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Deutsches Ausscheiden bei der WMBrüchiges Fundament

Um den deutschen Frauenfußball steht es schlecht. Doch Kritik wird nur samtpfötig vorgetragen. Das erschwert das Vorantreiben notwendiger Reformen.

Fassungslos: Svenja Huth und Lena Lattwein nach dem 1:1 gegen Südkorea Foto: Aisha Schulz/dpa

Für die Dokumentation der eigenen Hybris hat der deutsche Fußball-Bund selbst gesorgt. Nach dem WM-Auftaktsieg gegen Marokko (6:0) war etwa auf der Verbandsseite des DFB zu lesen, die deutschen Fußballerinnen hätten „einen ersten Grundstein für die Mission dritter WM-Titel“ gelegt. Zwei Spiele später sind von den eigenen Ansprüchen nur Trümmer übrig. Die Niederlage gegen Kolumbien und das Remis gegen Südkorea führten zum Vorrundenaus. Das hat es in der deutschen WM-Geschichte der Frauen noch nicht gegeben.

Gerade bei diesem Turnier, vor dem von deutscher Seite die Sorge vorgetragen wurde, diese um acht Teams erweiterte WM in Australien und Neuseeland könne in der Vorrunde unter mangelnder Qualitätsdichte leiden.

Zur Einordnung dieses überbordenden Überlegenheitsgefühls muss an den letzten Julitag des vergangenen Jahres erinnert werden. Bundeskanzler Olaf Scholz, Innenministerin Nancy Faeser und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas verfolgten damals die knappe EM-Finalniederlage der Deutschen gegen England auf der Ehrentribüne im ausverkauften Wembley-Stadion. Die Begeisterung für das Turnier und dessen emanzipative Energie war auch nach Deutschland übergeschwappt. Die politische Führungsriege wollte Flagge zeigen.

Der Bundeskanzler bot, wie Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg später berichtete, seine Hilfe an, um „jetzt auch Nachhaltigkeit aus dem Turnier mitzunehmen“. Und sie selbst sprach nach der Partie kaum über die Auseinandersetzung auf dem Rasen. Wichtiger war ihr, über den Umgang miteinander in der Gesellschaft zu sprechen, die Anerkennung „der Frauen als starke Personen“ und über das Statement, das ihr Team dazu gesetzt hatte.

Gesellschaftspolitischer Auftrag

Die Botschaft war klar. Das Team hat nicht nur einen sportlichen, sondern auch einen gesellschaftspolitischen Auftrag. Es war ein starker Auftritt. Auf der Welle des Erfolgs, die sich nach Jahren der Ebbe bei den deutschen Fußballerinnen vergangenes Jahr unvermutet auftat, bestärkt sich beides gegenseitig. Im Falle des Misserfolgs wird es komplizierter. Denn Kritik an den Auftritten auf dem Rasen wird schnell auch als Bedrohung für den Kampf gegen die Ungleichbehandlung der Geschlechter wahrgenommen.

Auffällig ist, dass selbst nach dem größten Misserfolg des deutschen Frauenfußballs die Verantwortlichen im Verband, aber auch ein Großteil der Journalistinnen und Journalisten sich wie in einem Naturschutzgebiet bewegen. Möglichst leise sein, niemanden aufschrecken und möglichst alles unberührt lassen.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte nach dem blamablen Vorrundenaus der Männer in Katar Trainer Hansi Flick vor den Mikrofonen zum Rapport gebeten. Er verlangte von ihm eine WM-Analyse und Perspektiven, wie es besser werden solle. Martina Voss-Tecklenburg dagegen behandelte er samtpfötig, sprach ihr sofort sein Vertrauen aus. Im ZDF war zu hören, wie gut das Team gekämpft habe und die Kritik nun nicht hämisch werden dürfe. Natürlich nicht! Aber wozu diese ungewöhnliche Warnung? Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Frauenfußball immer noch nicht für voll genommen wird. Behindert diese große Vorsicht nicht gerade die bestmögliche Entwicklung?

Bei den Männern hatte der DFB versprochen, für eine bessere Zukunft jeden Stein umdrehen zu wollen. Mit der gleichen Umtriebigkeit sollte jetzt die Analyse bei den Frauen vorgenommen werden. Schaut man auf die Ära Voss-Tecklenburg, fällt auf, dass der glänzende EM-Auftritt im vergangenen Jahr ein Ausreißer war. Just als aufgrund der vorherigen schlechten Leistungen niemand etwas vom DFB-Team erwartete, spielte es am erfolgreichsten. Mit Erwartungen und unerwarteten Rückschlägen tut sich die deutsche Elf schon lange schwer.

Berechenbare Popp-Kultur

Ideen gegen stur verteidigende Teams haben Seltenheitswert. Die Popp-Kultur des deutschen Spiels, hohe Bälle auf die Stürmerin Alexandra Popp, ist den Gegnerinnen längst vertraut. Taktische und personelle Überraschungen können bei den Deutschen nahezu ausgeschlossen werden. Die Frage ist, ob Martina Voss-Tecklenburg noch die richtige Trainerin für dieses Team ist.

Im Frauenfußball werden die Nationalteams traditionell in besondere Verantwortung genommen, um die Entwicklung in der heimischen Liga und an der Basis in Bewegung zu bringen. Aber im deutschen Nationalteam bewegt sich seit Jahren wenig.

Umgekehrt betrachtet ist das Fundament unterhalb der Spitze höchst brüchig. Zwischen 2010 und 2021 hat sich die Zahl der Mädchenteams in Deutschland nahezu halbiert. Nach der erfolgreichen EM 2022 wurde erstmals wieder ein kleiner Zuwachs vermeldet. Der DFB sollte auf diesem Gebiet unabhängig vom Erfolg des Nationalteams für eine breitere Basis sorgen. Vielleicht müssen dann künftige Bundestrainerinnen nicht mehr so wie Voss-Tecklenburg unter einem Mangel an Alternativen auf den Defensivpositionen leiden. Im Jahr 2021 veröffentlichte der DFB ein Papier „Strategie Frauen im Fußball FF 27“. 25 Prozent mehr aktive Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen setzte man sich zum Ziel.

Stimmt, wer derzeit über eine mögliche Alternative zur Bundestrainerin Voss-Tecklenburg nachdenkt, dem fallen kaum Frauennamen ein. Die Trainerpositionen in der Liga sind fast ausschließlich von Männern besetzt.

Besuch in der Rudi-Völler-Sportanlage

Das sind schöne Bekenntnisse vom DFB. Doch welche finanziellen Anstrengungen er dafür unternimmt, was dem hoch verschuldeten Verband der Frauenfußball genau wert ist, erfährt man nicht. Unter den gegebenen Bedingungen kann das nur über Umverteilung von den Männern zu den Frauen funktionieren. Was sich da bewegt oder eben nicht bewegt, möchte der DFB scheinbar lieber nicht öffentlich besprechen.

Das nächste Leuchtturmprojekt soll die gemeinsame Bewerbung mit Belgien und den Niederlanden für die WM 2027 sein. In Australien und Neuseeland bringen sich die Kandidaten dafür gerade in Stellung. Der südafrikanische Fußballpräsident Danny Jordan ist deshalb schon seit dem WM-Eröffnungsspiel vor Ort. Mit dem Vorsitzenden des Bewerbungskomitees will er den Fifa-Funktionären erklären, warum es wichtig ist, dass Südafrika den Zuschlag erhält.

Präsenz in Australien zeigen wollte eigentlich auch sein deutscher Kollege Bernd Neuendorf, allerdings erst ab dem Achtelfinale. Er hatte fest mit einem Spiel unter deutscher Beteiligung gerechnet. Nun hat er seinen Flug gecancelt. Am Freitag hatte Neuendorf noch einen Termin mit Sportdirektor Rudi Völler auf der Rudi-Völler-Sportanlage in dessen Heimatstadt Hanau. Anlass war der Start einer Vereinsaktion zur Euro 2024 der Männer. Es kann gut sein, dass am Rande auch ein wenig über Frauenfußball gesprochen wurde. Wohlwollend sicherlich.

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3 Kommentare

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  • Habe heute Schweden gegen USA gesehen (mit Japan sind Vergleiche derzeit wohl nicht hilfreich - die spielen ein Klasse höher).

    Ein Pass, ein Kontakt und (schon gewust wohin) ein weiterer Pass der ankommt.

    Das habe ich von den Frauen (auch von der Qualidäd-Männern braucht man da nicht zu reden) nicht gesehen.



    Kaum ein Zweikanmpf im Mittelfeld wurde positive gestaltet (meint nicht direkt den Ball verlieren). Neben der Torfrau waren wettbewerbsfähig nur Frau Popp. Das erinnert an Rumpelzeiten 2002 und die "Wade der Nation".

    Ich schätze den Umgang mit dem Medien von Frau V.-T. als Trainerin hat sie leider offensichtlich keinen Plan gehabt - zum Beispiel den, den Spielerinnen mitzugeben: sieh zu reagiere und agiere; statt dessen wenig.

  • Vielleicht sollten deutsche Nationalmannschaften weniger den gesellschaftspolitischen Auftrag in den Fokus rücken und sich vorrangig auf sportliche Aspekte konzentrieren.

    Die Männer-Nationalmannschaft in Katar hat gezeigt, zu was für einer großen Ablenkung das führen kann.

    Das ist eine Menge zusätzlicher Druck der da von Medien und dem Verband kommt und mit dem die Spielerinnen klar kommen müssen. Sie sollen Role Models sein für Frauen, die Ungleichbehandlung der Geschlechter bekämpfen, den Frauensport voranbringen usw.

    • @gyakusou:

      Klar kann das zu Ablenkungen führen. Allerdings glaube ich, dass die Frauen da anders aufgestellt sind. Da ist es keine "Ablenkung" eine Regenbogenbinde zu tragen, das ist eher selbstverständlich. Zu viel ist dieses: Ihr seid aufgefordert den Frauenfußball groß zu machen. Das ist eine Aufgabe, die nur über viele Jahre gelingen kann, es ist eine Generationenaufgabe. Unter so einem Stern und mit so einer Aufgabe spielen zu müssen kann eigentlich nur schief gehen. Insofern haben Sie Recht: Konzentration auf das Spiel, das selbstverständliche selbstverständlich sein lassen. Einplanen, dass auch etwas schief gehen kann. Und sich immer klar sein: nichts ist weniger wert und weiter weg als der Erfolg oder Misserfolg von gestern.

      Die Männer hingegen: Sie hätten in Quatar nicht antreten sollen. Wäre besser gewesen. Oder wenigstens einen Spieler mit Charakter mitnehmen sollen, für den eine Regenbogenbinde oder ein Protest gegen ein menschenverachtendes Regime wie das in Quatar keine unfassbare Herausforderung darstellt, sondern eine Selbstverständlichkeit. Ich glaube nicht, dass das Turnier dann besser gelaufen wäre, aber dann müsste jetzt nicht Selbstverständliches als Ausrede für sportliche Unzulänglichkeiten herhalten.