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Israel attackiert Ziele im WestjordanlandMindestens vier Tote

Dschenin im Westjordanland gilt als Hochburg militanter Palästinenser. Nun startet Israel dort seit Jahrzehnten erstmals wieder eine mögliche Großoffensive.

Das israelische Militär hat die palästinensische Stadt Dschenin angegriffen Foto: Ayman Nobani/dpa

Dschenin dpa | Bei einem großangelegten israelischen Militäreinsatz in der Stadt Dschenin im Westjordanland sind mindestens vier Palästinenser getötet worden. Rund zwei Dutzend weitere seien verletzt worden, davon sechs in kritischem Zustand, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium am Montag mit. Die Operation „Heim und Garten“, die sich nach israelischen Angaben gegen „terroristische Infrastruktur“ richtete, dauerte am Montagmorgen noch an. Die Region um Dschenin und das dazugehörende Flüchtlingslager mit rund 17.000 Einwohnern gelten seit Jahren als Hochburg militanter Palästinenser.

Mehrere gezielte Luftangriffe in der Nacht hätten unter anderem ein Waffenlager, einen Versammlungsort für Terroristen und ein auch als Beobachtungsposten genutztes Kommando- und Kommunikationszentrum getroffen, teilte die Armee mit. Auf Videos waren mehrere zerstörte Straßen zu sehen. Auch das „Freedom Theatre“ im Zentrum der Stadt wurde getroffen, wie die Kultureinrichtung bestätigte. Israels Armee war kurz nach den Luftangriffen mit Bodentruppen und rund 100 Militärfahrzeugen in die Stadt eingerückt. Palästinensischen Berichten zufolge kam es daraufhin zu gewaltsamen Kämpfen mit Bewohnern.

Der Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, Nabil Abu Rudeineh, verurteilte den israelischen Einsatz und sprach von einem „neuen Kriegsverbrechen“. Er rief die internationale Gemeinschaft auf, „ihr beschämendes Schweigen zu brechen und ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen“.

Israelische Operation mit einem offenen Ende

Der israelische Armeesprecher Richard Hecht sagte, die Operation werde „so lange wie nötig“ dauern. Demnach konzentriere sich die Armee auf das Flüchtlingslager in Dschenin. Dort seien in der Nacht „mindestens sieben Terroristen neutralisiert“ worden. Unklar war, ob sie getötet wurden. Laut Hecht wurden seit letztem Jahr mehrere Dutzend Angriffe auf Israelis von Bewohnern des Lagers ausgeführt.

Neben der im Gazastreifen herrschenden Hamas haben in den letzten Jahren auch der militante Islamische Dschihad sowie weitere lose Gruppierungen in Dschenin massiv an Einfluss gewonnen. Finanziert werden sie größtenteils vom Iran. Die Hamas rief am Morgen zur Mobilisierung der Palästinenser im Westjordanland auf und sicherte ihren Kämpfern in Dschenin Unterstützung zu. Ein Sprecher der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad teilte mit: „Solange diese Aggression nicht aufhört, werden die Reaktionsmöglichkeiten breit und umfassend sein“.

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant teilte mit, die Armee werde in Dschenin weiter „proaktiv und entschlossen vorgehen“. Israels Verteidigungsapparat sei auf jedes Szenario vorbereitet.

Die Lage ist seit Monaten angespannt

Die Sicherheitslage in Israel und den palästinensischen Gebieten ist seit langem angespannt und hatte sich zuletzt nochmals verschärft. Unter anderem aus der Regierung wurden zuletzt Rufe nach einer großangelegten Militäroffensive laut.

Nach einem tödlichen Anschlag zweier Palästinenser auf vier Israelis im Westjordanland vor knapp zwei Wochen kam es dort immer wieder zu massiver Gewalt wütender israelischer Siedler gegen Palästinenser. Zudem führte das Militär erstmals wieder seit Jahrzehnten einen gezielten Luftangriff gegen Palästinenser im Westjordanland durch.

Seit Beginn des Jahres kamen mehr als zwei Dutzend Menschen bei Anschlägen von Palästinensern ums Leben. Im gleichen Zeitraum wurden mehr als 140 Palästinenser bei Konfrontationen, israelischen Militäreinsätzen oder nach eigenen Anschlägen erschossen.

Israel eroberte das Westjordanland und Ost-Jerusalem während des Sechstagekrieges 1967. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat.

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4 Kommentare

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  • hieße Jenin Ukraine, täten wir nicht von einer militärischen spezialoperation sondern von einem krieg sprechen.

  • Darf ich hier ungestraft sagen das ich die Siedlungspolitik der derzeitigen Regierung Israels für mehr als bedenklich halte?

    • @Tom Lehner:

      Vor welcher Strafe fürchten Sie sich denn?

      Die ganze Welt tut das doch den lieben langen Tag und tut allerdings dabei, genau wie Sie, so als wäre das heldenhaft und gefährlich.

  • Ich als Detektiv habe bereits mehrmals das Westjordanland bereist. Aber Inmitten zunehmender Konfrontationen im besetzten Westjordanland hat das israelische Militär einen Angriff auf die palästinensische Stadt Jenin begonnen. Die Attacke sei gegen "terroristische Infrastruktur" gerichtet, teilte die Armee in der Nacht auf Montag auf Twitter mit. Israelischen Medienberichten zufolge wurde mit Luftangriffen eine großangelegte Offensive namens "Heim und Garten" eingeläutet, bei der mindestens ein Palästinenser getötet worden sei. Auch ein von der Armee als "Terroristenhochburg" bezeichnetes Flüchtlingslager sei ins Visier genommen worden. Die Luftangriffe hätten unter anderem ein als Waffenlager, Versammlungsort für Terroristen und Beobachtungsposten genutztes Kommando- und Kommunikationszentrum getroffen, teilten die Armee und der israelische Inlandsgeheimdienst Shin Bet in einer von der "Jerusalem Post" zitierten Stellungnahme mit. Dem Bericht zufolge kam es in ganz Jenin zu Stromausfällen. Palästinensischen Quellen zufolge sei Israels Armee kurz nach den Luftangriffen mit vielen Soldaten in die Stadt eingerückt, die sich Kämpfe mit militanten Palästinensern geliefert hätten. Die Sicherheitslage in Israel und den palästinensischen Gebieten ist seit langem angespannt und hatte sich zuletzt nochmals verschärft. Nach einem tödlichen Anschlag zweier Palästinenser auf vier Israelis im Westjordanland vor knapp zwei Wochen kam es dort immer wieder zu massiver Gewalt wütender israelischer Siedler gegen Palästinenser. Beim ersten gezielten Luftangriff seit Jahren in dem besetzten Gebiet wurden dann drei Palästinenser mit einer Militärdrohne getötet, nachdem aus ihrem Fahrzeug Schüsse auf einen israelischen Grenzübergang abgegeben worden sein sollen. Zwischen 1967 und 1977 wurden in der Westbank die ersten 30 israelischen Siedlungen errichtet. Die erste Siedlung war Kfar Etzion in der heutigen Kommune Gusch Etzion.