Aus für Generalmajor Popow: Zank unter Russlands Offizieren

Generalmajor Iwan Popow, dessen Truppe in der Ukraine kämpft, ist überraschend abgesetzt worden. Offenbar hat er die Armeeführung kritisiert.

Ein russischer Soldat mit einem Fernglas

Wie viel Kritik ist erlaubt? Russischer Soldat an der Front in der Region Saporischschja Foto: Alexey Maishev /SNA/imago

BERLIN taz | Probleme in den russischen Streitkräften gibt es offiziell nicht, alles laufe nach Plan, lautet das Mantra des Kreml. Wer sich dennoch anmaßt, Missstände zu benennen und diese Kritik dann auch noch an die Öffentlichkeit gelangt, wird kaltgestellt.

So erging es jetzt Generalmajor Iwan Popow – seit Juni 2023 Kommandeur der 58. Armee, die im Süden Russlands (Wehrkreis Süd) stationiert ist und derzeit versucht, die ukrainische Offensive im Gebiet Saporischschja abzuwehren. Der 48-Jährige mit dem Kampfnamen „Spartak“ wurde von seinem Posten entbunden. Eine entsprechende Sprachnachricht Popows hatte der Duma-Abgeordnete und Ex-Militär Andrei Gurulew, welcher der Kreml-Partei Einiges Russland angehört, auf seinem Telegram-Kanal veröffentlicht.

Er habe nicht das Recht zu lügen und alle Dinge beim Namen genannt, sagt Popow in dieser Botschaft, die an seine Soldaten gerichtet ist. Er spricht von der wichtigsten Tragödie in dem aktuellen Krieg gegen die Ukraine: Dem Fehlen von Artillerieaufklärungstechnik sowie „dem massenhaften Sterben und Verwundungen unserer Brüder durch feindliche Artillerie“.

Auf allerhöchster Ebene habe er auch eine Reihe anderer Probleme offen und ehrlich angesprochen. Die oberen Kommandeure hätten in ihm eine Art Gefahr gesehen und an nur einem Tag einen Befehl ausgearbeitet, den der Verteidigungsminister unterzeichnet habe, um ihn loszuwerden.

Popow wird „Desinformation“ vorgeworfen

„Wie viele Divisionskommandeure gesagt haben: Die Soldaten der ukrainischen Streitkräfte konnten die Reihen unsere Armee nicht von der Front aus durchbrechen. Doch unser eigener Oberbefehlshaber hat uns von hinten einen Schlag versetzt und die Armee im schwierigsten und angespanntesten Moment auf verräterische und schändliche Weise enthauptet“, so Popow.

Als einer der Ersten hatte der Telegram-Kanal „Graue Zone“, der mit der Söldner-Truppe Wagner verbandelt ist, über die Absetzung Popows berichtet. Dort veröffentlichten Informationen zufolge soll Popow Waleri Gerassimow, Generalstabschef der russischen Streitkräfte und Oberbefehlshaber über die russischen Truppen in der Ukraine, Bericht erstattet und vorgeschlagen haben, die an der Front stationierten russischen Einheiten rotieren zu lassen. Daraufhin sei er entlassen worden. Gerassimow habe Popow „Desinformation“ und „Panikmache“ vorgeworfen.

Am Dienstag war das Hotel Djuna in der südukrainischen Großstadt Berdjansk, die 100 Kilometer von der Front entfernt liegt, von einer Storm-Shadow-Rakete getroffen worden. Hier soll sich der Kommandostab der 58. Armee befinden. Bei dem ukrainischen Angriff wurde der stellvertretende Chef von Russlands Wehrkreis Süd, General Oleg Zokow, getötet. Der sei zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Eigentlich habe der Angriff Popow gegolten, schreibt das oppositionelle Internetportal insider.ru.

Am Donnerstag äußerste sich der erste Vize-Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Andrei Turtschak zu der Causa Popow. Dessen Appell sei nicht öffentlich gewesen und in den geschlossenen Chat-Gruppen von Angehörigen der Armee verbreitet worden. Dass der Abgeordnete Gurulew, dem diese Botschaft irgendwie zugegangen sei, daraus eine politische Show gemacht habe, müsse er selbst mit seinem Gewissen vereinbaren, zitiert insider.ru Turtschak. „Iwans Gewissen hingegen ist rein. Auf solche Kommandeure kann das Vaterland stolz sein. Die Armee war und wird außerhalb der Politik bleiben.“

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