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USA liefern Streumunition und ernten viel Kritik

Mit panzerbrechender Streumunition soll die Ukraine die russischen Schützengräben überwinden. Während Kyjiw Bedenken entgegentritt, äußern Nato-Verbündete Vorbehalte

Von Dominic Johnson

Nach internationaler Kritik an der US-Ankündigung, der Ukraine Streumunition für Angriffe auf russische Stellungen zu liefern, hat die ukrainische Regierung Zusicherungen zur unbedenklichen Verwendung dieser Waffen abgegeben. „Keine Nutzung auf russischem Gebiet; keine Nutzung in Stadtgebieten; strenges Monitoring der Einsatzzonen; Priorisierung dieser Zonen bei der Minenräumung; transparente Berichterstattung an Partner“, fasste der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, am Samstag eine Erklärung des Verteidigungsministeriums in Kyjiw zusammen.

„Streumunition wird nur auf Feldern eingesetzt werden, wo es eine Konzentration russischen Militärs gibt“, führte Verteidigungsminister Oleksii Resnikow aus. „Die Ukraine wird den Einsatz dieser Waffen und ihre Einsatzorte genau dokumentieren“, sagte er. Zudem würden diese Gebiete nach Ende: des Krieges „für Minenräumung priorisiert“.

Die US-Regierung hatte am Donnerstag ein umfassendes neues Militärhilfspaket für die Ukraine bekanntgegeben. Neben Panzerfahrzeugen, Artillerie, Drohnen und Luftabwehrraketen enthält das 800-Millionen-Dollar-Paket auch DPICM-­Streumunition des Kalibers 155 Millimeter für Haubitzen.

Mindestens neun Tote in Lyman

Nach dem russischen Beschuss der ostukrainischen Stadt Lyman ist die Zahl der Toten dort auf mindestens neun gestiegen. Die Behörden meldeten am Sonntag, dass nach dem Beschuss am Vortag noch ein Mensch gestorben sei. Demnach lag die Zahl der Verletzten bei zwölf. „Gegen zehn Uhr morgens haben die Russen mit Raketenwerfern die Stadt beschossen“, schrieb der Chef der ukrainischen Militärverwaltung von Donezk, Pawlo Kyrylenko, am Samstag auf Telegram. Dabei seien gezielt Wohnhäuser unter Feuer genommen worden. Seinen Angaben nach werden die Verletzten medizinisch versorgt. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen. (dpa)

Russland verurteilte Washingtons Ankündigung als weitere „eklatante Offenbarung des aggressiven antirussischen Kurses“. Doch auch Nato-Verbündete äußerten Kritik. Großbritannien, neben den USA wichtigster militärischer Verbündeter der Ukraine, distanzierte sich: „Wir raten von dem Einsatz ab“, sagte Premierminister Rishi Sunak, der am Montag in London US-Präsident Joe Biden empfangen wird. Biden selbst hatte zuvor von einer „schwierigen Entscheidung“ gesprochen. Spanien lehnte die Lieferung ab. In Deutschland hielt sich die Bundesregierung zurück, aber einzelne Politiker äußerten sich kritisch. Für den Nato-Gipfel am Dienstag und Mittwoch in Litauen bietet die Streubombenlieferung nun Stoff für Streit. Es gibt ohnehin Differenzen über die Perspektive eines ukrainischen Nato-Beitritts – die USA stehen da auf der Bremse, während sie bei Waffenlieferungen nun einen Gang hochschalten.

DPICM-Streumunition für die Ukraine war bereits am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar Thema. Im März forderte eine Gruppe Kongressabgeordneter der US-Republikaner, darunter die Vorsitzenden der Ausschüsse für Außenpolitik und Streitkräfte, Biden schriftlich zu Lieferungen auf. Die Offensivkapazitäten der Ukraine, schrieben sie, würden damit deutlich ausgeweitet. Das Pentagon gab jetzt als Begründung für die Lieferung „Dringlichkeit“ an: Man werde damit den Zeitraum überbrücken, bis die Verbündeten der Ukraine genügend Munition produzierten, um dem aktuellen ukrainischen Verbrauch hinterherzukommen.

Ein panzerbrechendes DPICM-­Geschoss vom Kaliber 155 Millimeter setzt beim Aufprall je nach Typ 72 oder 88 Submunitionskörper in alle Richtungen frei. Man kann also zum Beispiel auf eine Panzerstellung schießen und mit der dann umherfliegenden Submunition die umliegenden Schützengräben direkt treffen. Die bestehenden DPICM-Systeme haben eine Reichweite von bis zu 29 Kilometern und könnten damit auch russische Linien hinter der Front erreichen.

US-Präsident Biden hatte selbst von einer „schwierigen Entscheidung“ gesprochen

Die Bedenken dagegen speisen sich daraus, dass 110 Staaten weltweit – darunter Deutschland und Großbritannien, nicht aber die Ukraine, die USA und Russland – die Osloer Streubombenkonvention von 2008 ratifiziert haben. Sie ächtet den Einsatz von Streumunition, da Blindgänger noch weit nach dem Einsatz eine Gefahr für Zivilisten darstellen kann, ähnlich wie Landminen. Die geplante Art des Einsatzes in der Ukraine schließt allerdings laut Experten diese Gefahr aus, da nahe der aktuellen Kriegsfront kaum noch Zivilisten leben und diese Gebiete von russischer Seite bereits vermint wurden. Vor jeder Rückkehr von Zivilisten müssen diese Gebiete also ohnehin von Minen und Blindgängern geräumt werden.

Nicht jeder Typ von Streumunition ist durch die Osloer Konvention verboten. Erlaubt ist Streumunition mit Selbstzerstörungsmechanismen oder mit weniger als zehn Submunitionskörpern. Die ukrainischen Streitkräfte setzen im Krieg regelmäßig Streumunition des Typs SMArt155 aus deutscher Produktion ein, die sich von den geplanten US-Lieferungen nur durch die geringere Anzahl der Submunitionskörper unterscheidet und vom Osloer Abkommen nicht betroffen ist. Verbotene Typen setzt in der Ukraine ausschließlich Russland ein – auch gegen zivile Ziele.

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