umstrittene nationale Sicherheitsgesetz einführte, ist es mit der einstigen Rechtsstaatlichkeit in Hongkong ohnehin vorbei. Auf Druck der chinesischen Zentralregierung in Peking haben die Behörden sämtliche politische Opposition unter Strafe gestellt: Kritische Zeitungen mussten seither schließen, Politiker zurücktreten und Demonstranten langjährige Haftstrafen absolvieren.

Einschüchterung im Ausland

Dass Hongkongs Behörden nun jedoch Kopfgeld auf Kritiker im Exil aussetzen, stellt allerdings eine weitere Eskalationsstufe dar. Ein Sprecher des Washingtoner Außenministeriums sprach unmissverständlich von einem „gefährlichen Präzedenzfall, der die Menschenrechte und Grundfreiheiten von Menschen auf der ganzen Welt bedroht“. Ähnlich kritische Worte kamen auch von den Regierungen in Großbritannien, Australien und Kanada.

Die chinesische Regierung hingegen wertet das Thema als rein „innere Angelegenheit“. Wie Pekings Außenamtssprecherin Mao Ning am Dienstag mitteilte, solle die Welt „Hongkongs Rechtsstaatlichkeit respektieren“ und „aufhören, Kriminellen Schutz zu bieten“.

Bereits Ende Juni veröffentlichte die chinesische Staatszeitung Ta Kung Pao einen Leitartikel, der sich wie eine Warnung an Demokratie-Aktivisten im Ausland liest: „Glauben Sie nicht, dass Sie im Ausland tun und lassen können, was Sie wollen. Solange es auch nur die kleinsten Anzeichen von Verstößen gibt, werden Sie sich dem Gesetz nicht entziehen können“.

Laut Peter Dahlin, der die NGO „Safeguard Defenders“ leitet, hat die Strafverfolgung der Hongkonger Behörden rein rechtlich keine realistische Chance auf Erfolg. Die Betroffenen seien sich ohnehin darüber bewusst, dass sie in kein Land mehr reisen können, das ein Auslieferungsabkommen mit China abgeschlossen hat. „Am Ende schießen sich Hongkong und Peking wieder einmal selbst ins Bein“, kommentiert Dahlin.

Doch die einschüchternde Botschaft der Kopfgeld-Jagd dürfte dennoch verfangen. Denn während einige Menschenrechtsaktivisten jede Drohung der chinesischen Regierung wie ein Ehrenabzeichen auf der Brust tragen, führen sie bei vielen anderen Chinesen im Ausland dazu, dass sie sich ins Private zurückziehen – insbesondere, wenn sie die Beziehung zu ihren Verwandten nicht gefährden wollen.

Chinesische Nationalisten hingegen fühlen sich zunehmend ermutigt, die Sicherheitsansprüche ihres Heimatlandes auf eigene Faust umzusetzen. Der in Großbritannien lebende Menschenrechtsaktivist Finn Lau, der zu den acht verfolgten Hongkongern gehört, hat bereits Screenshots von chinesischen Nationalisten zugeschickt bekommen, in denen offen über seine Entführung diskutiert wird.

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