„Barbie“ als Realverfilmung: Plastikwelt in Feminismus getaucht

Greta Gerwigs Komödie persifliert und karikiert die gleichnamige Kultpuppe. Und deutet sie dann doch zur fortschrittlichen Spielzeugerrungenschaft um.

Barbie rechts, gespielt von Margot Robbie, fährt ein rosa Auto. Ken, gespielt von Ryan Gosling, sitzt daneben und hält knall-gelbe Rollschuhe in die Höhe

Die Farben sind schon super: Barbie (Margot Robbie) und Ken (Ryan Gosling) unterwegs in unsere Welt Foto: Warner Bros. Pictures

Blondes Haar, lange Beine, große Brüste: Zumindest bis sich ein kritisches Bewusstsein für den schädlichen Einfluss realitätsferner Körpervorstellungen formte, beeinflusste „Barbie“ das gängige Schönheitsideal maßgeblich mit. Dabei wäre sie mit Maßen von 99-46-84 nicht einmal überlebensfähig, schlicht weil ihr schmaler Körper nicht genug Platz für alle notwendigen Organe lässt.

Dass sich das Spielen mit der Puppe mitunter fatal auf das Selbstbild junger Mädchen auswirkt, ist heute allgemein bekannt. Mehr noch: „Barbie“ ist zum popkulturellen Symbol für überkommene Rollenklischees geworden, wonach Frauen sich einzig Gedanken um ein makelloses Äußeres, ein schönes Zuhause und einen attraktiven Freund an ihrer Seite machen würden. Eine eigene Karriere hat in dieser pinkfarbigen Plastikwelt traditionell keinen Platz.

In einer Zeit, in der feministische Ideale sich im Alltag zwar noch längst nicht durchgesetzt haben, es aber zum guten Ton gehört, sich lautstark für Gleichberechtigung, Diversität und Inklusion auszusprechen, müsste es ein Film, der sich einem gestrig wirkenden Spielzeug widmet, eigentlich schwer haben.

Dass sich um die erste Realfilmadaption aus dem „Barbieversum“ dennoch bereits vor Veröffentlichung ein Hype entwickelte, hat sicherlich zu tun mit einem gewissen Nostalgiefaktor, der hochkarätigen Besetzung und dem Irrwitz eines gleichzeitigen Starttermins mit Christopher Nolans düsterem „Oppenheimer“, der kaum einen größeren Kontrast zum bonbonfarbenen Spielzeughedonismus bilden könnte.

Eine feministische Regisseurin?

Dass die Vorfreude nicht von kritischen Zwischenrufen getrübt wurde, dürfte vor allem daran liegen, dass Greta Gerwig als Regisseurin und als Co-Autorin, gemeinsam mit Noah Baumbach („Marriage Story“), für das Projekt verantwortlich zeichnet.

Mit Drehbüchern zu Dramen wie „Mistress America“ (2015) und „Frances Ha“ (2012) bewies Gerwig früh besonderes Einfühlungsvermögen für Erfahrungswelten von Frauen, deren Lebenswege sich gerade abseits des Perfekten bewegen. Meist hadern ihre Figuren mit Einsamkeit, beruflicher Erfolglosigkeit und finanziellem Engpass.

Auch bei ihren ersten Regiearbeiten, dem 2017 erschienenen „Lady Bird“ über eine rebellische Teenagerin aus prekären Verhältnissen und dem Historiendrama „Little Women“ (2019) über vier Schwestern, die Mitte des 19. Jahrhunderts innerhalb der engen Grenzen, die ihnen Patriarchat und Standesdenken setzen, nach persönlicher Erfüllung suchen, stehen Themen wie weibliche Selbstfindung und Selbstermächtigung im Fokus.

Dass Gerwig mit einem kritischen Blick auf die tumbe „Malibu Blondine“ schauen würde, konnte man demnach getrost annehmen. Und tatsächlich ironisiert, persifliert und karikiert die US-amerikanische Filmemacherin das zweifelhafte Vermächtnis der Puppe und ihre oberflächliche Fantasiewelt. Nicht jedoch ohne – und hierin scheitert der Film daran, eine wahrhaftig überzeugende feministische Perspektive einzunehmen – „Barbie“ letztlich zur fortschrittlichen Errungenschaft umzudeuten.

Kubrick-Anspielung als Einstieg

Es beginnt mit der Auftaktszene, in der – als Anspielung an die berühmte „Dawn of Man“-Sequenz aus Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ konzipiert – eine spielende Schar kleiner Mädchen in einer beige-betrüblichen Wüste mit Babypuppen zu sehen ist. Sie wickeln und füttern sie, legen sie in ihre Bettchen oder fahren sie im Kinderwagen spazieren.

Die Tristesse wird durch die Ankunft einer überdimensionalen „Barbie“ aufgebrochen. Ähnlich wie die Affen aus Kubricks Vorlage in Reaktion auf einen ominösen Monolithen werden die Kinder dadurch von der Erkenntnis gepackt und beginnen ihre Säuglingen nachempfundenen Puppen zu zertrümmern. Wie die Erzählerin aus dem Off erklärt, wären Mädchen zuvor einzig dazu angeregt worden, Mütter zu sein. Die „Barbie“ hingegen hätte ihnen als erste Erwachsenenpuppe beigebracht, dass sie alles sein könnten.

Selbstredend wird diese kulturgeschichtliche Einordnung mit einem leicht ironischen Unterton vorgebracht, überspitzt durch den spöttischen Zusatz, „alle Probleme des Feminismus und der Gleichberechtigung“ seien direkt mitgelöst worden. Dennoch ist so die erste positive Botschaft der gesellschaftlichen Bedeutung des Spielzeugs des Konzerns Mattel, der übrigens 14 weitere Filme rund um seine Produkte plant, schon binnen der ersten Spielminuten vorgebracht.

Die gerissene Mischung aus satirischen Seitenhieben und der mehr oder minder subtilen Demonstration der Progressivität, für die die Puppe und ihr Hersteller insbesondere im Heute stehen wollen, zieht sich auch durch das weitere Geschehen. Das verlagert sich zunächst nach „Barbieland“, wo nicht etwa nur bleierne Gleichförmigkeit herrscht und sich alles darum dreht, den Kens zu gefallen. Im Gegenteil: Im Matriarchat sind die männlichen Pendants höchstens hübsches Beiwerk.

Die verschiedenen Barbies in der Nachbarschaft

Hauptdarstellerin Margot Robbie spielt zwar die „stereotype Barbie“ samt perfekt geformten Füßen in ständiger Pumpsposition und der typisch blonden Haarpracht, ist aber umgeben von zahlreichen anderen Barbieversionen, die unterschiedlichen Ethnien angehören, verschiedene Körperformen haben und einer ganzen Reihe an beeindruckenden Karrieren nachgehen. In einer treibenden Sequenz werden sie in ihren täglichen Abläufen vorgestellt – als Präsidentin (Issa Rae), Ärztin (Hari Nef), Physikerin (Emma Mackey).

Während das smarte Setdesign im täuschend echten Spielzeuglook durchaus beeindruckt, fühlt sich „Barbie“ in diesen Momenten an wie ein Marke­ting­spot für jene neuen Puppen­pallet­ten, die Mattel nach enormen Umsatzeinbrüchen seit 2015 veröffentlichte, wohl um sich als sozialverträglichere Marke zu präsentieren. So etwa die „Curvy Barbie“, die dem Konzern eine Coverstory des Time Magazine einbrachte, aber nicht hält, was man mit dem Namen assoziieren könnte. Bei Kleidergröße 36 bereits von „kurvig“ zu sprechen, scheint im Hinblick auf das Ziel, Mädchen ein gesünderes Körperbild zu vermitteln, sogar kontraproduktiv.

Total unreflektiert zeigt Gerwig das Spielzeugidyll auch hier nicht. Als Barbie von plötzlich auftretenden Gedanken an die eigene Sterblichkeit aus ihrem malerischen Alltag gerissen wird, wird sie von „Ausfallserscheinungen“ heimgesucht, die nur eine auf Perfektion getrimmte Puppe ängstigen könnten: flache Füße, beginnende Cellulite. Wie sie erfährt, gibt es einen Riss zwischen der ihren und der „realen Welt“, durch den die Person, die dort mit ihr spielt, ihre Negativität auf sie überträgt und so für ihren körperlichen Verfall verantwortlich ist. Um die Normalität wieder herzustellen, bricht sie mit dem stereotypen Ken (Ryan Gosling) in unsere Gegenwart auf.

Von da an nimmt „Barbie“ vorübergehend den Ton einer ebenso originellen wie witzigen „Culture-Clash“-Komödie an: Gewöhnt an die Verhältnisse im „Barbieland“, muss sie entgeistert feststellen, dass in der echten Welt andere Regeln – und vor allem die Männer – herrschen, während Ken von der ungekannten Macht seines Geschlechts berauscht ist.

Barbies Begegnung mit ihrer Schöpferin

Zwischen Barbies Konfrontation mit der erbarmungslosen Kritik der „Generation Z“ an der Puppe und scharfer Satire auf die rein männliche Führungsriege von Mattel, die sich bald auf die Jagd nach Barbie macht, läuft der Film zwar zu seiner humoristischen Höchstform auf.

Des Eindrucks, die unbequemeren Sticheleien seien bewusst so platziert, dass gleichsam den Gegnern der Puppe und ihres Herstellers der Wind aus den Segeln genommen wird, dabei aber das Image des Spielzeugs als ein mittlerweile fortschrittliches erhalten bleibt, kann man sich allerdings nicht erwehren. Umso mehr, als sich bald rührselige Begegnungen von Barbie mit ihrer Schöpferin Ruth Handler (Rhea Perlman) und ihrer eigenen Fähigkeit zu Emotionen mit in das Geschehen mischen, was den Film zunehmend den Anstrich eines überaus klug konzipierten Werbefilms verpasst.

Als Barbie schließlich zurück nach „Barbie Land“ kehrt, das von Ken zwischenzeitlich in eine besonders primitive Spielart des Patriarchats transformiert wurde, verklärt sie Gerwig – nach einer kurzen depressiven Phase, immerhin – endgültig zur feministischen Heldin, die gemeinsam mit den anderen weiblichen Puppen die pastellfarbene Plastikwelt zurückerobert.

Bleibt Barbie ein sinnentleertes Pop-Phänomen?

Die Thesen, die dabei in vermeintlich inspirierenden Ansprachen fallen, gehen allerdings niemals über handzahme Girl-Power-Plattitüden und abgedroschene Auslassungen über die unerhört hohen Ansprüche an Frauen hinaus. Nun könnte man grundsätzlich argumentieren, dass derartige Floskeln, gerade in einem Sommerblockbuster mit einer solchen Strahlkraft, besser seien als gar kein Feminismus.

Wenn dieser aber letztlich vor allem zu einer Steigerung des Ansehens und der Verkaufszahlen eines nur leidlich progressiveren Produktes führt, ist der Sache ein Bärendienst erwiesen und weiter zur Degradierung eines sozialen Bestrebens zu einem sinnentleerten Pop-Phänomen beigetragen.

Heute mögen die Puppen auch mal mit OP-Kittel oder Mikroskop geliefert werden. Dass sich in erster Linie alles um ihr adrettes Aussehen und süße Outfits dreht, hat sich aber nicht geändert. Barbies sind weiterhin zuerst Körper, selten Persönlichkeit. Ebenso wie dieser Film selten aufrichtige Auseinandersetzung mit diesem Missverhältnis und zuerst eine spaßige Schönfärberei desselben ist.

„Barbie“. Regie: Greta Gerwig. Mit Margot Robbie, Ryan Gosling u. a. USA 2023, 114 Min.

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