Verkehrswende in Bologna: Fast nur noch Tempo 30 und Tempo 10
Die italienische 400.000-Einwohner-Stadt entschleunigt den Verkehr flächendeckend. Das Hauptargument des Bürgermeisters ist gar nicht mal das Klima.
Die Kommune mit knapp 400.000 Einwohnern in der Emilia-Romagna ist damit die erste Großstadt in ganz Italien, die flächendeckend 30 Kilometer durchsetzt. „Null Verkehrstote“ hat der von der gemäßigt linken Partito Democratico kommende Bürgermeister Matteo Lepore als Hauptziel der Maßnahme proklamiert. Immerhin 22 Menschen verloren im Jahr 2022 ihr Leben im städtischen Straßenverkehr, und in der ersten Hälfte des Jahres 2023 sind schon 13 Tote zu beklagen.
Zum Vergleich: Berlin mit zehnmal mehr Einwohnern als Bologna meldete im Jahr 2022 34 Verkehrstote. Auf diese Zahlen verweist Lepore und fügt hinzu, er sei gerne bereit, mit dem neuen Tempolimit eine Wahlniederlage zu riskieren, wenn es ihm gelinge, „jährlich 20 Menschenleben zu retten“. Allerdings hatte er schon vor seiner Wahl im Oktober 2021 die jetzt umgesetzte Maßnahme zum Teil seines Programms gemacht und dennoch den Urnengang für sich entschieden.
Jedoch hielt die Stadtspitze jetzt zur Einführung von Tempo 30 den Ball flach, so als wolle sie so wenig öffentliche Aufmerksamkeit wie möglich erringen. Das ist gelungen: Italiens Medien berichteten so gut wie gar nicht, und auch in Bologna selbst war das öffentliche Echo gering. Dazu mag beitragen, dass Verstöße gegen das neue Tempolimit erst vom 1. Januar 2024 mit Geldbußen geahndet werden sollen.
Der ÖPNV bekommt Geld
Entsprechend schmal blieb so auch der Protest in der Stadt. Zu einem Autokorso, der sich im Schleichtempo durchs Zentrum bewegte, kamen am letzten Donnerstag gerade einmal 200 Fahrzeuge mit rund 400 Personen an Bord zusammen. Unterstützung findet der Protest bei den Rechtsparteien. So fordert die Lega ein städtisches Referendum, und die postfaschistische Partei Fratelli d’Italia startete eine Unterschriftenaktion, die jedoch mit 2.500 Unterzeichner*innen ein bescheidenes Resultat zeigte. Der Bürgermeister jedenfalls lässt sich nicht vom Kurs abbringen, zu dem auch kräftige Investitionen in den ÖPNV gehören.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke